Baphomets Jünger. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия: Dunkelwaldtrilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750232730
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eine Antwort abzuwarten, ging er mit zügigen Schritten voran. Schwungvoll öffnete er die schwere Eichentür. Mit einer Handbewegung lud er sie ein, hereinzukommen.

      Rudger und seine Begleiter folgten etwas befangen seiner Aufforderung. An der Schwelle zur Halle trampelten sie den Schnee von ihren Stiefeln. Durch das helle Licht im Hof noch geblendet, erkannten sie erst nach und nach die Einzelheiten des Raumes, der von einer Reihe Fackeln, die an den Wänden entlang in schmiedeeisernen Halterungen steckten, erhellt wurde.

      An der rechten Seite der Halle spendete ein großer Kamin aus kunstvoll behauenen, cremefarbenen Porphyrsteinen eine behagliche Wärme. Mehrere eiserne Becken mit glühenden Kohlen standen in der Nähe des langen Tisches, an dessen Kopfende zwei hohe Lehnsessel und an den Seiten lange, hölzerne Bänke standen. Im Hintergrund des Raumes schien eine steinerne Treppe in das Stockwerk darüber zu führen. Die rundbogigen Fenster zu beiden Seiten der Halle waren mit hölzernen Läden verschlossen. An den Wänden hingen allerlei Gerät und Waffen, zwischen denen kunstvoll bestickte Teppiche dem Raum eine gewisse Behaglichkeit gaben. Den Boden bedeckte eine dicke Schicht Binsen, versetzt mit duftenden Kräutern. Erst jetzt sahen die Ritter zwei Frauen, die direkt vor dem Kamin am wärmenden Feuer saßen und mit einer Handarbeit beschäftigt waren.

      Als sie der Männer gewahr wurde, stand die ältere der beiden auf und ging lächelnd auf sie zu. Ihr kastanienbraunes Haar wurde von einem zarten Schleier verhüllt. Doch einige vorwitzige Strähnen hatten sich darunter hervorgestohlen und umrahmten ihr hübsches, etwas rundliches Gesicht. Ihre blauen Augen blickten freundlich. Heidenreich fasste sie beinahe liebevoll am Arm, eine Geste, die gar nicht so recht zu ihm passen wollte. Innerlich musste Rudger schmunzeln.

      „Mein Weib Heda“, stellte der Hausherr die Frau vor, und die jungen Ritter verbeugten sich artig. Heda nickte ihnen wohlwollend zu. „Willkommen in unserer Halle“, sagte sie.

      „Die jungen Männer kommen aus Ywen. Rudger, der Sohn Ulrichs und seine Freunde. Die Ritter sind Templer.“ Er sah seine Frau bedeutungsvoll an.

      „Ach“, machte Heda nur, ging aber nicht weiter darauf ein.

      „Wir wollen uns ein wenig unterhalten. Über die Kirche im Allgemeinen und über die jüngsten Ereignisse.“

      Heda nickte wissend. „Dann will ich euch nicht weiter stören“, meinte sie und ging zurück zu ihrem Sessel, wo sie die Handarbeit wiederaufnahm.

      Die jüngere war auf ihrem Stuhl sitzen geblieben und schaute neugierig zu den Neuankömmlingen herüber.

      „Nes“, forderte Heidenreich sie auf. „Willst du unsere Gäste nicht begrüßen?“ Zögernd erhob sich Nes von ihrem Stuhl. Doch blieb sie stehen, ohne näher zu kommen.

      Ihr Vater runzelte leicht die Stirn. „Weise die Magd an, heißen Wein zu bringen, Tochter“, befahl er ihr, und in seiner Stimme schwang leiser Unmut mit. Die junge Frau wandte sich wortlos um und verschwand im hinteren Teil der Halle, wo vermutlich eine Tür in das angrenzende Küchengebäude führte.

      „Meine Tochter Agnes ist ein wenig rebellisch“, meinte er entschuldigend. „Doch sie ist meine älteste, und einen männlichen Erben habe ich leider noch nicht.“ Er blickte kurz zu seiner Frau, die etwas verlegen schien. Erst jetzt fiel es Rudger auf, dass Heda mit einem Kind schwanger war, das wahrscheinlich im Frühjahr zur Welt kommen würde.

      Heidenreich führte seine Gäste zur Tafel und ließ sich auf einer der Bänke nieder. Rudger und seine Freunde nahmen ihm gegenüber Platz. Nach wenigen Augenblicken erschien eine dralle Magd. Auf einem Tablett trug sie fünf Becher und einen schweren Krug, dem der wunderbare Duft gewürzten, heißen Weins entstieg. Auch Agnes kam wieder in die Halle und setzte sich wortlos auf ihren Platz, die Nadelarbeit zur Hand nehmend.

      „Was wisst ihr davon? Warum nehmt Ihr an, dass sich geflohene Templer hier in der Gegend aufhalten?“, begann Heidenreich unvermittelt. „Es ist ein bisschen weit entfernt vom Reich der Franzosen, meint Ihr nicht?“, wandte er sich direkt an Rudger. „Was sollten sie hier in dieser gottverlassenen Gegend?“

      „Nun, ganz so abwegig wäre es ja nicht“, antwortete Rudger, mit Bedacht seine nächsten Worte wählend. „Denn der Weg nach Böhmen führt ganz hier in der Nähe vorbei. Und es ist die sicherste Route, wenn man vom Rheinland kommt und über den Gebirgskamm will. Denn Ihr wisst selbst, dass Markgraf Friedrich ein Freund unseres Ordens ist und mit Sicherheit dafür sorgt, dass die geflohenen Ritter auf ihrem Weg Unterstützung erhalten.“

      „Seid Ihr auf der Flucht?“, fragte Heidenreich unverblümt.

      Rudger lächelte. „Nun, das nicht gerade, denn der Hof meines Vaters wird mir genug Schutz bieten“, meinte er. „Und meinen Freunden“, setzte er hinzu. Er bedachte seine Gefährten mit einem Blick. Sie hatten dem Gespräch bis jetzt schweigend zugehört.

      „Da wir alle drei aus dem Anhaltinischen stammen, glaubten wir, es sei das Beste, unserem Bruder in seine Heimat zu folgen“, ergriff Endres auch im Namen seiner Brüder das Wort. „Vielleicht gibt es für uns ja die Möglichkeit, im Orden der Deutschen Ritter Aufnahme zu finden. Einigen unserer Mitbrüder soll das gelungen sein.“

      „Seid Ihr sicher, dass das Euer Wunsch ist“, fragte Heidenreich augenzwinkernd und blickte die jungen Männer einen nach dem anderen eindringlich an. Sein Blick blieb an Valten hängen.

      Dieser starrte wie gebannt zu Agnes hinüber. Die junge Frau hatte seine Aufmerksamkeit voll in Beschlag genommen und die Worte der Unterhaltung gingen ungehört an ihm vorüber. Heidenreichs Tochter saß über ihre Handarbeit gebeugt, und schien von der Anwesenheit der Männer keine Notiz zu nehmen. Ihr dunkles Haar fiel ihr offen über die Schultern, lediglich von einem schmalen, silbernen Reif gehalten. Sie hielt den Blick gesenkt. Dichte schwarze Wimpern umrahmten ihre großen blauen Augen. Ihre zarten Wangen waren leicht gerötet. Agnes war ein zierliches Mädchen, doch wirkte sie nicht zerbrechlich. Irgendwie hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Hencke von Schellenberg. Rudger wusste, dass die Familien miteinander verwandt waren.

      Sie trug eine grüne Tunika, die an den Säumen mit hellem Faden reich bestickt war. Darunter blitzte ein weißes Untergewand hervor. Um die schmalen Hüften hatte sie einen ledernen Gürtel geschlungen, an dem ein Schlüsselbund befestigt war. Die fortgeschrittene Schwangerschaft hatte Heda dazu veranlasst, die Hausfrauenpflichten an ihre älteste Tochter zu übertragen.

      Die Stickerei schien Agnes’ ganze Aufmerksamkeit zu erfordern, und sie schürzte die vollen Lippen. Für Valten war sie das schönste Mädchen, was er jemals gesehen hatte, und er konnte seinen Blick nicht losreißen. Ein heftiger Tritt gegen sein Schienbein ließ ihn aus seiner Versunkenheit aufschrecken. Verärgert schaute er zu Jorge, der neben ihm saß. Sein Freund bedachte ihn mit leichtem Kopfschütteln. Rudger grinste. Doch sah er sich jetzt Agnes etwas genauer an. Ja, sie war wirklich äußerst liebreizend. In seinem Inneren bemerkte er ein leichtes Ziehen, doch dann rief er sich wieder zur Ordnung. Er war ein Ordensritter und hatte jeglichen weltlichen Dingen abgeschworen. Als ihn ein langer Blick aus ihren bemerkenswerten Augen traf, machte sein Herz allerdings einen kleinen Satz. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, dass ihn Valten stirnrunzelnd beobachtete.

      Heidenreich räusperte sich laut und seine undurchdringliche Miene ließ die jungen Männer schnell wieder aufmerksam werden.

      „Wir werden sehen, was die Zeit mit sich bringt“, sagte Rudger, an die Frage Heidenreichs anknüpfend. „Ob wir in den Deutschherrenorden eintreten oder anderswo unsere Dienste anbieten, hängt davon ab, wie sich die Dinge hier in der Mark entwickeln.“

      „Vielleicht können wir auch ganz ungestört zu unseren Familien zurückkehren“, meinte Jorge.

      „Vielleicht. Vielleicht auch nicht“, antwortete Heidenreich leicht ironisch. „Bedenkt. Meißen ist eine Suffragandiozöse1 des Magdeburger Erzbistums. Bischof Albrecht sieht sich zwar gern als reichsunmittelbaren Kirchenfürsten. Doch inzwischen haben sich die Zeiten geändert, und es sind über dreihundert Jahre ins Land gegangen, dass Kaiser Otto auf dem Meißner Burgberg einen Bischofsdom errichten ließ. Ich würde nicht allzu sehr darauf vertrauen, dass die Kirche in