Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Kompendium DaF/DaZ
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300793
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Merkmale auf das Unterrichten beziehungsweise Übersetzungen von Fachsprache auswirken. Wie viele und welche Fachsprachen gibt es eigentlich? Sind die einzelnen Fachsprachen einander sehr ähnlich, oder unterscheiden sie sich so deutlich, dass sich nicht so viel verallgemeinern lässt? In welchen Aspekten unterscheidet sich der Wortschatz einer Fachsprache, der sogenannte Fachjargon, vom alltäglichen Wortschatz und warum ist das so? Welche grammatikalischen und textuellen Strukturen sind für Fachtexte typisch? Und welche Konsequenzen haben diese Eigenschaften, wenn man einen fachsprachlichen Text in eine andere Sprache übersetzt oder wenn man Fachvokabular unterrichtet?

      2.1 Lexikalische Eigenschaften von Fachsprachen

      Susanne Borgwaldt & Magdalena Sieradz

      Die vorliegende Lerneinheit befasst sich mit linguistischen Charakteristika der Fachsprache beziehungsweise einzelner Fachsprachen in Bezug auf den Wortschatz. Nachdem zunächst auf die Unterschiede zwischen Fachsprache, Gemeinsprache und Gesamtsprache eingegangen wird, befassen wir uns eingehender mit dem Fachwortschatz: In welche Klassen lassen sich die Wörter eines Fachtextes einteilen? Aus welchen Wortarten besteht der Fachwortschatz und was sind charakteristische Eigenschaften eines Fachworts? Aus welchen Sprachen werden Fachbegriffe entlehnt und was sind typische Wortbildungsmuster? Und was ist beim Wortschatzunterricht in einem Fachsprachenkurs zu beachten?

      Diese Lerneinheit bildet zusammen mit den Lerneinheiten Grammatikalische Eigenschaften von Fachsprachen und Übersetzung und Dolmetschen von Fachsprache(n) eine Einführung in die linguistischen Aspekte von Fachsprachen. Kenntnisse aus dieser Lerneinheit bilden die Grundlagen für die nachfolgenden Kapitel.

      Lernziele

      In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

       den Zusammenhang zwischen Gesamt-, Gemein- und Fachsprache beschreiben können;

       lexikalische Eigenschaften des Fachvokabulars erkennen und analysieren können;

       Aspekte der Wortschatzvermittlung beim Unterrichten von Fachsprache beschreiben können.

      2.1.1 Wortschatz der Fach- und Wissenschaftssprache

      Bevor wir uns mit dem Wortschatz der Fachsprache befassen, sollten wir zunächst kurz wiederholen, was Fachsprache eigentlich ist und wie sie sich von anderen Sprachvarietäten abgrenzen lässt.

      Fachsprache kann als Teil der GesamtspracheGesamtsprache aufgefasst werden (vergleiche Hahn 1980: 395). Die Gesamtsprache besteht aus der GemeinspracheGemeinsprache (beziehungsweise Alltagssprache), der FachspracheFachsprache (das heißt, der Gesamtmenge der einzelnen Fachsprachen, zum Beispiel der Fachsprache der Musik, der juristischen Fachsprache oder der Medizinersprache) und aus weiteren Sprachvarietäten (zum Beispiel aus Dialekten, Soziolekten oder Ethnolekten).

      Nach Abstraktionsgrad beziehungsweise Kommunikationsraum können Fachsprachen in drei Ebenen eingeteilt werden (siehe auch Kapitel 1); für die Fachsprache der Heilerziehungspflege finden sich beispielsweise illustrierende Beispiele bei Nicklas-Faust & Scharringhausen (2011: 617):

       Zur TheoriespracheTheoriesprache in diesem Bereich gehört beispielsweise ein abstrakt formulierter Text wie Die Feststellung des Anspruchs auf Eingliederungshilfe erfolgt nach kriteriengeleiteter Diagnostik auf Grundlage des Klassifikationssystems ICD-10 oder ICF.

       Die fachliche Umgangssprachefachliche Umgangssprache zwischen Heilerziehungspflegern und ihren Arbeitskollegen enthält für Außenstehende schwer verständliche Abkürzungen wie Mach du den Metzler bei Frau Bloch, ich fang die Mobi bei Herrn Falkner an.

       Die VerteilerspracheVerteilersprache wird für die Kommunikation mit Laien, das heißt, den betreuten Personen oder ihren Angehörigen verwendet; sie steht in lexikalischer Hinsicht der Alltagssprache recht nahe, zum Beispiel: Hier, diese stehenden Hautfalten zeigen an, dass der Körper zu wenig Flüssigkeit hat.

      Wie sich erkennen lässt, bauen Fachsprachen auf den alltäglichen Sprachstrukturen auf, enthalten jedoch bestimmte Merkmale, die nur für sie (und nicht für die Alltagssprache oder andere Sprachvarietäten) typisch sind und die sich nach Abstraktionsgrad beziehungsweise Kommunikationssituation unterscheiden.

      2.1.2 Fachbegriffe und Termini

      Fachsprachliche Besonderheiten sind vorwiegend auf der Wortschatzebene festzustellen (siehe zum Beispiel Fraas 1998: 428). Nach Buhlman & Fearns (2000: 44) macht das Fachvokabular der betreffenden Fachsprache in Fachtexten zwischen 15 % und 50 % des Wortschatzes aus.

      Experiment

      Was fällt Ihnen am Wortschatz dieses Auszugs des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auf? Welche Wörter tauchen auch in der Gemeinsprache auf, welche nur in der Fachsprache? Gibt es Wörter, die in der Gemeinsprache eine andere Bedeutung besitzen als im Fachtext?

       § 1 Grundsatz

       Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.

       § 2 Ausbildungsstätten

       (1) Ausbildungsförderung wird geleistet für den Besuch von 1. weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt, […]

      Ein spezifischer Fachbegriff hat eine eingeschränktere Bedeutung als ein Wort in der Gemeinsprache. Beispielsweise wird im obigen Auszug des Bundesausbildungsförderungsgesetzes unter Besuch ‚die regelmäßige Teilnahme am Schulunterricht‘ verstanden, während die zeitliche Dimension von Besuch in der Alltagssprache weniger eingeschränkt ist: Ein Besuch kann fünf Minuten oder mehrere Wochen andauern, er kann tagsüber oder in der Nacht stattfinden und man kann jemanden häufiger oder auch nur ein einziges Mal besuchen.

      Ein Sonderfall von Fachbegriffen sind Termini (oder auch termini technici): Ein Terminus bezeichnet einen im jeweiligen Fach genau definierten Begriff eindeutig und besitzt damit in einer bestimmten Fachsprache eine exakte Bedeutung. Die Menge der Termini einer Fachsprache bezeichnet man als Terminologie.

      Ein Terminus aus der Fachsprache der Anatomie ist beispielsweise musculus flexor digitorum superficialis als Bezeichnung für einen bestimmten Muskel am Unterarm. Dass es sich dabei um einen Fachbegriff handelt, leuchtet wahrscheinlich intuitiv sofort ein, da musculus flexor digitorum superficialis wohl fast allen Nicht-Medizinern unbekannt ist. Es handelt sich hier also um eine Wortgruppe, die nicht im Wortschatz der Gemeinsprache existiert, da sie eine ausschließlich fachspezifische Bedeutung hat.

      Bei manchen Fachbegriffen ist das Wort beziehungsweise die Wortform auch in der Gemeinsprache vorhanden, aber die Bedeutung in der Alltagssprache unterscheidet sich von der fachsprachlichen Bedeutung des Wortes: Zum Beispiel lässt sich signifikant im alltäglichen Sprachgebrauch mit ,bedeutsam‘ oder ,wichtig‘ umschreiben, in der Statistik ist die Bedeutung von signifikant jedoch präzise festgelegt: Hier wird durch statistische Tests geprüft, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmtes Resultat zufällig zustande gekommen ist. Wird bei dem Test ein zuvor festgelegter Wert nicht überschritten, gilt das Ergebnis als signifikant, das heißt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht auf Zufall beruhend. Die Umwandlung eines alltagssprachlichen Wortes (signifikant in der Bedeutung ,wichtig‘) in einen terminus technicus einer Fachsprache mit einem exakt definierten Bedeutungsumfang (signifikant in der Bedeutung ,überzufällig‘) heißt Terminologisierung.

      In einigen Disziplinen sind Teile der Terminologie durch Regeln verbindlich