Deutlichkeit | Fachsprachen sollen Inhalte darstellen, indem sie einen möglichst adäquaten Bezug zu fachlichen Gegenständen, Prozessen und Verfahren herstellen. |
Verständlichkeit | Fachsprachen dienen der möglichst fehlerfreien und eindeutigen Vermittlung fachlicher Inhalte. Der sprachliche Aufwand, mit dem fachliche Inhalte vermittelt werden, wird fälschlicherweise häufig mit minimalem Einsatz sprachlicher Mittel bei maximaler fachlicher Darstellung gleichgesetzt. Beide Größen müssen jedoch als veränderlich gesehen werden, da sie immer in Abhängigkeit von Produzierenden und Rezipierenden fachsprachlicher Kommunikation zu betrachten sind. Was für die eine Zielgruppe verständlich ist, ist für die andere nicht mehr nachvollziehbar. |
Ökonomie | Der Bezug zu fachlichen Gegenständen und Sachverhalten soll durch die Fachsprache unmittelbar hergestellt werden. Damit ist gemeint, dass Akteure außen vor bleiben und lediglich die Sachverhalte und die sie betreffenden Bestandteile oder Abläufe benannt werden. Dies gilt besonders für naturwissenschaftlich-technische Fachsprachen, die darum häufig im Passiv formuliert sind. |
Anonymität | Die mit der Ökonomie einhergehende Anonymität ist keine Unterstützung der Darstellungsfunktion von Fachsprache, sondern beruht auf der historischen Entwicklung der Fachsprache als objektive, nicht an menschliche Erfahrung gebundene Darstellung von Welt. Fachsprachen sollen Gegenstände so darstellen, dass sie allgemeingültig wirken und von einzelnen Personen oder Orten unabhängig sind. |
Identitätsstiftung | Wie bereits erwähnt, sind Fachsprachen an Personenkreise gebunden, die mit ihnen über bestimmte Gegenstände kommunizieren. Damit stellen Fachsprachen Gruppensprachen dar, und ihre Beherrschung definiert die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft derer, die über einen Kenntnisbereich kommunizieren (vergleiche Lerneinheit 1.2). |
Tabelle 1.1:
Kriterien für Fachsprachen
Mit der identitätsstiftenden Funktion von Fachsprache wird darauf Bezug genommen, dass Menschen bestimmte sprachliche Repertoires haben und nutzen, die als eine Art Ausweis oder Zugehörigkeitsbeleg der jeweiligen Gruppe dienen. Damit wollen wir uns im nächsten Kapitel befassen.
1.3.2 Varietäten, Register und Genres von Fachsprachen
Da Fachsprachen Gruppen voneinander abgrenzen, sind sie als Subsprachen bestimmt, die sich von anderen Subsprachen mehr oder weniger stark unterscheiden. Der Begriff VarietätVarietät umfasst
ein sprachliches System, das einer bestimmten Einzelsprache untergeordnet und durch eine Zuordnung bestimmter innersprachlicher Merkmale einerseits und bestimmter außersprachlicher Merkmale andererseits gegenüber weiteren Varietäten abgegrenzt wird. (Roelcke 2010: 16)
Die außersprachlichen Merkmale können sein: geografisch-regional, sozio-demographisch, historisch und so weiter. Ein bestimmter räumlich gebundener Dialekt ist ebenso eine Varietät einer Sprache wie die Kommunikation unter Jugendlichen (Jugendsprachen) oder unter Fachleuten (Fachsprachen). Diese sozial oder räumlich definierten Gruppensprachen sind innersprachlich durch eine bestimmte Lexik, Syntax, Lautung, Schrift und Textgestaltung charakterisiert. Da Fachsprachen Gruppensprachen sind, stellt die soziale Komponente des Varietätsbegriffs eine wichtige Funktion dar: Durch den Gebrauch der Fachsprache zeigen sich Fachleute der jeweiligen Disziplin zugehörig. Wer in einer fachlichen Gruppe nicht angemessen kommunizieren kann, wird von dieser nicht akzeptiert. Dies spielt besonders im Kontext der Fremd- und Zweitsprachenforschung eine Rolle (vergleiche unter anderem die Lerneinheit 4.1 zum Thema Bildungssprache).
Sehen wir uns folgendes Beispiel an:
E-Mail-Beispiel
Der betreffende Student hat einen Ausdruck gewählt, der bei den Adressaten oder Adressatinnen der Mail – seinen Dozentinnen und Dozenten – nicht wohlwollend angekommen ist. Hier hat sich der Absender der E-Mail (abgesehen von Problemen in Satzbau und Wortschatz) im Ton vergriffen. Formen wie Wissen Sie, Ich muss für Konferenz arbeiten. Ich habe viel zu tun. haben den Anschein, der Absender nähme sich selbst ziemlich wichtig. Dieser Eindruck von Unhöflichkeit und Frechheit dürfte seitens des Schreibers nicht intendiert sein, immerhin möchte er etwas vom Adressaten – der kommunikative Zweck wird wahrscheinlich eine respektvolle Anfrage gewesen sein. Im Regelfall wird eine solche Mail wohl einfach unbeantwortet bleiben. Der Verfasser verwendet nicht die passende Varietät beziehungsweise die betreffende Varietät ist nicht Teil seines persönlichen RegistersRegister, was die Kommunikation erschwert oder gar zunichtemacht.
Der Begriff Register bezieht sich auf Varianten einer Sprache, im Unterschied zu Varietäten steht jedoch die individuelle Nutzung des Sprachgebrauchs im Vordergrund. Varietäten beziehen sich auf die Unterschiede der jeweiligen Nutzer und Nutzerinnen von Sprache (Herkunft, Alter, soziale Schicht und so weiter), Register hingegen auf die Anforderung der jeweiligen Situation, in der Sprache verwendet wird (vergleiche Hess-Lüttich 1999: 208). Eine Person verfügt über unterschiedliche sprachliche Register, die je nach Situation und Kontext gezogen werden können. Wenn jemand zum Beispiel mit einem Familienmitglied kommuniziert, wird er oder sie eine andere sprachliche Form wählen, als wenn er oder sie mit einem Vorgesetzten in Kontakt tritt. Diese Unterschiede betreffen wieder die Wortwahl, die Grammatik, den Satzbau und ähnliches. Registerkompetenz meint, dass ein Mensch seine unterschiedlichen Register zielgerichtet, adressatengerecht und zweckorientiert einsetzen kann. Damit gehen Höflichkeit, Gewandtheit und Eloquenz einher – ein Mensch, der registerkonform kommuniziert, fällt in einer Gruppe nicht negativ auf und erreicht die Ziele, die er sprachlich verfolgt, deutlich problemloser, als jemand, der nicht registersicher ist.
Bedeutsam bei der Vorstellung unterschiedlicher sprachlicher Register ist, dass diese nicht auf eine einzige Sprache beschränkt sind. Mehrsprachige Personen verfügen häufig in ihren verschiedenen Sprachen über unterschiedliche Registerkompetenzen. Eine Person, die ausschließlich in einer ihrer Fremdsprachen studiert hat, kann akademische Themen und Diskurse unter Umständen nicht in ihrer Muttersprache ausdrücken. Dafür hat dieselbe Person Schwierigkeiten, Begriffe und Kontexte des häuslichen Zusammenlebens in der Fremdsprache zu kommunizieren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Menschen ein Register nur erwerben, wenn sie darin auch sprachlich handeln. Die Person, die auf Deutsch studiert und lernt, Referate hält und Arbeiten schreibt, lernt damit auch die Registerausprägungen in dieser Sprache. Damit verbunden werden bestimmte GenresGenre und Textsorten erlernt, die für einen fachlichen oder sozialen Zusammenhang maßgeblich sind.
Genres können als spezialisierte Formen des Diskurses, die bestimmten Traditionen, Konventionen und Erwartungen entsprechen, beschrieben werden (vergleiche Vollmer 2009: 5). Zentral dabei ist, dass Genres immer in spezifische soziale Situationen eingebettet sind. Es handelt sich um sprachliche Ausprägungen, die eine spezifische, festgelegte Form haben, mit einer bestimmten Bezeichnung versehen sind und spezifische Charakteristika beinhalten, die sie strukturieren und von anderen abgrenzen. Dazu zählen zum Beispiel eine bestimmte Örtlichkeit, in der das Genre Anwendung findet, Personen, die daran beteiligt sind, oder ein spezielles Medium. Genres werden einerseits von Aspekten wie der sozialen Situation, dem Kommunikationsziel, der medialen Form und der Art der sozialen Interaktion bestimmt, andererseits gründet sich auf ihnen auch die Art, wie kommuniziert und interagiert