Mk 12,13–17 Steuern für den Kaiser (Mt 22,15–22; Lk 20,20–26) Wie in Mk 11,27–33 versuchen die Gegner Jesu, ihm eine politisch kompromittierende Äußerung zu entlocken. Hintergrund dieses Abschnittes könnten die Geschehnisse von 6–7 u.Z. sein, als ein prophetischer Anführer namens Judas (in Apg 5,37 erwähnt) eine Bewegung zur alleinigen Verehrung Gottes und zur Verweigerung von Steuerzahlungen ins Leben rief (Jos.Bell. 2,117–18).
18 Da traten die Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; die fragten ihn und sprachen: 19 Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (Deuteronomium 25,5–6): »Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterlässt eine Frau, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 20 Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau; der starb und hinterließ keine Kinder. 21 Und der zweite nahm sie und starb und hinterließ auch keine Kinder. Und ebenso der dritte. 22 Und alle sieben hinterließen keine Kinder. Zuletzt nach allen starb die Frau auch. 23 Nun in der Auferstehung, wenn sie auferstehen: Wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt.
24 Da sprach Jesus zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes? 25 Denn wenn sie von den Toten auferstehen, so werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel. 26 Aber von den Toten, dass sie auferstehen, habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, bei dem Dornbusch, wie Gott zu ihm sagte und sprach (Exodus 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? 27 Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr irrt sehr.
Mk 12,18–27 Das Streitgespräch mit den Sadduzäern (Mt 22,23–33; Lk 20,27–40) Im frühen Israel glaubte man, dass das Leben sich nach dem Tod in Form von Kindern und im jeweiligen Geschlecht fortsetzte (z.B. Ps 25,13). Die „Scheol“, ein Ort von schattenhafter Existenz (Ps 6,5), ist ein Totenreich ähnlich dem griechischen Hades; in 1Sam 28 nimmt Saul die Dienste eines Mediums, einer „Frau, die Tote beschwören kann“, in Anspruch, um Samuel aus dem Totenreich („dem Boden“) zu erwecken, damit er prophetisch zu ihm spreche (die Scheol wird in diesem Abschnitt nicht erwähnt, aber die schattenhafte Existenz wird deutlich). Eine Vorstellung der Auferstehung der Toten erscheint zuerst in der sog. „Jesaja-Apokalypse“ (Jes 26,19) und in Dan 12,2–3 (vgl. Weish 2–5; 2Makk 7; 4 Makk; 1Kor 15). 12,18 Sadduzäer, eine aristokratische Gruppe, die die schriftlichen Gesetze der Tora befolgte, nicht aber die pharisäischen „Überlieferungen der Ältesten“ (vgl. Anm. zu 7,3–4). Sie unterschieden sich auch darin, dass sie die Auferstehung verneinten; die Pharisäer glaubten wie die Anhänger Jesu an die Auferstehung (Apg 23,6–10) und die rabbinische Tradition folgte dem pharisäischen Glauben (bSan 90b–92b). 12,19–23 Die Absurdität des Testfalles soll die Vorstellung der Auferstehung widerlegen. 12,25 Wie die Engel, beschreibt ähnliche Glaubensüberzeugungen, wie sie auch in den jüdisch-apokalyptischen Texten dieser Epoche zu finden sind (syrBar 51,5). 12,26–27 Bei dem Dornbusch, vgl. Ex 3,1–6. Die Argumentation beruht überraschenderweise nicht auf Vorhersagen von Jesu Auferstehung, sondern auf Schriftbeweisen über die lebendige Gegenwart von Abraham, Isaak und Jakob (vgl. Anm. zu 10,40; vgl. Mt 8,11; Lk 13,28).
28 Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? 29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (Deuteronomium 6,4–5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Levitikus 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; 33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Mk 12,28–34 Das höchste Gebot (Mt 22,34–40; Lk 10,25–28) 12,29 Jesus zitiert Dtn 6,4–5 und Lev 19,18 (in Lk 10,25–28 entlockt Jesus das Zitat einem Gesetzeslehrer; die Kombination der zwei Verse findet sich nicht nur im Munde Jesu); Hillel, der mit einer ähnlichen Frage konfrontiert wurde, fasste das Gesetz mit folgendem Diktum zusammen: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht“ (bSchab 31a; vgl. Tob 4,15; Mt 7,12). Höre, hebr. schema; das Verb wurde zum Namen des Gebetes, das aus Dtn 6,4–9; 11,13–21 bestand; vgl. Num 15,37–41, es wurde der jüdischen Praxis nach zweimal täglich gebetet. 12,32–34 Schriftgelehrter, trotz des Kontextes der vorangegangen und folgenden Perikope antwortet er Jesus auf positive Art und Jesus reagiert in gleicher Weise. Matthäus und Lukas lassen diese Zeilen aus. 12,33 Basiert auf Hos 6,6; Mi 6,6–8. 12,34 Nicht fern vom Reich Gottes, wird als warmherzige Antwort