1 Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht nachlassen sollte, 2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. 3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam immer wieder zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, 5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte aber Gott nicht Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?
Lk 18,1–8 Das Gleichnis vom ungerechten Richter und der beharrlichen Witwe 18,1 Allezeit beten, Lukas entnimmt dem Gleichnis eine moralische Lehre (vgl. Anm. zu 8,9; Lk 15,7). Zum lukanischen Interesse am Gebet vgl. Lk 6,28; 11,1–2; 18,1–14; 22,40.46. 18,2 Fürchtete sich nicht […] scheute sich, eher negative Charakterzüge als ein Lob für seine Objektivität; vgl. Sir 35,14–26; Josephus (Ant. 10,83) beschreibt König Jojakim als „weder fromm gegen Gott, noch gütig gegen die Menschen“. 18,3 Schaffe mir recht, wörtl. „räche mich“; in der Bibel finden sich verschiedene Darstellungen von Witwen, die sie als arm, unter göttlichem Schutz und als hilfsbedürftige Mitglieder der Gemeinschaft zeichnen (z.B. Dtn 27,19), sie aber auch wohlhabend, verstohlen und tödlich auftreten lassen (z.B. Abigajil, Judit, vielleicht Jaël). Widersacher, dessen Seite wird mit keinem Wort erwähnt; die Frau ist kein Vorbild für Feindesliebe (Lk 6,35) oder außergerichtliche Einigungen (Lk 12,58). 18,5 Ins Gesicht schlage, die Terminologie stammt aus dem Boxkampf und deutet einen „Schlag ins Auge“ an. 18,7 Auserwählte, hier, Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu (Mt 24,22.24.31; Mk 13,20.22.27; Röm 8,33; Kol 3,12; Tit 1,1; 1Petr 2,9; Offb 17,14); ein qal wa-chomer-Argument (vgl. Anm. zu 13,15; wenn schon der ungerechte Richter reagiert, wie viel mehr wird dies der gerechte Richter tun!). 18,8 Kommen, um zu richten (Lk 17,22–37; Dan 7,13–14). Lukas erweitert die Auslegung des Gleichnisses: Redlichkeit sollte aufgrund der Verzögerung der göttlichen Gerechtigkeit nicht nachlassen.
9 Er sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: 10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Lk 18,9–14 Das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner Vgl. „Das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner“. 18,9 Gerecht, vgl. Lk 1,16–17; 5,32; 15,7; 23,50. 18,10