3.2.4 Evaluations- vs. Grundlagenforschung
Neben den bisher genannten Gründen, warum der Terminus Evaluation oft missverständlich verwendet wird, kommt ein weiterer hinzu: Evaluationsforschung wird nicht immer korrekt von Grundlagenforschung unterschieden. Dies liegt darin begründet, dass, obwohl die meisten Unterschiede zwischen den beiden in der Regel relativ eindeutig sind, auch ein Graubereich vorhanden ist, der eine exakte Unterscheidung in manchen Bereichen erschwert.
Keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Evaluations- und Grundlagenforschung sind, wie auch Stockmann (vgl. 2010:58) feststellt, in Hinblick auf (1) die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes sowie (2) die Verwendung von Datenerhebungs- und Analysemethoden zur Identifizierung von Wirkungen und der Bearbeitung der Kausalitätsfrage (Ursache-Wirkungszusammenhänge) zu erkennen. In beiden Bereichen können und werden sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsmethoden eingesetzt. Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes ist jedoch zu vermerken, dass im Bereich der Evaluationsforschung die Fragestellung oftmals von einem Auftraggeber bzw. einer Auftraggeberin kommt, während diese in der Grundlagenforschung in der Regel von den WissenschaftlerInnen selbst formuliert wird. In beiden Fällen ist aber auch das Gegenteil möglich. Untersucht können somit in beiden Fällen prinzipiell die gleichen Gegenstände werden.
Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Evaluations- und Grundlagenforschung gibt Balzer (vgl. 2005:17ff) einen guten Überblick, der – zusammen mit Analysen von Stockmann (vgl. 2010:57ff) – die Basis für untenstehende Tabelle bildet, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Evaluation- und Grundlagenforschung aufzeigen soll.
Evaluationsforschung | Grundlagenforschung | |
Methoden | qualitativ, quantitativ, gemischt | qualitativ, quantitativ, gemischt |
Gegenstand | theoretisch frei, in d. Praxis meist definiert | zumeist frei, kann definiert sein |
Ziele | Wissensgenerierung als Basis für Entscheidungen verwertungsorientiert Verbesserung v. Praxis | Wissensgenerierung als Basis für Theoriebildung theorieorientiert Verifizieren, Falsifizieren v. Theorien |
Zweck | zweckbestimmt | zweckfrei |
Ergebnisse | Nützlichkeit für konkretes Projekt müssen stimmen sollten handlungsrelevant sein | Generalisierbarkeit dürfen falsch sein sollten wertvoll für Wahrheitsfindung sein; Basis für weitere Forschung |
Bewertung | Vergleich Ist-Sollzustand Differenz = Grundlage für Bewertung Interpretation und Bewertung | untersucht, beschreibt, erklärt aktuellen Ist-Zustand (kein Vergleich) nur Interpretation, keine Bewertung |
Urteilskriterien | davor festgelegt nötig für Vergleich | keine |
Fragestellung | in der Regel von AuftraggeberIn festgelegt (fremdbestimmt) von Zielsetzung geleitet | in der Regel durch ForscherIn bestimmt (selbstbestimmt) von Suche nach Erkenntnisgewinn geleitet |
Erkenntnisgewinn | zum Treffen konkr. Entscheidungen | für die Gesellschaft |
Rolle | potentielle Eingebundenheit in ein System kontrollierter, fester Rahmen oft in politische Settings eingebunden nach rechtsverbindlichem Auftrag abgewickelt | dem Erkenntnisgewinn verpflichtet freier Rahmen der scientific community verpflichtet kann an Verträge gebunden sein |
Zeitrahmen | Deadline (zeitgebunden) Verspätete Ergebnisse für z.B. Entscheidungen sind nach Entscheidungstermin nicht mehr verwertbar | i.d.R zeitungebunden bei Bedarf mehr Zeit bzw. Deklarieren weiteren Forschungsbedarfs neue Erkenntnisse lassen sich nicht mit Terminkalender erzwingen |
Empfänger von Ergebnissen | Programmverantwortliche konkretes Publikum Beteiligte | andere ForscherInnen interessiertes Fachpublikum für alle Interessierten |
Veröffentlichung | zumeist keine (freie) Veröffentlichung | Publikation ist ein zentrales Anliegen |
Ergebnisnutzung | ist ein Hauptanliegen | nicht zwingend; Ergebnisse können aber nützlich sein |
Ressourcen | i.d.R AuftraggeberInnen | i.d.R. öffentlich |
Kontext | eher politisch sensibel | zumeist pol. unproblematisch |
Tab. 5: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zw. Evaluation und Grundlagenforschung
Während die Grundlagenforschung demnach überwiegend zweckfrei nach (neuen) Erkenntnissen sucht und die Frage nach ihrer Nützlichkeit in der Regel kaum gestellt wird, zeichnet sich die Evaluationsforschung gerade dadurch aus, dass sie, wenngleich sie sich auch der Methoden und Theorien der Sozialforschung bedient, nützlich sein soll und Informationen zur Verfügung stellt, auf Basis welcher Entscheidungen getroffen werden. Diese Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Nützlichkeit bezeichnet Stockmann (2010:59) als die »besondere Dualität« der Evaluationsforschung.
Die Tatsache, dass Evaluationsforschung im Gegensatz zur Grundlagenforschung praxisorientiert ist (vgl. Rindermann 2009:14) und auch der Nützlichkeitsaspekt von Evaluationen im Vordergrund steht bzw. eine enge Verknüpfung zwischen den Evaluationsergebnissen und (politischen) Entscheidungen nicht immer negiert werden kann, hat nicht selten zur Folge, dass Evaluationsforschung von grundlagen- bzw. disziplinorientierten ForscherInnen nicht immer als vollwertige Wissenschaft anerkannt wird, wie Stockmann (vgl. 2010:57) anführt. Dies geht auch mit oft konträren Anforderungen einher, mit welchen sich viele