EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Bulgaropulos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742744098
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sollte eine eigene History Lesson produzieren. Dabei würden die Leute die ungeschminkte Wahrheit erfahren … und ich könnte meine Koffer packen.

      Trotzdem spann Lester den Gedanken weiter. Er musste bei aller Kritik zugeben, dass der Konzern sich nicht nur durch seine fragwürdigen Geschäftspraktiken auszeichnete. 2190 hatte Skyrock unweit der ersten Mondforschungsstation eine Förderanlage in Form einer Stadt aus dem Boden stampften lassen: Kap Rosa. Erbaut auf der von der Erde aus sichtbaren Seite ihres Trabanten, lag sie nördlich des Kratersees Tycho, zwischen den westlichen Ausläufern des Promontorium Taenarium und der östlichen Küste des Mare Nubium. 2195 schließlich war die Anlage mit der größten wirtschaftlichen Bedeutung im Sonnensystem in Betrieb gegangen und bot eine Flut von Arbeitsplätzen.

      Nachdem der kommerzielle Abbau von Brymm, benannt nach dessen Entdecker, begonnen hatte, eroberte das Mineral alle Bereiche der Energieversorgung im Sturm und war aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die in verschiedenen Bedarfsgrößen produzierten Kristallzellen setzte man lediglich in Fusionspower-Konverter ein, in denen sie gefahrlos brannten und hohe Energiemengen lieferten. Dies funktionierte auf Basis der Pyrofusions-Technologie, bei der die Brymm-Atome ionisiert wurden und die Atomkerne ihre nötige Verschmelzungsgeschwindigkeit schon bei niedrigen Temperaturen erreichten.

      Zudem war man bei dem Verbauen der Konverter nicht auf Kraftwerke wie bei der heißen Kernfusion angewiesen, sondern konnte sie Platz sparend und überall zum Einsatz bringen: in Raumschiffsantrieben, in Gebrauchsgegenständen, sogar in mikroskopisch kleinen Geräten.

      Wissenschaftler hatten aufgrund der Fremdartigkeit des Minerals anfängliche Bedenken bezüglich dessen Verwendung geäußert. Einige warnten sogar ausdrücklich angesichts der nicht zu deutenden Strahlungswerte vor dem Gebrauch als Fusionselement. Doch nachdem keine Gesundheitsschäden am menschlichen Organismus nachgewiesen werden konnten, gingen jene kritischen Stimmen im Rausch der Begeisterung und Profitgier unter.

      Eine Gänsehaut kribbelte auf Lesters Nacken, als er daran dachte, in welchem Tempo sich die Skyrock Corporation zum einflussreichsten Megakonzern der Erdgeschichte entwickelt hatte. Der technische Fortschritt Ende der Neunziger war explodiert, wodurch die Besiedlung weiterer Planeten und Monde zur greifbaren Realität geworden war. Vor wenigen Jahren versuchte sich die Regierung sogar daran, das Klima auf der Erde zu korrigieren – mit Erfolg. Endlich hatte der Mensch dem Treibhauseffekt und den Naturkatastrophen Einhalt geboten.

      Das Klima des Mondes hingegen bekam niemand in den Griff.

      Wegen ihrer angeblich unökonomischen Nutzungstechnologien waren Solar- und Windkraftanlagen in den Hintergrund getreten. Zwar existierten weiterhin Städte, die ausschließlich auf Sonnenenergie setzten, wie New Attika, der im Jahr 2159 gegründete Stadtstaat auf dem Mars. Der Prozentsatz der »Nicht-Brymm-Consumer« auf dem Verbrauchermarkt ging jedoch gegen Null, ein Markt, der sich schnell an die leicht zu handhabende Mineralenergie gewöhnt hatte.

      Viel zu schnell … und nun kriegen wir die Quittung!

      Trotz der üppigen Kristallvorkommen zahlten die Abnehmer hohe Preise an Skyrock. Andere Energiegiganten wurden von dem Konzern geschluckt, und sogar das Kartellamt war in dessen Besitz übergegangen und arbeitete zu Gunsten des De-facto-Monopolisten. Rückendeckung bei vielen dieser »Deals« hatte die Erdregierung geleistet, die nicht nur die Hände aufhielt, sondern auch dem Druck der Skyrock-Lobbyisten unterlegen war.

      Skyrock war zum Shootingstar geworden, und viele Leute bezeichneten das Unternehmen ehrfürchtig als »Die Company«. Dennoch verlief der Bergbau auf dem Mond nicht reibungslos, da die Kriminalität in Form illegaler Kristalltransporte und Schmuggel eine Begleiterscheinung seit dem ersten Tag gewesen war. Überfordert hatte der Polizeiapparat nach acht Jahren eingestanden, die Lage nicht unter Kontrolle zu kriegen.

      Womit wir in der Gegenwart angekommen wären, verehrte Zuschauer der ›Benx’ History Lesson‹. 2203 verpflichtete die Company eine bis dato kleine aber erfolgreiche Schutzfirma für die Mineneinrichtung … die Sol Guard! Und für den ehrgeizigen Lester Benx und seine Kollegen begann vor vier Jahren die Arbeit auf dem Erdtrabanten.

      Wie auf ein Stichwort zeigten die Wand-Displays Hinweise zur Minensicherheit, in denen eine junge Frau auf die Gefahren des Arbeitsalltags hinwies. Abschließend folgte das Skyrock-Logo, welches von dem Leitspruch der Firma »In God And Brymm We Trust And Therefore Lay Our Future Into The Hands Of Skyrock« umrahmt wurde. Das Logo schwebte vor einem Wolkenhimmel, in dessen Hintergrund ein Abbild der Company-Raumstation angedeutet war.

      Die Bildschirme schwärzten sich, dann liefen wieder Werbeclips.

      Beeindruckend. Und beängstigend … wie effizient ein ganzes Imperium von dort oben aus seine Fäden zieht.

      Skyrock-Central erschien vor Lesters innerem Auge, die 1,35 Kilometer hohe und 912 Meter breite Zentralverwaltung der Minengesellschaft, die aus drei übereinander liegenden Diskus-Ebenen bestand und in einer hohen Umlaufbahn um den Mond kreiste. Auf der obersten jener Ebenen befand sich zudem der Sitz des Gründers und Chefs der Sol Guard, der gegenwärtig nicht um seinen Job zu beneiden war.

      ~4~

      *** 06:00 Uhr ***

      *** Mondorbit, Skyrock-Central, Deck 345 ***

      Nevis Korvalinski beendete das Gespräch, sprang auf und drehte Runden in seinem Büro – die Nervosität hatte ihn in der Mangel.

      Diesmal machte er sich ernsthafte Sorgen um die Zukunft seiner Firma. Gegenüber den eigenen Angestellten würde er das nicht zugeben, aber er vermochte sich auszumalen, was geschah, wenn seine Auftraggeber zu der Überzeugung kamen, dass sein Unternehmen nicht mehr für den Schutz von Kap Rosa geeignet war: Sie würden die Konsequenzen, beziehungsweise den Stecker ziehen. Dann durfte er einpacken und gehen.

      Und er wusste auch, welcher Druck in dem Zusammenhang auf seiner rechten Hand Simon Isherhill lastete, der sich in der Sol Guard-Zentrale unten auf dem Mond mit dem Skyrock-Inspektor herumschlug.

      Hoffentlich, betete Nevis, kriegt Simon diesen Fatzke in den Griff. Aber nach dem, was er eben aus dem Gespräch mit Isherhills Sekretärin herausgehört hatte, standen die Dinge schlecht. Anscheinend wollte die Company ihnen etwas anhängen. Deswegen hatten sie ihren Wachhund von der Leine gelassen, damit er beißen konnte.

      Doch Nevis weigerte sich mit anzusehen, wie seine Firma von Duquette zerfleischt wurde. Es gab Grenzen. Er war längst dabei, sich Gegenmaßnahmen und juristische Schritte zu überlegen, die den Mann davon abhalten sollten, während der Krisenzeiten ein zusätzliches Chaos zu provozieren. Natürlich alle in legalem Rahmen, denn schließlich wollte er der Company nicht weitere Gründe für eine Vertragskündigung in die Hände spielen, falls es zu einer Analyse seiner SuperMindCell-Aufzeichnungen kam. Eine Hexenjagd zeichnete sich hier ab, auf die er reagieren musste. Und er durfte sich nicht die Kontrolle über die Vorgänge nehmen lassen. Niemals.

      Der Baulärm einige Abteilungen weiter riss Nevis aus seinen Gedanken. Er seufzte und blieb stehen.

      Wie lange brauchen die, um diese gottverdammte Station auf Vordermann zu bringen?! Das geht jetzt seit Wochen so. Und morgen kann ich in das nächste Ersatzbüro umziehen. ›Nötige Renovierungen‹ … Pah!

      Sein Blick fiel durch das Ovalfenster, welches von einer Wand zur anderen reichte. Er schweifte über die Schwärze des Weltalls und dessen Milliarden Lichtpunkte. Das Sternenmeer schien heute zum Greifen nah.

      Langsam wanderte die Erde mit ihrem künstlichen Planetenring ins Sichtfeld.

      Nevis vergrößerte den Fensterausschnitt.

      Unzählige Raumschiffe umschwirrten den Ring, auf dem die Grundstücke von Politikern, Filmstars und anderen Prominenten zu erkennen waren. Dazwischen lagen Freizeitanlagen und Golfplätze, und ein paar Kilometer über dem Ring schwebte eine der vier Space-Beach-Anlagen. Geboren aus den Ideen eines Startup-Unternehmens und von cleveren Geschäftsleuten übernommen, durften sich die Gäste an den Kunstmeeren, Bilderbuchstränden und in den Luxushotels wie im Paradies