Wenn Licht die Nacht durchdringt. Sandra Andrea Huber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Andrea Huber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847678014
Скачать книгу
sondern JETZT. Je länger du brauchst, um sie zu finden, desto mehr deiner Körperteile werde ich durchlöchern. Mal sehen, wie lange es dauert, bis du aussiehst, wie Schweizer Käse. Noch irgendwelche Fragen?“

      „Nein“, keuchte der Mann, während er sich bemühte, seine Hand nicht zu bewegen. „Ich bringe sie hierher. Wir finden sie.“

      „Wen?“

      „Beide.“

      Merkas nickte zufrieden, drückte das spitze Silber abermals tiefer, ehe er es mit einem Ruck herauszog. „Fein. Und jetzt mach, dass du verschwindest.“

      Sein Handgelenk umklammert stolperte der Mann rücklings aus dem Zimmer, wobei er eine feine Blutspur auf dem Boden hinterließ.

      Er trat zurück hinter seinen Schreibtisch, zog ein Tuch aus einer Schublade und säuberte die blutige Klinge. Er tat es immer noch, als das Silber längst seinen roten Schimmer verloren hatte. Die Geste beruhigte ihn auf stimulierend Art und Weise. Für diesen kurzweiligen Moment zumindest.

      * * *

      Nachdem er eine Weile mit dem Silber in der Hand dagesessen und es schließlich seinen Bann verloren hatte, verließ er das Zimmer.

      Auf den Fluren begegneten ihm nur vereinzelt Angestellte, Mädchen, Kunden, Mädchen zusammen mit Kunden. Er hielt sich nicht lange mit ihnen auf, lief schnellen Schrittes an ihnen vorüber, ohne ihnen seine Aufmerksamkeit zu schenken.

      Er nahm die Marmortreppe in den ersten Stock und erreichte schließlich sein angesteuertes Ziel. Kurz verweilte er vor der Tür, dann drückte er die Klinke und trat in das Zimmer.

      Niemand, zumindest niemand, dessen Herz schlug, befand sich im Inneren. Nur er und das blonde Biest.

      Er trat näher an das Sofa heran, auf das einer seiner Männer Céstines leblosen Körper gelegt hatte. Das Blut drängte nicht mehr aus den Wunden hervor, war eingedickt und hatte sich klumpig festgesetzt. Die Haut war weiß, leicht gräulich gefärbt. Auch wenn das Blut immer noch einen leichten Hauch von Kupfergeruch verströmte, konnte es den zwischenzeitlich ausströmenden Verwesungsgeruch nicht überdecken.

      Er stand, den Kopf leicht seitlich geneigt da und betrachtete sie. In seiner Brust zuckte es. So, als ob ein Nerv unwillkürlich und eigenständig beben würde, wie es manchmal der Fall war, wenn man unter Stress stand oder übermüdet war.

      Er stützte sich mit einer Hand auf der Außenlehne, und einer auf der Rücklehne ab und beugte sich über Céstines Oberkörper. Sein Blick glitt über ihr regloses Gesicht, ihre Lippen, deren sattes Rot einem graubläulichen Ton gewichen war, inmitten der fahlen Haut jedoch immer noch hervorstach. Mit den Fingern fuhr er die große Schnittwunde, die sich in ihrem üppigen Dekolleté verlief, nach. Ihre Haut war kalt. Kalt und hart. Nichts mehr übrig von der weichen Geschmeidigkeit, der lebendigen, warmen Frucht und Verlockung von einst.

      „Das hast du nun davon, weil du nicht weißt, wann es besser ist, sich rauszuhalten, du Miststück“, flüsterte er abschätzig und leicht heiser über ihr. „Das menschliche Spielzeug deines Angebeteten hat dir den Garaus gemacht.“ Er beugte sich noch dichter an sie heran, seine Augen flogen über ihr Gesicht, ihre Lippen, ließen Erinnerungen aufkommen …

      Ruckartig richtete er sich auf und besah sich seine Finger, die wie von allein über Céstines Wange gestrichen hatten, mit einem Blick, als wären sie etwas Widerliches. „Schwach, das ist alles, was mir dazu einfällt“, presste er zwischen den Zähnen hervor, ehe er sich aufrichtete und großen Schrittes aus dem Zimmer eilte.

      „Hey, du!“, rief er dem Erstbesten zu, den er zu Gesicht bekam. „Sie fängt an zu stinken. Sorg dafür, dass sie verräumt wird. Hier soll man schließlich noch einen Steifen bekommen ohne den Gestank von Tod inhalieren zu müssen.“

      VIER

chapter5Image1.png

      „Du weißt, was du zu tun hast?“

      „Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, Marah“, entgegnete Jonathan mit einem Hauch Ärger in der Stimme. Schlimm genug, dass sie ihn in diese Sache hineinzog, obwohl sie genau wusste, dass er nichts mit solchen Angelegenheiten zu tun haben wollte, nein, sie tat auch schon wieder so, als wäre er ein kompletter Vollidiot. „Wie oft sind wir unseren Plan nun schon durchgegangen? Bestimmt an die hundert Mal. Also, ich weiß ganz genau, was ich zu tun habe. Sag lieber, wie es bei dir aussieht?“

      „Mein Part ist nicht weltbewegend schwer“, gab sie stöhnend zurück. „Sobald ihr da seid, trete ich aufs Pedal und weg sind wir.“

      „Lass den Motor laufen. Das letzte, was wir brauchen können, ist, dass die Kiste nicht anspringt und man uns noch am Parkplatz in die Mangel nimmt. Ich habe absolut keinen Bedarf in einer Gefängniszelle zu landen und dort zu versauern.“ Er kniff die Augen zusammen. „Allerdings dürfte dir das recht egal sein … in Anbetracht dessen, dass du diejenige bist, die mich hergeschleift hat.“

      „Könntest du vielleicht endlich mal damit aufhören, dich wie ein totaler Arsch zu benehmen? Ich weiß, dass du nicht hier sein willst – allerdings bist du genau das. Du bist ein großer Junge, der fähig ist, Entscheidungen zu treffen und du hast dich dazu entschieden, hier zu sein und mir zu helfen. Also spar dir dein Selbstmitleid und deine anklagenden Worte und konzentrier dich lieber auf das, was wir vorhaben!“

      „Charmant, wirklich Marah. Falls du dich fragst, warum du Single bist: genau aus diesem Grund“, sagte er zynisch, öffnete die Beifahrertür des Vans und sprang nach draußen. „Und nebenbei, ich bin derjenige, der sich in einen weißen Krankenhausfummel zwängen musste, um unbemerkt das Krankenhaus zu stürmen und jemanden zu kidnappen – nicht du.“

      „Ich dachte, ich sei Single, weil ich eine Hexe bin?“, gab sie schnippisch zurück.

      Jonathan überging ihre Spitze. „Ich sage es noch mal: Lass den Motor laufen. In spätestens fünfzehn Minuten bin ich zurück – mit unserer lädierten Ware.“

      Marah gab ein abschätziges Geräusch von sich. „Du musst keine Rekordzeit abliefern, Jo. Sorg lieber dafür, dass du sie heil aus ihrem Zimmer bringst, ohne dass jemand Verdacht schöpft und dich auffliegen lässt. Außerdem …“, sie hielt mit einem besorgten Stirnrunzeln inne, „könnte der ein oder andere Sensat da sein, falls sie das Krankenhaus nicht allein aufgesucht hat. Sollte das der Fall sein und einer von ihnen fasst dich ins Auge, musst du eventuell improvisieren. Kriegst du das hin?“

      Er presste die Zähne aufeinander. „Wie du schon gesagt hast, ich bin ein großer Junge und kann auf mich aufpassen.“

      Mit einem kräftigen Schubser schlug er die Tür zu und stampfte Richtung Eingang. Ja, verdammt, er konnte auf sich aufpassen. Zumindest das bekam er wunderbar hin.

      * * *

      Jonathan durchquerte die Eingangshalle und sah sich so beiläufig wie möglich die Ausschilderungen für die einzelnen Stationen an. Immerhin sollte er sich gemäß seiner Aufmachung auskennen und nicht fehl am Platz wirken. Ohne Frage würde es wesentlich schneller gehen, wenn er einfach an der Anmeldung nach der Frau fragen konnte, doch das war zu riskant. Wenn wirklich ein Sensat in der Nähe war, würde er sich damit verraten. Und später, wenn man schließlich feststellte, dass eine Patientin verschwunden war, würde man alle verdächtigen Personen der letzten Stunde prüfen. Gewiss könnte sich die Frau an der Anmeldung an sein Gesicht erinnern und schon gäbe es eine Porträtzeichnung von ihm, die zur Fahndung aushing. Nein, er musste sie allein finden.

      Marah vermutete, dass man die Frau in der Unfallchirurgie untergebracht hatte. Laut Aushang befand sich die entsprechende Station im fünften Stock.

      Er nahm also einen der geräumigen Personenaufzüge und verfolgte leicht nervös das Aufblinken der Fahrstuhlknöpfe. In der dritten Etage stiegen einige Besucher und eine Schwester oder Pflegerin ein, die ihm ein kurzes Lächeln zuwarf. Er erwiderte es, den Gedanken,