Lisanne. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847619697
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Mason. Einer der besten Autoren unserer Zeit.“

      Sie schob der Kuh einen unerreichbaren Krümel Maissilage hin. Freeda verputzte ihn und ließ ihre Zungenspitze in die Nasenlöcher fahren.

       „Ich soll dir also was mitbringen? Schreib mir eine Liste.“

      Logan hob den Kopf und schaute, als hätte sie ihn beleidigt. „Ich brauche Reis, Mehl, Räucherlachs, Zucker, Rasierschaum, ...“

       „Schreib es auf, okay?“ Lisanne erhob sich und klopfte sich das Stroh aus den Kleidern. „Du hast ja selbst bemerkt, wie es um meine Aufmerksamkeit und mein Gedächtnis steht.“

       Sie lief in ihr Zimmer, flocht sich die Haare zu einem Zopf, schlüpfte in einen blumigen Sommerrock und ein weißes Shirt und freute sich auf Jill und das Antiquariat. Logan war ein komischer Kauz, ziemlich unfreundlich und schwer einzuschätzen. Das lag entweder daran, dass Lisanne mit lebendigen Männern nichts anfangen konnte, oder daran, dass er so emotionsresistent war, wie Breda gesagt hatte. Sie warf einen Blick in ihre Geldbörse, nur für den Fall, dass es in dem Buchladen einen Mason gab, den sie noch nicht kannte. Dann wählte sie Tante Maggies Nummer, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Als sie zurück in die Küche kam, wartete Logan bereits in der Tür. Stallluft strömte unaufhaltsam ins Haus hinein.

      „Oh, gut, gibst du mir die Einkaufsliste?“

      „Ja, hier ist sie: Reis, Mehl, Räucherlachs, Zucker, Rasierschaum, ...“

      Lisanne ließ die Schultern sinken. Er trieb sie bereits in den Wahnsinn. Ohne etwas zu erwidern, legte sie einen Kugelschreiber und einen Zettel auf den Küchentisch, bevor sie in ihre Sandalen schlüpfte. Logan ignorierte das Schreibzeug.

      „Bitte, es ist gleich elf. Jill wird schnell ungeduldig, wenn man sich verspätet. Schreib deinen Kram auf.“

       „Es würde sicher nicht schaden, wenn du dein Gedächtnis mal trainieren würdest. Also: Reis, Mehl, Räucherlachs, Zu...“

       „Schreib es auf!

      Seine Hand zitterte. Der Typ machte sie wütend.

      „Verdammt noch mal, Logan, wo ist das Problem?“

      „Ich kann nicht schreiben“, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. „Wenn du es dir notieren willst, wiederhole ich es noch mal.“

      Autsch! Ganz langsam erhob sie sich aus der Hocke, in der sie die Sandalen zugeschnallt hatte, und schaute ihn an.

      „Was? Du ... Du kannst nicht ...? Ist das dein Ernst? Ich meine, ich ... Es gibt ...“

       „Also, bringst du mir nun die Einkäufe mit, oder nicht?“

       „Natürlich. Es ... Es tut mir leid, Logan. Ich hatte keine Ahnung, dass du ...“ Sie fühlte sich hundeelend. Das war noch schlimmer als die Szene im Bad. „Ich meine, ich ... Weißt du, ich studiere Lehramt in London. Englisch und Literatur. Wenn du ... Ich könnte dir helfen, Logan. Legasthenie ist heutzutage keine ...“

       „Darauf komme ich sicher nicht zurück.“

       „Lesen und Schreiben sind ...“

       „Lesen kann ich“, sagte er mit fester Stimme. „Das Schreiben macht Probleme.“

       „Gut, wie du meinst.“ Sie strich ihren Rock glatt und griff nach dem Kugelschreiber. Arroganter Idiot!, wollte sie sagen. Stattdessen blieb sie höflich, wie es sich gehörte. „Mein Angebot steht. Ich werde mit niemandem darüber reden, wenn es dir unangenehm ist. Also, was soll ich dir mitbringen?“

      Es war warm, die Sonne strahlte. Lisanne hatte den Korb auf ihren Gepäckträger geschnallt und fuhr mit dem Rad durch die Felder Richtung Ortschaft. Little Bree Isle war ein Achthundertseelendorf. Wildflowers Hill – der Hof ihres Vaters – lag abgeschieden auf einem kleinen Hügel. Das Cottage, das Haus der Belforces und das der Davis’ waren die einzigen Nachbarn, die sie in der näheren Umgebung hatten.

      Am Wegrand blühten wilder Ginster und Heidekraut. Lisannes Blick schweifte zum Horizont hinüber, wo die Hügelgräber zu sehen waren. Bruchsteinmauern und Hecken trennten die Weideflächen vom Sumpf. Das alles war nicht mit London zu vergleichen.

      Während der Fahrtwind ihre Wangen streifte, fragte sie sich, wieso ein gestandener Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht gelernt hatte, zu schreiben. Die Tatsache allein reichte aus, um sich in ihrer Berufung, Lehrerin zu werden, neu bestärkt zu fühlen. Legasthenie gehörte ausgerottet. Auch wenn Logan – wie seinesgleichen – ätzend war.

      „Heyho!“ Jill lehnte an der Backsteinmauer von Bryces Laden und winkte. „Du bist bloß eine Minute zu spät. Prima!“

      „Ja, ich finde, das verdient ein großes Lob. Hallo, Jill.“ Sie stieg vom Rad ab und schob es über das Kopfsteinpflaster zum Fahrradständer. Im Ort herrschte reger Betrieb. Eine Touristengruppe inspizierte die schmalen Gassen und Lädchen. „Gehen wir direkt zum Antiquariat? Ich muss später ein paar Dinge für Logan besorgen.“

      „Logan?“ Jill machte große Augen. „Was ist das? Eine Wildflowers Hill’sche Spezialität?“ „Sehr witzig!“

      „Nein, im Ernst. Das interessiert mich. Das ist der erste Name eines Mannes, den du erwähnst, der nicht mit dir verwandt ist, aus einem Buch oder deiner Sandkastenzeit stammt. Hey, ist das etwa der, mit dem ich heute Morgen telefoniert habe?“

       „Genau der. Im Übrigen erwähne ich ständig irgendwelche Männernamen.“

       „Sagte ich doch. Die aus deinen Büchern von ... Luke ... Luke Mason.“ Jill rollte die Augen. „Wie heißen die gleich? George, Riley, Casper, Darian, Pierce – bei dem hatte ich übrigens zuerst an Brosnan gedacht, wie dumm von mir! – Roderick, Sal, ...“

       „Halt die Klappe, Jill. Du solltest die Bücher selbst lesen, dann würdest du verstehen, dass seine Figuren die wahren Helden sind! Im Übrigen bin ich erstaunt, dass du dir all diese Namen gemerkt hast.“

       „Wenn man sie so oft hört, dass man schon Ohrenbluten davon bekommt ...“

       Lisanne stieß ihrer Freundin in die Seite, um sie zum Aufbruch zu animieren.

      „Na, komm schon. Wo ist dieser tolle Laden?“

      „Ich geh ganz bestimmt nicht mit rein. Wollte ihn dir nur zeigen, damit das klar ist. Und jetzt klär mich auf: Wer ist Logan?“

       Sie liefen durch die Straßen von Little Bree Isle. Der Ort bestand aus vier Gassen und der Hauptstraße. Es gab eine Kirche, eine Schule, einen Dorfteich, einen Bäcker, sogar einen Arzt und das Reisebüro, in dem Jill arbeitete. Einen Blumenladen und seit Neuestem das Antiquariat. Für alles andere war Bryce der richtige Ansprechpartner. Es gab kaum etwas, das es in seinem Laden nicht gab. Binnen weniger Tage bestellte er alles, was das Herz seiner Kundschaft begehrte. Im Hafen gab es die „Touristenmeile“, wie die Einheimischen sie nannten. Souvenirläden, Cafés, Restaurants, ...

      „Huhu!“, rief Jill. „Wer ist die geheimnisvolle Stimme aus dem Telefon?“

      Lisanne ließ ihren Blick über das Kopfsteinpflaster huschen. Es machte den Anschein, als wäre es vor langer Zeit wie wilde Pilze aus der Erde geschossen. Dass es dermaßen ausgetreten war, war den Touristen zu verdanken. Zu jener Zeit, von Mai bis September, pflegten sie, Little Bree zu überrennen.

      „Logan ist der Arbeiter meines Vaters“, erklärte sie. „Ein verschrobener, arroganter Typ, der sich im Cottage eingenistet hat. Optisch auf jeden Fall mit Masons Helden zu vergleichen. Charakterlich eine ziemlich aussichtslose Angelegenheit, eiskalt und ohne irgendein Gefühl. Ach, hab ich dir schon erzählt, dass meine Eltern nach Wales zu Tante Maggie gefahren sind? Ist das nicht mies? Sie hätten mich ins Auto zwingen müssen.“

       „Du meine Güte! Das heißt, du bist jetzt ganz allein mit ihm?“ Jill schmunzelte verschwörerisch. „Meine süße, naive Lisanne mit einem nach Schweiß und Kuhmist stinkenden Mann ... Das wäre eine Geschichte für diesen Mason! Zeigst du mir Logan mal? Ich kenne mich mit aussichtslosen Charakteren bestens aus.“

      „Du