Baphomets Jünger. Julia Fromme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Fromme
Издательство: Bookwire
Серия: Dunkelwaldtrilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750232730
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alle versammelten. Die erlegten Wildschweine, zwei Rehböcke und ein halbes Dutzend Hasen lagen in einiger Entfernung zum Abtransport bereit. Die Jagd hatte sich gelohnt und sowohl die Schellenberger als auch die Leute aus Ywen würden eine Weile genug zu essen haben.

      Heinrich spendierte einen kräftigen Imbiss und ein Weinschlauch machte die Runde.

      „Wie kommt es, dass Ihr immer so einen köstlichen Tropfen in Eurem Keller habt“, fragte Ulrich. „Der rote Wein, den mir hin und wieder ein Händler aus Chemnitz bringt, ist bei weitem nicht so wohlschmeckend.“

      „Ich würde eher sagen, er ist ungenießbar“, warf Arnald dazwischen. „Gut, dass unsere Mutter Bier braut, sonst müssten wir verdursten.“

      „Wie wäre es mit Wasser“, meinte Rudger bissig. Sein Bruder war schon immer den geistigen Getränken mehr zugetan, als ihm guttat. Das Wasser aus ihrem eigenen Brunnen war durchaus bekömmlich, und sie konnten es gefahrlos trinken. Nicht wie in der nahen Stadt Chemnitz, wo die öffentlichen Zisternen oft von Unrat verseucht waren.

      „Nun, wie auch immer“, konstatierte Heinrich, „Mein lieber Ulrich, ich lasse mir den Wein aus Meißen kommen. Wie Ihr wisst, haben die Markgrafen seit Jahrhunderten Erfahrung in der Winzerei. Und ihr Wein kann selbst den edelsten Tropfen vom Rhein das Wasser reichen.“

      Nach und nach entwickelten sich einzelne Gespräche. Hencke gesellte sich zu Rudger und seinen Freunden. Sie mussten ihm nochmals in allen Einzelheiten erzählen, wie ihnen die Flucht aus Mücheln nach Beyernaumburg gelungen war und wie es dazu kam, dass der Erzbischof die Belagerung aufgab. Heske, die zunächst bei ihrem Bruder geblieben war, ging alsbald hinüber zu ihrem Vater.

      „Ich glaube, Heidenreich von Lichtenwalde versteckt auf seiner Burg Templer“, sagte Hencke unvermittelt. Er erntete ein ungläubiges Staunen der Ordensritter.

      „Wie kommst du darauf?“, fragte Rudger. „Ich denke, hier in der Nähe zu Böhmen verfolgt man uns nicht.“

      „Das hättest du gern, was?“, höhnte Arnald, der zu ihnen getreten war. Rudger ignorierte ihn.

      „Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte Hencke genervt.

      Aber Arnald zuckte nur desinteressiert mit den Schultern.

      „Den ganzen Tag schon hackst du auf deinem Bruder herum“ fuhr der junge Schellenberger fort. „Ich dachte, du wärst froh, dass er mit heiler Haut aus der ganzen Verfolgungsgeschichte rausgekommen ist. Und“, wandte er sich jetzt wieder den Templern zu, „noch gibt es hier keine Hetzjagden, von denen ich weiß. Aber oben im Gebirge haben einige Klöster angekündigt, keine Templer in ihren Reihen aufnehmen zu wollen. Der Abt von Grünhain sprach sogar davon, dem Wort des Papstes zu folgen.“

      „Nun, so viele unserer geflohenen Glaubensbrüder werden nicht im Gebirge unterwegs sein“, mutmaßte Jorge.

      „Dass du dich da mal nicht irrst“, meinte Rudger, denn Henckes Erzählungen hatten ihn hellhörig werden lassen. „Immerhin zieht sich hier hinter dem Wald die Straße nach Böhmen hin. Auch unsere Bierstraße trifft auf den alten Steig über den Pass. Und vom Kloster Aue aus geht über Grünhain ein Weg direkt zum Gebirgskamm nach Böhmen hinüber. Also verdammt nah an den Abteien vorbei.“

      „Genau“, fuhr Hencke fort. „Und alle, die von der Mark Meißen nach Böhmen wollen, müssen da entlang. Und ich weiß von einigen, die unter dem Schutz des Markgrafen von Frankreich aus hier durchgekommen sind.“ Verschwörerisch blickte er die anderen an.

      „Und was hast du mit all dem zu tun, Hencke?“, fragte Rudger. „Ist dein Vater als Richter des Pleißenlandes nicht dem König Rechenschaft pflichtig?“

      „Das war bis vor kurzem so. Jetzt gibt es immer wieder Streit. Du weißt, die Meißner Markgrafen, denen das Pleißenland über ihre Mutter, der Enkelin Barbarossas, als Erbe zugefallen war, lagen mit dem kürzlich ermordeten König Albrecht in Fehde. Bereits dessen Vorgänger Adolf von Nassau hatte ihnen das Pleißenland wieder weggenommen. Sie sahen sich als Opfer einer Intrige, durch die der König das alte Reichsland erneut an sich bringen wollte.“

      „Genau“, meinte Clement eifrig. „Und als Adolf von Nassaus Nachfolger auf dem Thron das Land nicht wieder rausgerückt hat, haben die Wettiner zu den Waffen gegriffen.“

      „Sie haben doch vor knapp zwei Jahren in der Schlacht bei Lucka König Albrecht von Habsburg besiegt“, warf Endres dazwischen. „Er musste ja das ehemalige Reichsland wieder rausrücken.“

      „Leider hat der ja anschließend ins Gras gebissen. Und noch ist es nicht vom jetzigen König Heinrich bestätigt“, warf Hencke ein.

      Endres lachte kurz auf. „Ha, es muss ja auch schrecklich sein, solch einen Vater zu haben wie die beiden Wettiner Brüder. Albrecht, der Entartete, so nennen ihn die Leute in Meißen. Leider wurde sein armer Sohn Dietrich, kurz nachdem er sein Erbe wieder in den Händen hielt, von einem Verwandten des früheren Königs ermordet. Nun gehört dem Bruder, Markgraf Friedrich, alles – Thüringen, die Mark Meißen und das Pleißenland.“ Das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb.

      „Ja, manche haben halt Glück im Leben“, meinte Valten lakonisch. „Aber wenn ihr mich fragt, Albrecht von Wettin ist ein unberechenbarer Mann. Ich sage euch, es sind die Weiber, die ihn zu Grunde gerichtet haben. Und dabei nannte er eine Kaisertochter sein Weib. So ein Trottel. Das hätte mir mal passieren müssen ...“

      „Keine Angst, Valten, du kriegst mit Sicherheit keine Kaisertochter ab. Außerdem bist du ein Mönch, schon vergessen?“, hänselte ihn Jorge.

      „Ja, es ist schon schlimm gewesen, dass er am Ende seinen gesamten Besitz an irgendwen verpfändet hat, nur um sein Lotterleben finanzieren zu können“, fügte Valten hinzu, ohne auf die Neckereien seines Kameraden einzugehen.

      Das Gespräch geriet ins Stocken. Jeder schien über die verworrenen Machtverhältnisse im Reich nachzudenken. Im Mai des Jahres 1307 war es den Söhnen Markgraf Albrechts dem Entarteten zwar gelungen, ihr Erbe in der Schlacht bei Lucka zurückzugewinnen. Ihr Vater hatte sechzehn Jahre zuvor die Mark Meißen mit dem Pleißenland und die Landgrafschaft Thüringen an König Adolf von Nassau verpfändet hatte. Nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders Dietrich nannte Friedrich sich jetzt nicht nur Landgraf von Thüringen, sondern auch Markgraf zu Meißen. Er selbst sah sich in der direkten Nachfolge seines Ururgroßvaters, Kaiser Barbarossa. Sein Vater Albrecht hatte bereits vor Jahren abgedankt, nachdem ihm seine dritte Ehefrau, Elisabeth von Arnshaugk, ins Gewissen geredet hatte, dass er sich mit seinen Söhnen vertragen sollte. Albrecht war daraufhin nach Erfurt gegangen, wo er unter einem bürgerlichen Namen sein Dasein fristete.

      Doch sein Sohn Friedrich stellte jetzt für den erst kürzlich von den anderen Landesfürsten gewählten deutschen König, Heinrich von Luxemburg, ein Risiko dar. König Heinrich hatte Friedrich in seinen Besitzansprüchen noch nicht offiziell bestätigt. Und so stand die Herrschaft des Wettiners derzeit auf sehr töneren Füßen. Was diesen allerdings nicht daran hinderte, seine Rechte als Herr über Thüringen und Meißen voll auszuspielen.

      „Wenn ich es recht bedenke, ist der neue König Heinrich eher auf der Seite der Templer“, sagte Rudger unvermittelt. Die anderen schauten ihn gespannt an. „Denn durch seine Bemühungen, den früheren Glanz des Reiches, wie unter Barbarossas Zeiten, wieder zu erlangen, hat er sich in Philipp von Frankreich einen großen Feind geschaffen. Philipp bangt um die Beschränkung seiner Macht.“

      „Dabei vergisst du nur, dass Heinrich auch Kaiser werden will, gerade weil Friedrich Barbarossa sein Vorbild ist“, meinte Hencke. „Und das heißt, er muss sich mit dem Papst gutstellen. Du kannst es also drehen und wenden, wie du willst – ihr Templer habt bei keinem einen echten Rückenhalt, seid mehr oder weniger auf euch allein angewiesen.“

      „Und was ist mit dem Halberstädter Bischof?“, fragte Anselm unschuldig.

      „Albrecht von Halberstadt ist nur ein kleiner Bischof. Auch er wird letztendlich vor seinen mächtigeren Amtskollegen in Mainz und Köln einknicken. Und die wenden sich niemals gegen den Papst, nachdem es sich doch rechnet, die Templer zu verfolgen. Sie haben sich schon einige