FEURIGE RACHE. Ralf Feldvoß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ralf Feldvoß
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738056068
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Ahnung“, kam die Antwort von Alessandro, der bereits dabei war sich den Seismographen genauer anzuschauen. „Das Ding registrierte eine Erschütterung der Stärke 6 Komma 2, aber das kann nicht sein. Dann würden wir jetzt hier nicht mehr so ruhig stehen.“

      Petra stellte sich neben den Sizilianer, der sie lediglich um einen halben Kopf überragte und betrachtete die Werte. „Da liegt doch ein Defekt vor, oder?“

      „Allem Anschein nach ja.“ Alessandro versuchte Korrekturen vorzunehmen, drehte an den verschiedenen Einstellrädern, schien aber zu verzweifeln, weil sich keine Änderungen ergaben. „Also in dieser Dunkelheit sehe ich nicht genug. Ich werde das Ding wohl reparieren müssen, irgendwas muss kaputt sein, aber dafür bräuchte ich Gerätschaften, die ich jetzt nicht dabei habe und vernünftiges Licht. Ich müsste zurück. In meinem Zelt habe ich alles, was ich brauche.“

      „In Ordnung. Dann gehe du zurück und repariere den Seismographen. Wir gehen noch etwas weiter“, entschied Petra und war schon wieder auf dem Weg zur Spitze des Trupps. Doch da wurde sie von Franz aufgehalten.

      „Das kannst du nicht machen Petra! Wir können nicht ohne dieses Gerät einfach weiter marschieren. Was ist, wenn wirklich was kommt und wir werden nicht vorgewarnt?“ Er hielt sie am Arm fest und schaute ihr direkt in die Augen.

      „Da muss ich ihm leider recht geben“, mischte sich auch Enrico mit ein. „Das wäre definitiv zu gefährlich. Alleine schon ihn ohne Begleitung zurück gehen zu lassen. Niemand sollte hier alleine gehen. Wir sollten unter diesen Umständen besser umkehren und morgen, wenn der Seismograph wieder funktionstüchtig ist, weiter gehen. Es ist sicherer.“

      Petra machte einen enttäuschten Eindruck, senkte den Kopf und dachte nach. Wie viel Zeit dadurch verloren ging. Aber wenn sie ehrlich zu sich selber war, musste sie den beiden zustimmen, so schwer es ihr auch fiel.

      „Also gut, machen wir kehrt. Ein falscher Ehrgeiz wäre wohl nicht zwingend angebracht.“ Sie lächelte gequält und ließ schweren Herzens das Team umkehren. Am morgigen Tag, so nahm sie sich fest vor, wollten sie dann gleich früh wieder in die Höhle einsteigen, in der Hoffnung, dass Alessandro bis dahin erfolgreich mit der Reparatur war.

      Gedankenverloren machte Petra sich als Letzte auf den Rückweg. Paul stand ein paar Meter vor ihr und wartete. Es war ein verlorener Tag.

       Kapitel 3

      Forschungsstation am Vesuv

      Mittwoch, 06. Oktober

      Mit frischem Mut und neuer Energie begann die Expedition am frühen Morgen aufs Neue. Den Seismographen hatte Alessandro gestern noch repariert und schien nun tadellos zu funktionieren. Wobei es aus seiner Sicht gar nichts zu reparieren gab. Er hatte keine Defekte feststellen können und dann nur die Einstellungen neu justiert und ein paar Tests gemacht.

      Diese bestanden darin, dass er den Seismographen auf den Tisch legte und ein weiteres Gerät daneben. Dieses andere Gerät sah aus wie eine Betonramme, eine große Kugel an einer Kette befestigt. Nur das bei diesem Testgerät die Kugel nicht seitlich geschleudert wurde, wie bei einem Abriss eines Hauses mit dem größeren Pendant, sondern in unterschiedlichen Stärken abwärts auf die Tischplatte schlug. Die Stärken konnten manuell eingestellt werden und simulierten ein Erdbeben. Der Seismograph zeigte keinerlei Abweichungen zu den eingestellten Stärken.

      Es war halb sieben Uhr in der Früh an diesem Mittwochmorgen und wenn man in die Gesichter der Beteiligten sah, erkannte man vielfach sehr verschlafene Blicke. Sie waren es nicht mehr gewohnt, nach der langen Pause der Arbeiten, so früh aufzustehen, viel eher war es so, dass sie sich mit Karten spielen bis spät in die Nacht vergnügten und ausschlafen konnten, aber Petra wollte versuchen die vermeintlich verlorene Zeit des gestrigen Tages wieder etwas einzuholen.

      Die Gruppe war vollständig, mit einer Ausnahme jedoch. Alessandro fehlte. Sein Zeltkumpan Emilio Traverso konnte auch nicht sagen wo er blieb. Er berichtete, dass Alessandro schon nicht mehr da war, als er, Emilio, um kurz nach fünf wach wurde.

      Petra und Franz wechselten einen schnellen Blick. In Petras Mime tat sich etwas wie Beunruhigung auf, auch wenn sie dieses Gefühl nicht hätte näher beschreiben können. Was konnte das bedeuten? Hatte es überhaupt etwas zu bedeuten, oder gab es eine einfache Erklärung dafür?

      „Emilio!“, rief sie und bedeutete ihm zu ihr zu kommen. Emilio gehörte zu denen aus der Truppe, die schon im Sommer hier waren. Emilio und Alessandro waren die einzigen beiden der Alteingesessenen, die gemeinsam ein Zelt bewohnten. Alle anderen waren so aufgeteilt, dass immer ein neues Teammitglied mit einem alten zusammengelegt war, um so den Teamgeist zu stärken. Ansonsten, so war die Befürchtung, würden sich eventuell zwei Gruppen bilden können und das wäre bei einer Expedition dieser Art gefährlich, wenn man sich nicht zu hundert Prozent auf jeden Einzelnen verlassen konnte, oder zumindest das Gefühl bestand, dass es so sein könnte.

      „Ja, Frau Dr. Maurer?“ Emilio war schon früher schwer davon zu überzeugen gewesen, dass es in Ordnung war, wenn er Petra duzte. Er blieb immer noch bei seiner Meinung, dass sie eine Respektsperson war und somit gesiezt werden müsse. Er war stets höflich und zuvorkommend. Petra hatte es irgendwann aufgegeben, ihn davon zu überzeugen sie zu duzen.

      „Emilio, du und Alessandro habt den ganzen Sommer miteinander hier verbracht. Hast du eine Idee, wo er sein könnte? Hat er einen Lieblingsplatz, wo er sich aufhalten und die Zeit vergessen haben könnte? Ist er früher schon mal einfach verschwunden?“

      Emilio überlegte kurz und verneinte dann. „Nein, ich wüsste nicht, dass er so einen Platz hat. Er redet halt nicht viel, was mir, ehrlich gesagt, auch ganz recht ist. So habe ich meine Ruhe. Verschwunden ist er früher schon, ja, aber das ist in den vergangenen Monaten jeder mal, auch ich.“

      Petra kam das trotzdem merkwürdig vor. Sie wollte gerade eine Suche veranlassen, als eine Stimme vom Eingang der Höhle her alle Köpfe dorthin umdrehen ließ.

      „Da seid ihr ja. Ich bin schon ein Stückchen vorgegangen.“ Alessandro stand dort in voller Montur und machte einen unschuldigen Blick, als wenn er kein Wässerchen trüben könnte.

      „Sag mal spinnst du!?“, entfuhr es Petra etwas lauter und schärfer, als sie es beabsichtigte. Alessandro starrte sie an, so wie alle anderen auch, als sei er ein kleiner Junge, der bei einer Dummheit erwischt worden war, die er selber nicht richtig einzuschätzen wusste. Niemand kannte sie so, dass sie so einen bösen Ton annehmen konnte. Nicht einmal Paul, der mit seiner tolpatschigen Art Petra häufiger zur Weißglut brachte und sie manchmal durchaus Grund dazu hätte.

      „Was denn? Ich wollte doch nur den Seismographen an Ort und Stelle nochmal überprüfen. Nicht das wir drinnen wieder einen Fehlalarm bekommen.“ Unschuldig schaute er Petra aus seinen ungewöhnlich hellblauen Augen direkt an.

      Die Erklärung war durchaus plausibel, das konnte niemand abstreiten, aber dennoch hat er sich damit einer Gefahr ausgesetzt, die gestern schon angesprochen wurde, als es darum ging ihn alleine ins Camp zu schicken.

      Petra schnaufte tief durch, um sich wieder zu beruhigen. „Trotzdem. Du kannst nicht einfach alleine in die Höhle gehen und schon gar nicht, ohne jemand Bescheid zu sagen.“ Verständnislos schüttelte Petra den Kopf. „Wenn wir morgen Abend wieder zurück sind, werden wir uns unter vier Augen nochmal über die Regeln des Camps und der Expedition unterhalten.“ Eine Strenge huschte über ihr Antlitz, bei der selbst ihre Eltern verwundert gewesen wären. Eine ganz andere Petra schien in diesem Moment an die Oberfläche zu kommen. Eine Petra, die seit über dreißig Jahren irgendwo in ihr geschlummert haben muss.

      Alessandro senkte beschämt den Kopf bei diesen Worten. Er war einer der Ersten, die damals für diese Aufgabe ausgesucht wurde und nun musste er sich vor dem komplett versammelten Team wie ein Schuljunge behandeln lassen, der bekannt für seine Streiche war. Das passte ihm gar nicht.

      „Gehen wir!“, rief Petra laut genug, dass auch der Letzte sie hören konnte. Der Treck setzte sich in Bewegung. Petra, Franz und Enrico marschierten vorne weg, gefolgt von Alessandro, Marie und Paul. Dahinter