Smartphone, Sorgen und Salbei. Karin Firlus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Firlus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746793252
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dasselbe: Lachs und Garnelen sind als erstes weg, warten Sie’s ab! Dabei müsste man doch davon ausgehen können, dass diese Damen und Herren sich solche Speisen jeden Tag leisten können, wenn sie wollen, nicht?“ Er drehte sich Irene zu und sah sie verschmitzt lächelnd an.

      Sie lachte spontan, weil er genau das ausdrückte, was sie gerade gedacht hatte. Dann betrachtete sie sich ihr Gegenüber genauer. Graublaue Augen, schmale, etwas zu lang geratene Nase, ausgeprägtes Kinn, kurz geschnittene Haare, mehr grau als blond. Ein offenes Lachen. Und diese Stimme! Männlich, sinnlich, aber völlig unprätentiös. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Mann ganz offensichtlich auf eine Antwort wartete. Stattdessen lächelte sie ihn blöde an.

      „Nun ja, ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wie sich Carolas Gäste normalerweise verhalten, denn ich verkehre nicht in ihren Kreisen.“ Sie sagte es mit bedauerndem Unterton und dachte: ‚Shit! Gleich bin ich ihn los‘.

      „Grämen Sie sich nicht deswegen. Ich glaube nicht, dass Sie viel versäumen, diese Leute sind normalerweise doch eher langweilig.“ Er verbeugte sich leicht. „Mich selbst natürlich ausgenommen!“ Er begleitete seine Aussage mit einem unwiderstehlichen Lächeln.

      Irene prustete fröhlich los. „Wieso glaube ich Ihnen das nicht? Schließlich scheinen Sie ‚diese Leute‘ recht gut einschätzen zu können.“

      Er nickte. “Das stimmt! Ich arbeite für einige von ihnen.“ Dann nahm er sie beim Arm. „Kommen Sie, wenn wir uns nicht dazu gesellen, bekommen wir nur noch die Gürkchen und Tomaten der Verzierung ab.“

      Er bugsierte sie geschickt mitten in das Büfettgetümmel und schob sie in Richtung Tisch. „Schnappen Sie sich einen Teller und attackieren Sie als Erstes den herrlichen Lachs neben der Platte mit dem gegrillten Gemüse. Ich ergattere uns die letzten Garnelen.“

      Amüsiert tat Irene wie geheißen und schnitt zwei großzügig bemessene Scheiben des hellrosa Fisches ab.

      Sie fanden zwei Biedermeierstühle, die nebeneinander an der Wand standen und ließen sich darauf nieder. Das Transferieren von Lachs und Garnele auf den Teller des jeweils anderen erforderte einiges Geschick, so ohne Tisch als feste Unterlage, aber sie schafften es ohne Missgeschick.

      Irene ließ das zarte rosa Fleisch zwischen Zunge und Gaumen vergehen und stöhnte wohlig. „Das ist wirklich ein Genuss!“

      „Mhm“, nuschelte der Mann an ihrer Seite. Dann schluckte er, erhob sich mitsamt seinem Teller und sagte: „Entschuldigen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.“ Er streckte die rechte Hand aus. „Max Kerner.“

      Irene stand auch auf und nahm seine Hand. „Irene Hofmann.“ Sein Händedruck war kräftig, aber nicht zu fest. Als sie sich wieder setzten, sah sie unwillkürlich auf seine linke Hand, die den Teller hielt. Sie war leicht behaart und nicht allzu groß. ‚Er hat sehr schöne Hände, sie wirken vertrauenerweckend‘, schoss es ihr durch den Kopf.

      „… von Carola oder?“

      Irene sah Max bestürzt an. „Entschuldigung, ich habe nicht zugehört.“

      „Sie sind eine Freundin von Carola?“, wiederholte er seine Nachfrage.

      „Freundin ist zu viel gesagt. Carola saß im Gymnasium während der letzten drei Jahre in der Bank neben mir. Und obwohl wir aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen kommen, haben wir uns über die Jahre nicht ganz aus den Augen verloren. Das heißt zunächst schon. Carola studierte Betriebswirtschaft, ein Jahr lang auch in den USA.“

      „Dort lernte sie wohl ihren Mann kennen, soweit ich weiß.“

      „Genau. Erst als wir uns zum zwanzigjährigen Abi mit den anderen aus unseren Kursen trafen, haben wir uns wieder gesehen. Und irgendwie hat es sich so ergeben, dass wir uns seitdem alle vier Wochen mit zwei weiteren Bekannten samstagsnachmittags zum Kaffeekränzchen treffen.“

      Irene war aus der Puste. So viel redete sie normalerweise nicht am Stück. „Und Sie kennen Carolas Mann, nehme ich an?“

      Max nickte. „Er ist neuerdings mein Chef. Ich arbeite seit eineinhalb Jahren in der gleichen Bank wie er. Bisher war ich im Inlandsgeschäft tätig, aber seit einem Monat arbeite ich in der Auslandsabteilung und vertrete Alexander, wenn er im Ausland ist. Und das ist oft der Fall.“

      „Das ist bestimmt eine interessante Arbeit.“

      „Auf jeden Fall! Aber es ist auch anstrengend, ein Leben auf der Überholspur sozusagen. Man muss ständig sofort auf Trends reagieren und darf sich nicht den kleinsten Fehler leisten.“

      „Das würde mich nervös machen“, sagte Irene mit Nachdruck. „Schließlich geht es wohl nicht um Kleingeld, mit dem Sie in Ihrem Job zu tun haben.“

      Max lachte. „Sie haben es erfasst!“ Er steckte den letzten Bissen Baguette zwischen die Zähne.

      „Und heute sind Sie auf dieser Party, weil Alexander mit Ihrer Leistung zufrieden ist?“, wollte Irene wissen.

      „Das auch, aber vor allem soll ich nach dem Essen die Bekanntschaft einiger Frackträger machen, mit denen ich zukünftig geschäftlich zu tun haben werde.“

      Irene schmunzelte. Max war wohl auch nicht unbedingt den höheren Kreisen zuzuordnen. „Dann ist diese Party also eher ein Geschäftstermin für Sie, und das am Samstagabend…“

      „Oh, in unserem Metier gibt es so etwas wie Freizeit nur bedingt. Man gehört der Firma jederzeit, mit Haut und Haaren.“ Er sagte es mit einem schiefen Lächeln, das fatalistisch wirkte.

      Irene wollte etwas erwidern, als plötzlich Carolas Mann vor ihnen stand. „Max, kann ich dich dazu überreden, den Zander zusammen mit mir und Mr. McFayden von Brass Ltd. in Glasgow einzunehmen?“ Er grinste Irene an. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen Max entführen muss, aber wir haben etwas Wichtiges zu besprechen.“

      Irene nickte. „Kein Problem!“ Und dachte: ‚schade‘!

      Ihr neuer Bekannter verbeugte sich leicht vor ihr. „Es war schön, Sie kennenzulernen, Irene. Vielleicht bis bald einmal.“ Er lächelte ihr zu, dann wandte er sich um und ging Alexander nach, der bereits auf einen älteren Herrn im dunkelblauen Zweireiher zugesteuert war.

      Irene sah Max wehmütig nach und dachte: ‚sehr schade‘!

      Sonntags um elf traf sie sich mit Gabriele zum Brunch. Sie hatten sich vorgenommen, einmal im Vierteljahr sonntags nicht zu kochen, sondern sich den Luxus eines kombinierten Frühstücks und Mittagessens zu gönnen.

      Zuvor waren sie eineinhalb Stunden durch den Schlosspark in Schwetzingen spaziert, jetzt saßen sie in einem kleinen, gemütlichen Café gegenüber vom Haupteingang des Parks.

      Irene erzählte ihrer Freundin vom vorherigen Abend.

      Gabriele schmunzelte. „Mir scheint, als hast du da eine Eroberung gemacht. Und wenn ich das mal so sagen darf: Dein Besuch bei der Kosmetikerin hat sich gelohnt, und die neue Frisur ist klasse!“

      Irene bedankte sich für das schöne Kompliment, aber dann winkte sie ab. „Ach nee, lass mal. Dieser Max war wirklich ein Netter, aber ich werde wohl kaum noch einmal auf eine von Carolas Partys eingeladen, und in meinem übrigen Leben werde ich ihn nicht treffen.“

      „Wohnt er auch in Speyer?“

      Irene zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, ich weiß nicht einmal, ob er verheiratet oder liiert ist.“

      Gabriele zog die Augenbrauen hoch. „Und ihr habt nicht mal Handynummern ausgetauscht? Ich denke, ihr habt euch gut unterhalten.“

      „Schon, aber nachdem Alexander Max entführt hatte, war er nur noch in Gespräche mit irgendwelchen wichtigen Leuten vertieft. Irgendwann habe ich ihn gar nicht mehr gesehen, Alexander und einige andere auch nicht. Ich vermute, sie haben sich ins Arbeitszimmer zurückgezogen.“

      „Schade! Aber du kannst doch über Carola seine Telefonnummer rauskriegen.“

      „Und dann?“ Irene sah ihre Freundin spöttisch