Lisanne. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847619697
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kleine Miss. Hättest du genauso viel Interesse an Männern wie an Büchern, wäre Logan dir längst aufgefallen. Er arbeitet seit gut einem Jahr für Sean und wohnt drüben im Cottage. Er war es auch, den du heute Abend im Stall gehört hast.“

       Ganz langsam begriff sie. Sollte es ihr Angst machen, dass sie von all dem nichts mitbekommen hatte?

      „Ich fürchte, er hat mich vorhin fast zu Tode erschreckt. Wir sind uns im Bad begegnet. Er kam aus der Dusche und ich wollte rein ... Muss ja ein komischer Kauz sein, dass er freiwillig in der verfallenen Bruchbude haust. Ich hatte absolut keine Ahnung, dass Dad jemanden eingestellt hat.“

       „Oh, ich bin sicher, sie haben es dir schon öfter erzählt. Wahrscheinlich hast du nur wieder gelesen und es nicht mitbekommen. Ihr seid euch also im Bad begegnet? Vielleicht gebe ich dir doch einen kleinen Tipp: Falls du ihn interessant finden solltest – wovon ich nicht ausgehe, es sei denn, es geschieht ein Wunder – er ist nichts für dich. Hör zu, kleine Miss. Logan ist der emotionsresistenteste Mensch, der mir je begegnet ist. Was er allerdings aus der Bruchbude gemacht hat, schaust du dir am besten selbst an, wenn du ihm die Suppe rüberbringst. Und jetzt auf Wiederhören. Ich bin sehr müde, Liebes.“ „Vielen Dank, Breda. Mach dir keine Sorgen. Die einzigen Männer, für die ich mich interessiere, sind die Protagonisten in Luke Masons Romanen. Das sind die wahren Helden. So welche gibt es im richtigen Leben leider nicht. Gute Nacht!“

      Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen, sich den Kochtopf zwischen Arm und Taille geklemmt, war über den Hof und den kleinen Feldweg hinuntergelaufen, bis zu der windschiefen, grünen Holztür des Cottages, vor der sie stehenblieb und überlegte, was sie sagen sollte. Für einen Moment schloss sie die Augen, erinnerte sich an Logans seltsamen Blick, mit dem er sie im Bad gemustert hatte und hoffte, dass er sie nicht noch einmal in solche Verlegenheit brachte.

      Ein milder Wind kam auf, blies ihr die Haare ins Gesicht. Sie waren noch feucht und wellten sich in den Spitzen. Ein riesiger, orange leuchtender Vollmond ging über den Pappeln am Waldrand auf, tauchte den Wald in ein schwarzes Kleid und zog Lisanne in den Bann der Abendstimmung. Für einen Moment verharrte sie, lauschte dem fernen Quaken der Frösche und hätte darüber hinweg beinahe die Suppe vergessen.

      „Die Tür ist offen“, zerschnitt eine Stimme von drinnen die Stille. Der Bann war gebrochen. Sie drehte am Türknauf und trat, von leisem Knarren begleitet, ein.

      Logan schaute sich nicht mal um, als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Er hing kopfüber unter dem Wasserboiler in der Spüle und schraubte an den Rohren herum. Ob er Lisanne durch das Fenster vor dem Haus hatte stehen sehen? Sie nutzte den Moment und sah sich um. Breda hatte recht gehabt, das Cottage war keineswegs schäbig und verfallen. Aus Kindertagen wusste sie, dass es aus zwei Räumen bestand: Einer Wohnküche und einem Schlafraum mit einer kleinen Waschnische. Sie war ewig nicht mehr dort gewesen. Shannon und sie hatten immer gespielt, dass es im Cottage spukte.

      Die Wohnküche war nicht wiederzuerkennen. Es musste Logan gewesen sein, der sie in einem hellen Gelb gestrichen, Blumen auf die Holzfensterbänke gestellt und die uralten Bodenkacheln neu poliert und verfugt hatte. Im Herd brannte ein Torffeuer, welches die Luft mit seinem rauchigen Atem anreicherte.

      „Hallo“, sagte sie, als sein Schweigen ihr zu blöd wurde. „Ich wollte nicht stören. Breda bat mich, Ihnen etwas von der Suppe rüberzubringen.“

       Sie stellte den Topf auf dem Tisch ab und räusperte sich verlegen. Er hob seinen Kopf aus der Spüle, wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab und drehte sich zu ihr um.

      „Ich ... ähm ... Meine Eltern sind nach Wales gefahren“, stammelte sie und hielt ihren ausgestreckten Daumen über die Schulter, als befände Wales sich direkt hinter der grünen Tür. „Meine Tante Maggie wird fünfzig. Danke, dass Sie ... sich solange um die ... Kühe kümmern.“

      „Suppe?“, fragte er, und nahm zwei Teller aus dem Schrank.

      „Oh, nein, danke. Ich esse zu Hause. Beim Lesen, meine ich. Ich möchte mein Buch weiter... Schönen Abend noch.“

       Sie stolperte aus der Tür, lehnte sich von außen dagegen und atmete die kühle Abendluft ein. Aus irgend einem Grund hatte sie es keine Minute länger im Cottage ausgehalten.

      Kapitel zwei

      Sie saß auf dem verwitterten Holzbrett der Eichenbaumschaukel. Den einen Fuß angewinkelt, mit dem anderen wiegte sie sich sanft hin und her. Hoch über ihrem Kopf rauschte das Laub im Geäst des Baumes. Die Luft nahe des Ufers schien zu stehen, schwer und feucht. Das Boot lag am Steg, die Ruder steckten im Schilf. George hatte das Haus früh verlassen. Wie so oft. Er hatte nie vorgehabt, in den Krieg zu ziehen, das wusste sie. Nun sollte er unter Braxton Bragg dienen, jenem launischen, jähzornigen General, dem die Perryvilleschlacht einige Wochen zuvor nichts als Tote und Verwundete eingebracht hatte. Das Quaken der Frösche verstärkte die Melancholie in Lisannes Herzen. Würde sie George verlieren?

      Ein dumpfes Vibrieren ließ sie aufschauen. Ein kühler Luftzug strich ihren Rücken. Sie hatte Logan gar nicht bemerkt. Ebenso war ihr entgangen, dass ihr Kaffee kalt geworden war und das Buch in den letzten Kapiteln lag. Sie seufzte leise, schaute verträumt in die irlandgrünen Augen. Aus dem Stall hörte sie das Brummen der Melkmaschine. Er hatte den Suppentopf zurück gebracht und schaute sie an, als würde er auf etwas warten.

      „Guten Morgen“, sagte sie freundlich. „Danke für den Topf.“

      Logan strich sich die braunen Haare aus der Stirn. Er roch nach Torf und Kühen. Plötzlich zog er einen Zwanzigpfundschein aus seiner dreckigen Jeanstasche und legte ihn auf den Küchentisch, gleich neben den Kochtopf.

      „Das Rückgeld kannst du mir mit den anderen Sachen vor die Tür stellen.“

      Er drehte sich um und wollte gehen.

      „Was? Moment mal ... Was soll ich mit dem Geld?“

       Er blieb in der Tür stehen, ohne Lisanne anzuschauen.

      „Das habe ich doch gesagt. Hörst du denn nicht zu, wenn man mit dir redet?“

       Sie klappte das Buch zu, legte es zur Seite.

      „Sorry, ich war ganz in die Handlung vertieft. Irgendwie passiert mir das ziemlich oft ... Würdest du es wiederholen, bitte?“ Wieso sollte sie ihn länger siezen, wenn er es auch nicht für nötig hielt, ihr jene Höflichkeit zu erweisen?

      Er stieß sich von der Tür ab, stieg in die Stiefel und verschwand wortlos im Stall.

      Was für ein schräger Vogel! Lisanne murrte, schlüpfte in die Schuhe ihrer Ma, die in der Waschküche standen, und folgte ihm. Er war längst im gefliesten, inneren Bereich des Melkstandes angekommen, als Lisanne den Kuhstall betrat. Die Schwarzbunten widerkauten ihr Frühstück und dösten vor sich hin. Lisanne streckte die Hand aus und streichelte Freeda über die weiße Blesse.

      „Wofür ist das Geld?“, fragte sie.

      Mit geschickten Bewegungen legte Logan die Geschirre an, woraufhin die Milch durch die Leitungen bis in die Michkammer strömte. Lisanne bemerkte, wie geschmeidig seine Hände waren.

      „Es ist nicht gesund, diesen Schund zu verkonsumieren“, antwortete er, ohne auf ihre Frage zu reagieren.

      „Was meinst du damit?“

      „Ich habe das Telefonat angenommen, dich gefragt, ob du mit einer Frau namens Jill reden willst. Du hast nicht mal reagiert. Dann hat sie gesagt, dass sie dich um elf bei Bryce treffen will. Und weil du runter nach Little Bree fährst, kannst du mir ein paar Dinge mitbringen. Dafür ist das Geld.“

       „Jill hat angerufen? Wann denn?“

      „Vor zehn Minuten.“

       Sie ging vor Freeda in die Hocke. Das konnte nicht wahr sein. Sie hatte nichts von einem Anruf mitbekommen.

      „Lesen ist ungesund. Das Haus könnte in der Zwischenzeit abbrennen. Verstehst du, was ich damit sagen will?“

      „Das