25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen 26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. 29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. 30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein;[*] denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Lk 15,11–32 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn Vgl. „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn“. 15,12 Er teilte Hab und Gut, vgl. Anm. zu 12,13; Sir 33,19–23. 15,15 Säue, vgl. Anm. zu 8,32. 15,17 Da ging er in sich, es wird nicht berichtet, dass der verlorene Sohn Buße tat (Lk 15,7.10). 15,18 Ich habe gesündigt, vgl. Ex 10,16: Die Analogie zum Bekenntnis des Pharao lässt die Aussage des Sohnes weniger ernsthaft erscheinen. 15,20 Es jammerte ihn, vgl. Anm. zu 10,33. 15,23 Gemästetes Kalb, vgl. 1Sam 28,24; Am 6,4. 15,25 Er [hörte] Singen, anders als das verlorene Schaf und der Groschen, wird der verlorene Sohn nicht gesucht; anders als der Schafbesitzer und die Frau, musste der Vater nicht zählen. 15,29 Diente ich dir, in manchen Auslegungen wird der ältere Sohn mit den Pharisäern verglichen, auf die das negative Klischee projiziert wird, sie würden Gott lustlos und mechanisch dienen; V. 32 spricht gegen diese Interpretation. 15,30 Dieser dein Sohn, Feindschaft unter Geschwistern (Gen 4,2–8; 25,27–34; 27,1–36; 37,1–4). 15,31 Alles, was mein ist, das ist dein, vgl. V. 12. 15,32 Dieser dein Bruder, der Vater versucht, die Söhne zu versöhnen.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Die thematisch ähnlichen Gleichnisse vom verlorenen Schaf und dem verlorenen Groschen, die diesem Gleichnis unmittelbar vorangehen, zeigen, dass es hier um mehr geht als um bloße Umkehr (trotz der Feststellung in Lk 15,10), denn weder Schafe noch Münzen sind zur Umkehr fähig. Wenn man das Gleichnis in einen jüdischen Kontext stellt, verleiht man der Geschichte mehr Tiefe und verhindert einige volkstümliche (Fehl-)Interpretationen.
1) Eine Geschichte, die mit „Ein Mann hatte zwei Söhne“ beginnt, gibt angesichts der Brüderpaare Kain und Abel, Ismael und Isaak, Esau und Jakob schon gleich zu Beginn ihr Thema an. Jüdische Hörerinnen und Hörer würden sich wahrscheinlich (von Anfang an) mit dem jüngeren Sohn identifizieren. Hier aber blamiert sich der jüngere Sohn durch einen ausschweifenden Lebenswandel. So werden sich die Hörerinnen und Hörer schockiert der Möglichkeit zuwenden, sich mit dem älteren Sohn zu identifizieren und dann vielleicht auch die Qualitäten dieser älteren Söhne in der biblischen Tradition zu erkennen.2) Die Bitte des Sohnes um sein Erbe beleidigt den Vater nicht, wie oft behauptet wird, obwohl der Vater mit seiner Zustimmung riskiert, als Narr zu erscheinen (Sir 33,20–24). Hätte der Sohn seinen Vater durch die Bitte um Auszahlung seines Erbteils entehrt, hätte sein Vater ihn sofort zurechtgewiesen und ihm nicht seine Bitte gewährt.3) Obwohl viele Auslegerinnen und Ausleger den Sohn für reuevoll halten, erwähnt der Text dies nicht. Der Beweggrund des verlorenen Sohns, zu seinem Vater zurückzukehren, ist eher wirtschaftliche Hoffnungslosigkeit als theologische Erkenntnis, und in seinem eher formelhaft wirkenden Vers „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ (Lk 15,18) hallt die ähnlich verzweifelte Bitte des Pharaos nach (Ex 10,16), der einfach nur will, dass die Plagen aufhören.4) Die übliche Ansicht, dass die großzügige Reaktion des Vaters auf den Verlorenen – gleich, ob man in ihm einen liebenden Elternteil oder eine Verkörperung Gottes sieht – Jesu jüdisches Publikum erstaunt habe, ist ebenfalls falsch. In der jüdischen Tradition schreibt man Vätern gemeinhin zu, ihre Kinder zu lieben (s. Anm. zu Lk 8,42), und Gott, dem Sünder die Hand hinzustrecken, um ihn heimzuholen.5) Das übliche Verständnis des älteren Bruders als widerspenstiger Pharisäer, der „wie ein Skalve arbeitet“ und eher durch Werkgerechtigkeit belastet denn durch Gnade gerettet ist, passt weder zum Gleichnis noch zur jüdischen Tradition. Im Gegenteil: Der Ältere ist derjenige, der immer beim Vater und dessen Erbe bleibt.In Verbindung mit den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen dreht sich dieses Gleichnis darum, was wirklich zählt. Der Besitzer der Schafe erkennt das eine fehlende Schaf in einer Herde von 100, die Frau bemerkt die eine fehlende von zehn Münzen. Der Mann hat zwei Söhne, vergisst aber, sie zu zählen. Er hat genug Zeit, die Feier für den verlorenen Sohn vorzubereiten, vergisst aber, den älteren Bruder herbeizurufen. Es ist recht leicht, ein verlorenes Schaf oder einen verlorenen Groschen aufzuspüren; einem verlorenen Kind das Gefühl zu geben, geliebt zu sein, sich wichtig zu fühlen, ist unendlich schwieriger und unendlich viel wichtiger.
1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich