Winterkönig. N. H. Warmbold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: N. H. Warmbold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742783073
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fremden Sprache und schaute neugierig den Leuten beim Handeln zu. Sie genoss das schöne Wetter und das Gefühl, genau am richtigen Platz zu sein.

      Sina aber schien beunruhigt, die Tempelwächterin sah sich ständig um.

      „Suchst du etwas?“, wollte Mara wissen.

      „Nein, eigentlich nicht, ich … Hast du Hunger, Süße?“

      „Nein, du?“

      Unvermittelt grinste Sina, sehr breit. „Meine liebe, süße Mara, was hältst du von einer Überraschung?“

      „Kommt darauf an“, gab sie keck zurück.

      „Gute Antwort!“ sagte Sina und lachte. „Dann sieh doch einmal dort hinüber, neben dem Stand mit den Süßigkeiten.“

      Mara sah hin, drückte Sina achtlos die neuen Schuhe in die Hände und rannte los.

      „Jula!“ Stürmisch fiel sie ihm um den Hals.

      Jula schloss sie in seine Arme, die Umarmung schien nicht enden zu wollen. Und dann sahen sie sich lange Zeit einfach nur an. Mara war sprachlos vor Glück, fing vor Freude fast an zu weinen. „Oh, Jula, ich freue mich so dich zu sehen!“

      „Und ich erst! Wahrscheinlich bin ich der glücklichste Mensch in ganz Mandura, oder nein, auf der ganzen Welt“, erklärte Jula und fügte nach einem langen Blick hinzu: „Es scheint dir gut zu gehen, Mara.“

      Hingerissen schaute Mara ihm in die Augen, überwältigt vom Klang seiner Stimme, der Art, wie er ihren Namen aussprach. Schließlich lachte sie glücklich. „Ja, dir offenbar auch, ich … Oh, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, am liebsten würde ich dir alles gleichzeitig erzählen, ich …“ Sie verstummte, sah ihn nur an und strahlte. Mara wandte sich nach Milla und Sina um, ohne Jula auch nur einen Augenblick loszulassen. „Sie sind verschwunden?“ fragte sie verwundert.

      „Ja.“ bestätigte Jula, „Wir haben den ganzen Nachmittag und Abend für uns. Natürlich nur, wenn du das willst.“

      „Und ob ich will, was für eine Frage!“

      „Eine naheliegende, Mara. Bis vor wenigen Augenblicken wusste ich überhaupt nicht, was du …“, begann Jula stockend, unterbrach sich aber gleich wieder. „Komm, ich kenne einen Platz, wo wir ungestört miteinander reden können, und vielleicht habe ich mich bis dahin auch wieder erholt.“

      „Erholt wovon?“

      „Von deiner stürmischen Begrüßung.“ Er lachte.

      „Verstehe … Aber wohin gehen wir?“ Jula hatte Maras Neugier geweckt.

      „Richtung Westtor. Dort gibt es für die Wachmänner einen Turm an der Mauer. Man hat von da oben eine hübsche Aussicht.“

      „Und zufälligerweise kennst du die Männer auf dem Turm?“

      Jula grinste. „Du sagst es.“

      Während sie durch das Gassengewirr zum Westtor gingen, schaute sie Jula immer wieder von der Seite an. Es kam Mara völlig natürlich und richtig vor, dass sie so glücklich war. Irgendwann griff sie nach seiner Hand. Er lächelte überrascht, sagte aber nichts, drückte nur ihre Hand.

      Der Turm, Teil des Westtores, erschien Mara recht hoch, zwölf, vielleicht fünfzehn Schritt. Jula sprach kurz mit den Männern, die auf der Mauer Wachdienst hatten.

      Oben bot sich ihnen ein herrlicher Blick über das weite Land, die Ebenen südlich des Nesbra, die waldreichen, sanften Hügel nördlich des Flusses. Ein gutes Stück oberhalb des Tors erhob sich der Tempelberg, Mara konnte sogar die Fenster ihrer Zimmer im Gebäude der Priesterinnen erkennen. Unterhalb erstreckten sich der Hafenbezirk, die Stadt und die Festung.

      In der Sonne, durch die Brüstung vor dem Wind geschützt, war es angenehm warm. Mara zog die Jacke aus, blickte Jula an. „Wieso musstest du dich von meiner Begrüßung erholen? Hast du nicht damit gerechnet, dass ich mich freuen würde?“

      „Doch. Nur habe ich nicht erwartet, wie sehr du dich freuen würdest, mich zu sehen … Ich war mir nicht sicher, was du für mich empfindest, Mara, und ob du mich überhaupt vermisst hast.“

      „Und jetzt bist du dir sicher?“

      Lachend legte Jula ihr den Arm um die Schultern. „Immerhin habe ich einen vielversprechenden Hinweis erhalten.“

      „Ich mag dich, Jula“, gestand ihm Mara, „sehr sogar, und nicht nur manchmal .... Und was das Vermissen betrifft: Es ist so viel passiert auf der Reise von Dalgena nach Kirjat und dann hierher. So vieles, über das ich nachzudenken hatte, und dann all das Neue: die Stadt und der Tempel ... ich komme ja gar nicht dazu, jemanden zu vermissen. Erst als ich dich gesehen habe, wurde mir klar, wie sehr ich dich vermisst habe.“

      „Ich verstehe. Sina erwähnte schon, du seist fürchterlich beschäftigt.“

      „Ich bin zwar wirklich sehr beschäftigt, aber von ‚fürchterlich‘ kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Ich finde es wundervoll.“ Mara lachte. „Und was das Beste ist: Ich habe Unterricht im Schwertkampf, und Malin sagt, wenn ich weiterhin solche Fortschritte mache, dürfe ich zu den Übungsstunden der Tempelwächterinnen kommen. Ist das nicht großartig?“

      „Das ist es. Und es ist großartig, wie begeistert du bist und wie glücklich du dich anhörst.“

      „Das bin ich auch. Es fühlt sich so richtig an, auch jetzt hier mit dir zusammen zu sein. Weißt du, ich habe das Gefühl, dir alles sagen zu können und von dir verstanden zu werden. Und ich möchte über alles mit dir reden, auch über das, was weh tut. Bei dir fühle ich mich geborgen, weil ich dir ganz und gar vertrauen kann ... Jula?“, fragte sie vorsichtig.

      Mit verschleiertem Blick sah er sie an, setzte mehrmals zum Reden an, bevor er sie schließlich in seine Arme zog. „Oh Mara, das ist … Etwas Schöneres hat mir noch nie jemand gesagt, ich … Himmel, Mara, ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich deinem Vertrauen auch würdig bin und …“

      „Verzeih, wenn ich dich erschreckt habe.“

      „Aber nein, ich bin nur etwas … überrascht. Weißt du eigentlich, dass das eine Liebeserklärung war?“

      „Meinst du?“, fragte Mara und setzte sich. Jula machte es sich neben ihr bequem. „Ich kann mich nicht erinnern, von Liebe geredet zu haben“, stellte sie klar.

      „Nun, es war eben eine ganz besondere Liebeserklärung.“

      „Und damit kennst Du dich wahrscheinlich besser aus als ich.“

      „Schon möglich“, stimmte er zu.

      „Erzähl mir lieber, was passiert ist, nachdem ihr vor Dalgena den direkten Weg nach Samala Elis genommen habt. Aber vergiss die Frauen nicht, ich bin sehr neugierig. Vielleicht kann ich noch etwas lernen.“

      „Dass du neugierig bist, glaube ich dir aufs Wort. Aber was glaubst du von mir lernen zu können?“

      „Ich weiß nicht genau, ich bin ja ziemlich unerfahren. Erzähl einfach.“

      „Also schön“ begann Jula. „bis an den Nesbra, wo wir mit Fähren nach Samala Elis übersetzten, verlief die Reise recht ereignislos, um nicht zu sagen langweilig. Fast die ganze Zeit hat es geregnet, was aber zu der Jahreszeit normal ist. Es gibt auf den Ebenen keine größeren Siedlungen. Die einzige interessante Frau, von der ich berichten könnte, ist die aus meinen Träumen. Und die kennst du genau.“

      „Du hast von mir geträumt?“, fragte Mara forschend nach.

      Er räusperte sich verlegen. „Also ... meistens ist gar nichts passiert, im Traum, ich habe dich einfach nur vor mir gesehen. Manchmal träumte ich, wie wir zusammen in dem See schwimmen ... das war sehr schön, aufregend. Manchmal hast du in meinen Armen gelegen und geweint, und ich habe versucht, dich zu trösten ... dann haben wir uns geküsst …“

      „Und?“

      „Tja, leider bin ich ausgerechnet