Winterkönig. N. H. Warmbold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: N. H. Warmbold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742783073
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und leidenschaftlich geküsst und anschließen so fürchterlich ausgekitzelt, dass ich vollkommen außer Atem war. Schließlich hat er … Wie genau möchtest du das wissen?“

      Jula lächelte sie offenherzig an. „Ich kann es mir ganz gut vorstellen. Weißt du, dass du mich ziemlich durcheinander bringst, wenn du so redest? Ich meine, nicht, dass du mich verlegen machst, eigentlich gefällt es mir sogar, irgendwie, nur …“

      „Ja?“

      „Die Vorstellung, dass du und er … also, das ist verdammt aufregend.“

      Sie spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen schoss. „Das war nicht meine Absicht.“

      „Weiß ich doch. Nun guck nicht so zerknirscht, Mara“, beruhigte er sie. „Das ist schließlich nichts Schlimmes, ich sagte ja, es gefällt mir. Ich wollte nur ehrlich sein und dir zeigen, wie aufregend ich dich finde! Wahrscheinlich stehe ich mit meiner Meinung nicht ganz allein da.“ Wieder ließ er lächelnd den Blick zum Horizont schweifen. „Sina meint, ich küsse zu gern die falsche Frau.“

      „Und mit ‚falsche Frau‘ meint sie vermutlich mich?“

      „In diesem Fall schon.“

      „Aber du hast mich doch gar nicht geküsst“, korrigierte sie ihn.

      „Nein, aber ich würde es sehr gern tun.“

      „Ja … ich auch.“ Sie sahen beide zum Horizont.

      „Du auch …“, wiederholte Jula. „Warum tun wir es dann nicht?“

      „Vielleicht genügt uns die Vorstellung, dass wir uns schon bald küssen werden? Vielleicht, weil die Zeitspanne bis zur Erfüllung so überaus aufregend ist?“

      „Und wie lange dauert diese Zeitspanne? Bis das Abendrot am Horizont verblasst ist oder …“ Jula schaute in den sich immer weiter verdunkelnden Himmel hinauf. „Bis ein riesiger Schwarm Eisgänse mit vor Sehnsucht heiseren Stimmen hoch über uns nordwärts zieht?“

      Erstaunt sah Mara ihn an und schlang die Arme um seinen Nacken. „Genauso lange.“

      * * *

      „Hoheit, was für eine Überraschung.“ Lorana beugte sich ein wenig vor und erlaubte Bro, sie auf die Wange zu küssen. Mitunter schätzte sie die Gesellschaft dieses grobschlächtigen, bärbeißigen großen Mannes, aber heute … kam er reichlich ungelegen.

      „Hatten wir doch so abgemacht, oder hab‘ ich da was verwechselt?“

      Er lachte, wie immer zu laut, zu dröhnend – von Zeit zu Zeit gefiel ihr das sogar, an diesem Abend bereitete es ihr Kopfschmerzen. Bro ließ sich schwungvoll in einen der Sessel in ihrem privaten Wohnraum fallen, der dabei beunruhigend knackte, und musterte sie. „Soll ich wieder gehen?“

      „Nein, nein …“ Sie schüttelte den Kopf, fuhr sich über die Stirn.

      „Sorgen? Macht die Kleine dir etwa Probleme?“

      „Das Mädchen ist harmlos, Bro, ein bisschen … Nein, ich ärgere mich, weil ich die ganzen Unterlagen habe wegschaffen lassen, was völlig …“ Sie erhob sich abrupt, ging ein paar Schritte im Zimmer umher; sie brauchte die Bewegung, wenigstens ein kleines Ventil. „Und jetzt muss der ganze Kram wieder zurück, da unten können die Papiere unmöglich bleiben!“

      „Ich habe sowieso nicht verstanden, wieso ihr das halbe Archiv …“

      Und sie verstand nicht, warum sie ihm damals überhaupt davon erzählt hatte. „Eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme.“ Überzogen, viel eher eine Panikreaktion, wie ihr heute klar war. „Wussten wir denn, wen du da anschleppst? Sie hätte ja wirklich gefährlich … Du gibst einer völlig Fremden nicht freiwillig ein solches Wissen preis!“

      „Das sind nur Papiere, Lorana“, brummte Bro verächtlich, „alte Geschichten … Ihr mit Euren ewigen Aufzeichnungen. Genau wie Reik. Der lässt auch über jeden Mist Berichte verfassen. Die hinterher aber kaum jemand lesen darf. Wozu der ganze Aufwand, frag ich dich, nur um die Leute zu beschäftigen …“

      „Du schreibst nicht gern“, bemerkte sie.

      „Nicht gut, wolltest du sagen“, er grinste breit, griff nach ihrer Hand und zog Lorana zu sich auf seinen Schoß. „Ich bin ein Mann der Tat, nicht des Wortes.“

      „Anders als dein Neffe, wo wir schon von ihm reden?“

      „Aber nein! Reik ist sogar sehr … tatkräftig. Sehr ‚rege‘, wie du es ausdrücken würdest, mit tausend Dingen gleichzeitig beschäftigt.“

      Lorana lachte unwillig auf und hielt seine Hand fest, die er unter ihren Rock geschoben hatte. „Aber an der Sache mit Turams ach so hübscher, junger Frau, ist doch wohl nichts dran?“

      Bro ließ sich weder beirren, noch von ihr aufhalten, und schob seine Hand höher. „Das war nicht er.“

      Lorana gab nach, konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. „Musst du gerade jetzt von ihm reden?“

      „Ich muss gar nicht reden.“ Wieder lachte Bro dröhnend, doch dieses Mal störte es sie nicht. Vielmehr erfreute sie sich an dem Gedanken, mit dem Bruder des Königs das Bett zu teilen. Auch wenn der ein grober und wenig feinfühliger Liebhaber war … Sie verbot sich jeden weiteren Gedanken.

      * * *

      Natürlich blieb es nicht bei einem Kuss, doch irgendwann wurde es empfindlich kühl auf dem Turm.

      Jula lud Mara zum Essen in ein Gasthaus am Marktplatz ein. Das Essen dort war sehr teuer, jedenfalls erschienen ihr vier Silberstücke, kleine Münzen, für zwei Mahlzeiten recht viel, aber dafür schmeckte es auch hervorragend, ebenso wie der Wein.

      Sie war ein bisschen betrunken, was Jula ziemlich lustig fand und ihn zu der Bemerkung veranlasste, jetzt müsse wohl er mit ihr Tanzen gehen, damit sie wieder nüchtern werde. Sofort stimmte Mara begeistert zu, sie wollte unbedingt mit ihm tanzen. Und Jula kannte auch genau den richtigen Ort dafür.

      Überhaupt schien er sich in der Stadt bestens auszukennen, kannte die unterschiedlichsten Leute und die Leute kannten ihn, darunter nicht wenige gutaussehende Frauen. Mara fühlte sich in seiner Gegenwart überaus wohl. Die ganze Zeit über redeten sie – manchmal, aber nur, wenn niemand zuschaute, küssten sie sich auch –, und sie hatte das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen, so vertraut waren sie sich.

      Es war bereits spät, als sie die Taverne verließen. Der Mond stand hoch am Himmel. Die Straßen waren menschenleer. Jula hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt. „Bist du sehr müde?“

      „Nein, nur meine Füße. Warum sagt Sina, du küsst zu gern die falsche Frau?“, fragte Mara interessiert nach.

      Julas Stimme klang gepresst, als er ihr antwortete. „Weil es stimmt und ich mich dadurch schon häufig in Schwierigkeiten gebracht habe. Vor … vor etlichen Jahren habe ich auf einem Fest mit einem Mädchen getanzt. Na ja, nicht nur einmal. Sie war fast zwei Jahre älter als ich und ich über beide Ohren verliebt in sie. Wie das so geht, irgendwann an dem Abend haben wir uns geküsst, recht heftig sogar. Das Dumme war nur, dass sie einige Tage später heiraten wollte, und zwar den Sohn eines reichen und einflussreichen Mannes aus unserem Dorf. Nach diesem Abend natürlich nicht mehr. Es gab scheußlichen Ärger. Mein Vater hat mich fürchterlich verprügelt und im Keller eingesperrt. Das Mädchen wurde letztendlich doch verheiratet, und mein Vater musste sich bei ihrer Familie und bei der des Bräutigams in aller Form für das Benehmen seines missratenen Sohnes entschuldigen.“

      „Und dann?“, fragte sie ängstlich.

      „Als mein Vater mich aus dem Keller heraus ließ, bin ich abgehauen. Früher oder später wäre ich sowieso gegangen, eher früher. Ich hatte ständig Ärger mit meinem Vater und meinen älteren Brüdern. Zudem fand ich die Aussicht, Schmied zu werden, nicht sonderlich reizvoll. Mein Vater ist Schmied und zwei meiner Brüder sind es ebenfalls.“

      Aufmerksam sah sie Jula an.