FEURIGE RACHE. Ralf Feldvoß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ralf Feldvoß
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738056068
Скачать книгу
wurde, ein Schlagloch jagte das Nächste, nahm er dank der hervorragenden Federung des Vitara kaum wahr. Nur der aufwirbelnde Staub machte ihm zu schaffen, da der Wassertank der Scheibenwischanlage offensichtlich leer war. Jedenfalls kam kein Wasser heraus, als Enrico versuchte die Scheibe zu reinigen. Stattdessen verschmierten die Wischblätter den trockenen Staub nur noch mehr und die Sicht wurde eher schlechter, als besser.

      Von einem persönlichen Geschenk für Dr. Maurer nahm er Abstand, obwohl er ursprünglich daran gedacht hatte.

      Enrico nutzte die Zeit, die er nun in Neapel verbrachte, auch noch für ein paar private Besorgungen, die er bisher nicht geschafft hatte. Nicht, dass diese besonders dringlich gewesen wären, noch nicht zumindest, aber was er hatte, hatte er. Und da er auch nicht wusste, ob er, wenn die Forschungen richtig aufgenommen waren, überhaupt noch eine Gelegenheit bekommen würde, nahm er diese jetzt gerne in Anspruch.

      Nach einer guten Stunde hatte Enrico seine Besorgungen alle erledigt, die letzten Dekorationen für Dr. Maurer, als auch seine Privaten, und befand sich wieder auf dem Rückweg zur Forschungsstation. Kaum das er von der asphaltierten Hauptstraße erneut auf den sandigen Zubringerweg einbog, fiel ihm die Wischanlage wieder ein, als die erste Staubwolke von den breiten Reifen des Vitara heraufgeschleudert wurde. Er hatte sich auf dem Weg nach Neapel so sehr an die schlechte Sicht gewöhnt, dass er glatt vergaß Wasser für die Wischanlage zu besorgen.

      Im Camp angekommen packte er zunächst seine privaten Besorgungen in sein Zelt, verstaute sie ordentlich in seinem abschließbaren Spind, der farblich zu der übrigen Einrichtung passte, auch wenn die Spinde nicht aus Stahl bestanden, sondern aus bedeutend billigerem Blech, bevor er sich wieder in das große grüne Zelt der Forschungsleitung begab und die restliche Dekoration für Dr. Maurer beendete.

      Er stellte die verschieden großen Petroleumlampen, die wie alte Laternen aussahen, vier an der Zahl waren es und in unterschiedlichen Farben gehalten, eine in Orange, eine in Grün, in hellem Blau und die Letzte hatte ein zartes Rot, in einem Halbkreis vor den Geschenken auf den Tisch. Dann zündete er eine nach der anderen an, um damit für eine gewisse Atmosphäre zu sorgen.

      Danach ging er rückwärts vom Tisch weg und stellte sich an den Eingang, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, um sich sein Werk zu begutachten und den Blick zu haben, den Dr. Maurer haben würde, wenn sie das Zelt betrat.

      Zufrieden drehte er sich um und ging hinaus. Aus der Ferne hörte er ein Motorengeräusch und sah eine große Staubwolke hinter einem der kleinen Hügel aufstoben, über die der Weg führte, die immer näher kam. Enrico blickte in die Richtung aus der das Geräusch kam und sah einen weißen Transporter über den Hügel hinweg auf das Gelände des Camps zufahren, der sich vor der Silhouette des großen Vulkans hinter der Stadt immer mehr abhob. Zumindest muss der Transporter mal weiß gewesen sein, jetzt starrte er vor Dreck durch den ständig aufwirbelnden Staub, gut daran zu erkennen, dass die Windschutzscheibe mittlerweile von einem feuchten und braun schimmernden Kranz umrahmt wurde, dazwischen befand sich ein klares Loch, wo die Wischanlage ihre Dienste verrichtete und den Blick für den Fahrer freihielt. Die Federung schien nicht ganz so gut wie bei dem Vitara zu sein, denn der Transporter hüpfte und wackelte bei jedem Schlagloch, als wenn er gleich umkippen würde. Es sah irgendwie amüsant aus, wie sich der große Kastenwagen über den Weg quälte.

      Das warme Licht der süditalienischen Nachmittagssonne wurde in unregelmäßigen Abständen, mal mehr, mal weniger, von dem trotz des Staubes immer noch hellen Blech des Transportes reflektiert und blendete Enrico zuweilen, so dass er nicht umhin kam zu Blinzeln und sich dabei ärgerte, dass er seine Sonnenbrille, eine teure Ray Ban, in seinem Zelt liegen gelassen hatte, nachdem er seine Sachen verstaut hatte.

      Bei den dort Ankommenden konnte es sich nur um Dr. Maurer und ihre Begleiter handeln.

      Geduldig wartete Enrico vor dem Zelt stehend auf die Ankunft seiner neuen Chefin.

      Kapitel 1

      Italien, nahe Rom

      Montag, o4. Oktober

      Der weiße Transporter, ein VW-Bully T5 der letzten Baureihe, fuhr von der Raststätte wieder auf die Autobahn, um die letzte Etappe der rund zweitausend Kilometer langen Fahrt anzutreten. Es war eine lange Fahrt gewesen. Von Hamburg ging es quer durch Deutschland, Österreich, über den Brenner und fast durch ganz Italien. Nun standen die letzten Kilometer an, bis die Reisegruppe Neapel erreichte.

      Die Ehepaare Dr. Petra und Paul Maurer, sowie Dr. Franz und Marie Greiner waren zwar reichlich müde und abgespannt durch die lange Reise, aber doch auch aufgeregt, weil sie nun endlich in hoffentlich absehbarer Zeit an ihrem Zielort, dem Forschungscamp nahe dem Vesuv, ankommen würden.

      Sie verließen soeben den Bereich um Rom, es war später Vormittag und sie waren noch voll in ihrem sich selbst gesetzten Zeitplan. Somit würden sie, wenn nicht noch etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommen sollte, wie geplant am Nachmittag im Camp ankommen.

      Petra war am aufgeregtesten von allen. Sie hatte im Sommer bereits hier ihre Arbeit aufgenommen, wurde aber nach noch nicht einmal einem Monat von einem Kommissar aus Köln abberufen. In Absprache mit ihren Vorgesetzten ging das auch in Ordnung und die Forschungsarbeit an den Höhlen des Vesuv wurden vorerst auf Eis gelegt.

      Doch nun kehrte sie zurück. Die Erlebnisse der vergangenen Monate hatte sie, so gut es ging, verdrängt. Dabei halfen ihr sicherlich auch die Veränderungen in ihrem Privatleben. Zu den Untersuchungen in Köln im Sommer hatte sie alte Schulfreunde hinzu gebeten. So eben auch Paul Maurer, in den sie bereits zu Schulzeiten verknallt war. Und, wie sich dann im Verlaufe der Zeit in Köln heraus stellte, ihm erging es nicht anders.

      Die beiden heirateten im September. Am gleichen Tag, zur gleichen Zeit, taten es ihnen Franz und Marie Greiner gleich. Sie organisierten eine Doppelhochzeit in der Hamburger St. Michaelis Kirche und verbrachten auch die Flitterwochen gemeinsam in einem Domizil in der Schweiz.

      Petra hatte im Institut ein gutes Wort für die drei eingelegt, so dass sie nun alle am Vesuv die Forschungen durchführen würden. Franz war Geologe und Petra argumentierte, dass ein Solcher im Team fehle, aber durchaus von Nutzen sein konnte, wenn es daran ging die Ursachen der Ausbrüche des Vesuv zu ergründen. Bei Paul und Marie war es zwar ein wenig schwieriger ihre Vorgesetzten zu überzeugen, aber auch das gelang ihr.

      Das Team von Petra bekam ein fast komplett anderes Gesicht im Vergleich zum Sommer. Sie hatte damals einige ihrer Mitarbeiter ebenfalls nach Köln kommen lassen, unter anderem ihren persönlichen Assistenten. Doch leider kamen ausnahmslos alle ums Leben.

      Petra machte sich im Nachhinein einige Vorwürfe deswegen, gab sich selber die Schuld daran. Da half es auch nichts, dass von vielen Seiten versucht wurde ihr das auszureden. Tief in ihr drin verharrte dieses Gefühl der Schuld.

      „Wollen wir uns nicht mit Singen die Zeit vertreiben?“, fragte Paul in die Runde nachdem sie bereits wieder seit einer guten Stunde unterwegs waren und begann auch sogleich damit ein italienisches Lied anzustimmen, irgendetwas von Gianna Nannini, könnte aber auch von Eros Ramazzotti gewesen sein. So genau vermochte das keiner zu sagen, denn das Problem daran war, dass Paul einerseits nicht singen und andererseits auch überhaupt kein italienisch konnte. So fiel die Aussprache auch entsprechend aus und die Definition dessen, was er da von sich gab war nahezu unmöglich.

      „Oh bitte, Paul! Hör auf, das hört sich ja scheußlich an“, bat Petra in einem stark genervten Tonfall und konnte sich dennoch ein Grinsen nicht verkneifen. Doch Paul ließ sich davon nicht stören, er wurde sogar noch lauter und inbrünstiger in seiner Interpretation des Songs.

      Franz und Marie schliefen auf der Matratze, die im Laderaum lag und als provisorisches Bett für die Fahrt diente, eingerahmt von dem Gepäck ringsherum, was zusätzlich den Effekt mit sich brachte, dass die Matratze nicht verrutschen konnte. Doch aufgrund des lauten Gejaules von Paul, anders konnte man es nicht bezeichnen, von Gesang zu sprechen wäre eine Beleidigung für jeden Sänger gewesen, erwachten beide nahezu gleichzeitig.

      „Was ist denn das für ein Krach?“, fragte Franz halb verschlafen und mit einer gequält klingenden Stimme. „Mach doch