Wenn Licht die Nacht durchdringt. Sandra Andrea Huber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Andrea Huber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847678014
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Augen geweitet und seltsam transparent, als wäre sie nur zur Hälfte an diesem Ort. Ohne den Blick zu senken, erkannte er, dass ihr Körper, der in einem aufreizenden Hauch roten Nichts steckte, über und über mit feinen Schnittwunden übersäht war.

      Sie stand vor ihm, war verletzt, zitterte und ihr Blick, wie sie ihn ansah. Er glaubte nicht, dass er diesen Moment, diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht je wieder vergessen würde. Noch während er das dachte, zerriss etwas in seinem Inneren - noch mehr, als bereits geschehen. Er fühlte, wie es zerbarst und es ihn schmerzhaft danach verlangte, sich zusammenzukrümmen.

      „Nikolaj!“ Merkas Stimme drang widerhallend, die im Hintergrund laufende Musik übertönend, an seine Ohren.

      Hastig sah er über seine Schulter. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, dann waren seine Gedanken klar. So klar, dass er wusste, was zu tun war.

      Er öffnete ein Portal, sah Gwen ein letztes Mal in die Augen, ehe er sie rücklings durch das Portal stieß und nur noch er, der Schmerz in seinem Inneren und Merkas Rufe zurückblieben.

      Als Gwen verschwunden war, drehte er sich langsam in die Richtung um, aus der Merkas und seine Männer kamen. Sein Blick durchbohrte den älteren Sensaten voller Hass, obwohl er gleichzeitig durch ihn hindurchsah, weil er nichts richtig sah, außer Gwens Gesicht, das sich auf seine Netzhaut gebrannt hatte.

      „Ja, du hast sie hierhergebracht. Und nun bist du auch noch derjenige, der sie wieder fortgebracht hat“, spie Merkas mit bohrendem Unterton aus, während er ein Stück weit vor ihm haltmachte. „Hier“, er tat eine ausladende Geste mit den Armen, „befindest du dich auf meinem Territorium. Sie hat sich auf meinem Territorium befunden. Wann und ob sie wieder von hier fortgeht, liegt bei mir. Einzig bei mir. Daran hättest du denken sollen, bevor du sie in unsere Welt bringst und von der Leine lässt. Oder wolltest du sogar, dass ich sie finde? Du kannst wohl kaum behaupten, du hättest nicht damit gerechnet, dass jemand von uns sie findet, wenn du sie auf unserem Grund und Boden aussetzt, wie ein kleines Hündchen?“

      Nikolaj stand schwer atmend, die Hände zu Fäusten geballt, da und sah Merkas an. Sein ganzer Körper bebte, vor Schmerz, Zorn, Entsetzen und Hass. „Was hast du mit ihr gemacht?“, würgte er hervor.

      Merkas antwortete nicht. Stattdessen musterte er seinen Mantel und fragte mit zuckenden Mundwinkeln: „Warum bist du so dreckig? Hat sie dich überwältigt? Oder gar K.O. geschlagen?“ Er kostete seine eigenen Worte aus, ehe er fortfuhr. „Was auch immer, wie auch immer. Hol – sie – zurück. Auf der Stelle. Ich war noch nicht fertig mit ihr, aber leider hat eine uns beiden bekannte Blondine mal wieder dazwischengefunkt.“

      Ein Muskel an Nikolajs Auge begann zu zucken. Er konnte es nicht unterdrücken. Abermals wiederholte er seine Frage, langsam, mit Nachdruck, so klar und deutlich ihm möglich. „Was – hast – du – mit – ihr – gemacht?“

      Merkas starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an, ehe er sich an einen seiner Männer wandte und ihn anblaffte: „Los, geh nach oben und hol mir Céstine her. Ich will wissen, was sie mit der Kleinen gemacht hat. Immerhin sah sie trotz ihres aufreizenden Outfits nicht wie das blühende Leben aus, so viel ich erkennen konnte.“

      Gerade, als der Mann den Fuß auf der ersten Stufe hatte, ließ Merkas seine Hand nach vorne schnellen und umfasste seinen Arm. „Und ich hoffe für dich, dass Céstine mir überzeugend klarmacht, warum du die Kleine ihr überlassen hast. Ich hatte dir gesagt, dass du sie direkt zu mir bringen sollst – was du aber nicht hast. Deinetwegen haben wir nun diesen Schlamassel.“

      Der Mann biss die Zähne zusammen, nickte und lief nach oben.

      Kopfschüttelnd und bitter grinsend sah Merkas ihm nach. „Dass dieses Weibsbild sich ständig in Sachen einmischen muss, die sie nichts angehen“, sprach er zu niemand bestimmtem. „Ich sollte wirklich mal ein Machtwort sprechen, das sie versteht und ihr dauerhaft im Gedächtnis bleibt.“

      Céstine? Sie war bei Gwen gewesen? Ihretwegen hatte sie ausgesehen, wie sie ausgesehen hatte? Nikolaj verlangte danach, die Blondine eigenhändig an den Haaren über den Boden zu schleifen. Er war naiv gewesen, zu glauben, dass sie ihre Finger von Gwen lassen oder sich aus seinen Angelegenheiten heraushalten würde - genauso wenig wie Merkas. Alle standen dicht hinter seinem Rücken, bereit, um hervorzuschnellen und all das zu verschlingen, was ihm gehörte, ihm etwas bedeutete. Weil sie dachten, er wäre ihnen etwas schuldig, hätte kein Recht auf ein Leben, wie er es wollte, weil er einer von ihnen war. Aber er war ja tatsächlich einer von ihnen. Genauso gefährlich und todbringend wie sie. Genauso schlecht für einen Menschen - für Gwen -wie jeder von ihnen.

      Er wollte Céstine jeden Knochen brechen, ihr Schmerz zufügen. So lange er dadurch nur für ein paar Sekunden seinen eigenen nicht mehr fühlen musste. Er wollte, dass sie litt. Sie hatte es verdient. Jeder, der hier zugegen war, verdiente den Schmerz - ihn eingeschlossen.

      „Bist du jetzt überrascht?“, fragte Merkas mit hochgezogenen Brauen. „Dachtest wohl, ich hätte dein Herz auspeitschen oder aufschlitzen lassen, hm? Nun, ich hatte ehrlich gesagt anderes mit ihr vor. Ich glaube, Schmerzen hast du ihr schon genug zugefügt. So, wie sie drauf war.“ Er grinste boshaft. „Ich hatte mehr daran gedacht, sie mit ein paar netten Kunden zusammenzubringen, sodass sie sich auch mal amüsieren kann. Oder vielleicht hätte ich mein Vorrecht genutzt und sie als erster …“, schmunzelnd verschluckte er die letzten Worte. „Sag ehrlich, mit dir hat sie sich doch nicht wirklich amüsiert, oder? Wenn, dann hast höchstens du dich amüsiert. So, wie du es immer getan hast.“

      In Nikolaj kochte es heiß, in jedem Zentimeter seines Körpers. Fünf Sekunden, dann quoll das Feuer aus allen Poren hervor.

      Ehe einer von Merkas Männern oder er selbst reagieren konnte, machte er einen hastigen Schritt nach vorne, holte aus und verpasste ihm einen Haken ins Gesicht. Es knackte verdächtig, so, als ob etwas splittern würde. Doch es war ihm egal, ob er ihm Wangenknochen, Kieferknochen oder sonst etwas gebrochen hatte oder brechen würde. Er wollte einfach, dass Merkas den Mund hielt, dass all die Stimmen in ihm verstummten, dass er etwas von seiner Wut und Pein loswerden konnte.

      Ehe er ein zweites Mal treffen konnte, schnellten zwei der Männer auf ihn zu, packten ihn unter den Armen und zogen ihn nach hinten, weg von ihrem Boss. Er schlug wild um sich, versuchte die Männer ebenfalls im Gesicht zu erwischen, schabte mit den Fingernägeln über die Hautpartien, die er erwischte und gab dabei knurrende Geräusche von sich.

      Merkas hielt sich keuchend den Kiefer und presste schmerzverzehrt hervor: „Du elender Bastard!“ Mit einem bösen Funkeln in den Augen kam er auf ihn zu, hauchte seinen warmen Atem in sein Gesicht, ehe er ausholte und ihm einen kräftigen Schlag in den Magen verpasste, der ihn in die Knie gehen ließ. Die Männer zogen ihn nach oben, sodass er wieder Auge in Auge mit Merkas stand, ehe der ihm einen zweiten Schlag in die Mitte verpasste, der alle Luft aus seinen Lungen und die Galle nach oben trieb.

      Diesmal zogen ihn die Männer nicht wieder in die Höhe, doch ließen sie auch nicht von ihm ab. Nachdem er wieder ausreichend Luft hatte, um zu sprechen, presste er angewidert hervor: „Du bist doch der Drecksack! Der Drecksack, der glaubt, jeder müsse nach seiner Nase tanzen!“ Er spukte ihm vor die Füße.

      Merkas setzte zu einer zischenden Erwiderung an, doch eine drängende, wie zögernde Stimme unterbrach ihn.

      „Boss?“

      Alle wandten den Kopf. Auch er sah auf die Treppe, in dessen Mitte der zuvor entsandte Mann verharrte. In den Armen hielt er Céstine. Sie war kalkweiß und wie Gwen von feinen Schnitten gezeichnet, das blonde Haar klebte blutig an ihrem Gesicht und die Schneide eines Messers ragte aus ihrer Brust hervor.

      Bei diesem Anblick ächzte ein Teil von ihm, weil er keine Chance mehr bekommen würde, an Céstine Rache zu nehmen. Der andere Teil reagierte mit Entsetzen und einem Schwall von Fragen angesichts der toten Sensatin.

      „Was zum …?!“, war alles, was aus Merkas Mund kam. Es war nicht klar zu deuten, was sich in ihm abspielte, welche Emotionen in ihm wallten. Es sah nach tosender Wut aus, die sich langsam, Stück für Stück, in bohrendem Hass empor steigerte. Doch da war noch etwas anderes, das nicht eindeutig