Der wunderbare Garten der Druiden. Claudia Urbanovsky. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Urbanovsky
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783738009958
Скачать книгу

       Kapitel 2.1 Ackergauchheil

      Volkstümlich: Faules Lieschen Botanisch: Anagallis arvensis L.

      Gallisch-keltisch: Sapana

      Altbretonisch: Gulaed

      Bretonisch: Gwleizh

      Botanisch wird Anagallis arvensis L. den Primulacea, den Primelgewächsen, zugeordnet. Es ist eine etwa 10cm hohe, kriechende, einjährige und ausdauernde Pflanze mit seitlich verzweigten Stängeln und stiellosen, eiförmigen Blättern, die manchmal gegenständig, manchmal quirlförmig angeordnet sind. Sie blüht in einem zarten Ziegelrot, und man trifft sie sowohl in Gärten, wo sie häufig als Unkraut behandelt wird, als auch auf Feldern und im Brachland. Die Blüten erscheinen achselständig, gestielt und bisweilen als lockere Trauben angeordnet. Der Kelch ist zum Grunde fünfteilig, die Krone radförmig oder radförmig und glockig. Die Blütezeit dauert von Juni bis Oktober. Die insgesamt 24 bekannten Arten von Anagallis sind über die ganze Erde verbreitet.

      Anagallis arvensis L. enthält Flavonoide, Saponine, Bitterstoffe, Gerbstoffe, zwei glukosidische Verbindungen, bei denen man vermutet, dass sie den Quillaia-und Polygalasäuren ähnlich sind, und eine fungitoxisch wirkende Substanz. Aus der Wurzel von Anagallis arvensis L. isoliert man Cyclamin. Die Pflanze ist giftig! Neueste Forschungen behaupten, dass Kraut und Wurzel Cucurbitacine enthalten, wie sie auch bei Bryonia dioica L. vorkommen. Ihr aktuelles Einsatzgebiet ist lediglich noch die Homöopathie. Bekannte Nebenwirkungen der Pflanze sind Vergiftungserscheinungen, u.a. starke Diurese, breiiger und wässriger Stuhl, Gastroenteritis (auch bei Hunden und Pferden nachgewiesen), Erscheinungen am zentralen Nervensystem. Die Blätter können allergische Hautreizungen hervorrufen, die Samen sind toxisch und rufen insbesondere bei Geflügel Entzündungen in den Verdauungsorganen hervor, worin solche volkstümlichen Namen wie »Roter Hühnerdarm« oder »Vogeldarm« gründen.

      Im angelsächsischen Sprachraum trägt diese kleine Pflanze den volkstümlichen Namen »The Scarlet Pimpernel«. Fast jedes Kind kennt dort noch den Abenteuerroman der Baroness Emmuszka Orczy aus dem Jahre 1905: Eine Gruppe verschworener Freunde um den jungen britischen Adeligen Sir Percy Blakeney, dessen Wappen eben jener unscheinbare Ackergauchheil ist, macht es sich zur Aufgabe, mit List und Tücke und Mantel und Degen Unschuldige vor dem sicheren Tod auf den revolutionären Guillotinen Frankreichs zu retten. Der seltsam anmutende deutsche Name und die Maske der Narretei und des blasierten Dandytums, mit der Sir Percy und seine Freunde sich im Roman der Baroneß Orczy schmücken, erklären jedoch sehr genau, in welchem ursprünglichen therapeutischen Spektrum Anagallis arvensis L. von unseren Vorfahren eingesetzt wurde: »Gauch« ist ein veralteter Ausdruck für »Narr«, und im antiken Griechenland verwendete man die Pflanze bei Geisteskrankheiten, Tobsucht und schwerer Melancholie, quasi als Psychopharmakum. »Anagalao« heißt, aus dem Altgriechischen übersetzt, »ich lache«. Auch Plinius erwähnt die Pflanze in diesem Zusammenhang.

      Später beschreibt Leonard Fuchs Ackergauchheil aber nicht als Psychopharmakum, sondern als schmerzlindernd, und gibt an, Umschläge zum Säubern von Wunden anzulegen oder um Fremdkörper wie Dornen und Splitter zu ziehen. Genauso wie die griechischen Ärzte verwendete Fuchs Anagallis arvensis L. auch bei der Behandlung bösartiger Geschwüre. Anagallis arvensis L. wird heute in der Schulmedizin wegen ihrer Giftigkeit nicht mehr eingesetzt, findet aber in der Homöopathie bei Psorias, Hautjucken und Geschwüren Verwendung und oftmals auch bei rheumatischen Erkrankungen in der Potenz D3.

      Von einer Verwendung der Pflanze, selbst in Form des gelegentlich gegen Sommersprossen gepriesenen Gesichtswassers, raten wir wegen der erheblichen Kontaktallergien, die Anagallis arvensis L. auslösen kann, genauso dringend ab wie von anderen Experimenten mit der Pflanze. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Indianerstämme Nordamerikas die dort vorkommende Variante des Ackergauchheils als Pfeilgift verwendeten. Den Druiden diente Anagallis arvensis L. genauso wie den Griechen zur Heilung von Geisteskrankheiten, aber insbesondere als Wetterpflanze, da sich die Blüte für gewöhnlich erst am Vormittag öffnet und bei Aussicht auf Regen lieber gleich geschlossen bleibt. Als »Zauberpflanze« eingenommen, gestattete Anagallis den »Blick in die Zukunft«, möglicherweise gerade durch die Vergiftungserscheinungen, die sich nicht nur auf das zentrale Nervensystem, sondern auch auf das Gehirn übertrugen.

      Wie und in welcher Dosierung die Druiden Ackergauchheil einnahmen, kann heute nicht mehr schlüssig ermittelt werden. Lediglich die Sammelvorschrift für die Pflanze ist noch bekannt: Sie mußte mit bloßen Füßen und nüchternem Magen gesammelt und sofort nach dem Pflücken – wie alle anderen Primelarten auch – unter dem Gewand verborgen werden, um ihre Heilwirkung und Zauberkraft zu bewahren. Wie alle anderen Primulacea-Gewächse auch wird Anagallis als eine besonders von den Elfen, Undinen und Najaden beschützte Pflanze angesehen, als ein Schlüssel zu verborgenen Schätzen und Geheimnissen. Diese besondere Rolle erkennt man noch sehr deutlich in den alten Volksmärchen, unter anderem in den Überlieferungen der Gebrüder Grimm.

       Kapitel 2.2 Andorn

      Volkstümlich: Gottvergessen, Mariennessel, Dorant

      Botanisch: Marrubium vulgaris L., Marrubium rafanum L.

      Gallisch-keltisch: Marrubium, Domae

      Altbretonisch: Guorthasaer

      Marrubium vulgare L., der Weiße Andorn, gehört zur Familie der Lamiaceae. Genauso wie der Beifuß, die Katzenminze und der Wermut zählt Andorn seit der Jungsteinzeit zu den Kulturbegleitern menschlicher Siedlungen.

      Das ausdauernde, schwach nach Thymian duftende Kraut wird 40 bis 60cm hoch und hat eine spindlige Wurzel mit mehrköpfigem Wurzelhals. Die Stängel sind vom Grund an ästig, mit bogig abstehenden Ästen, stumpf vierkantig und wie die Blätter lockerflaumig, in der Jugend spinnenwebartig weiß behaart. Die Laubblätter sind gestielt mit unscharf abgesetztem Stiel. Die Spreite ist am Rand ungleich gekerbt, von den oberseits vertieften, unterseits stark hervortretenden Nerven stark runzlig, anfangs dicht weißwollig, später nur locker behaart und oberseits oft kahl. Die kurz gestielten Blüten sind 5 bis 7mm lang und stehen in dichten, reichblütigen, fast kugeligen, blattachselständigen Scheinquirlen mit linealen, herabgebogenen, dicht behaarten Vorblättern. Der Kelch ist röhrig und von lockeren Sternhaaren weiß-filzig, mit 10 Zähnen, die nach dem Abfallen der Krone krallenartig zurückgekrümmt sind. Der Kelch hält durch den dicht behaarten Schlund die Nüsschen zurück und fällt mit diesen ab. Die Krone ist weiß, flaumig behaart. Die Oberlippe gerade aufgerichtet, der Mittelzipfel der Unterlippe etwa dreimal so lang wie die seitlichen.

      Die Blütezeit des Andorns erstreckt sich von Juni bis September. Die beste Erntezeit liegt wie bei so vielen Heilkräutern zwischen der Sommersonnwende und Mitte August. Die Pflanze wird während der Vollblüte abgeschnitten, gebündelt und im Schatten an der Luft getrocknet. Die derben unteren Stängelteile sollte man als Droge nicht mitverwenden. Daher werden die Blätter und Blüten nach dem Trocknen am besten abgerebelt und die zarteren oberen Stängelteile kleingeschnitten.

      Da Marrubium früher systematisch als Heilpflanze kultiviert wurde, findet man es heute verwildert auf trockenen Weiden, Schutthalden, in Magerwiesen, an Dorfwegen, auf Ödland und an Viehlagerplätzen. Es ist eine klassische »Dorfpflanze« und gedeiht am besten auf stark gedüngtem Boden. Lassen Sie sich trotzdem nicht dazu hinreißen, wildwachsenden Andorn zu ernten, denn er steht in Deutschland auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Allerdings lässt er sich ohne große Mühe im eigenen Garten ziehen und dort werden Sie auch eine weitere Besonderheit dieser Heilpflanze feststellen: das gänzliche Fehlen von Parasiten und Schädlingen. Dies ist wohl mit ihrem außergewöhnlich hohen Gehalt an Bitterstoffen zu erklären.