Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Kompendium DaF/DaZ
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300793
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Kulturen über die sie betreffenden Gegenstände aus und definieren gleichzeitig ihre Sicht auf Welt durch die Aushandlung der Gegenstände. Fächer zeichnen sich in diesem Sinne durch spezifische kulturelle Deutungsmuster aus, wie eben am Beispiel von Biologie und Philosophie verdeutlicht wurde.

      Denken wir nochmals an die wissenschaftlichen Fächer. Wissenschaft nimmt für sich in Anspruch, die Welt neutral und objektiv zu beschreiben. Der Diskurs basiert auf Strukturen und Ausdrucksweisen, die dieser Objektivität verpflichtet sind. Auf der sprachlichen Ebene wird die Objektivität und Neutralität in jedem Text wieder neu hergestellt, indem Passivkonstruktionen und Substantivierungen verwendet werden. Die Denkmuster einer Fachkultur sind in der Regel implizit und werden von einer Gemeinschaft unreflektiert verwendet, sie können aber auch zum Gegenstand der Reflexion gemacht werden.

      Im deutschen Wissenschaftsdiskurs ist der fachwissenschaftliche Text in der Regel prozesshaft und jeder Schritt wird nacheinander beschrieben. Dies beginnt mit der Problemstellung, dem Erkenntnisinteresse und der Fragestellung. Dem folgen in der Regel die Theorie und der Forschungsstand. Wenn es sich um empirische Arbeit handelt, werden dann die Methoden vorgestellt und gegebenenfalls diskutiert. Die Ergebnisse werden anschließen zuerst dargestellt und dann diskutiert. Abgeschlossen werden Arbeiten in vielen Fächern durch ein Fazit und einen Forschungsausblick, in dem Fragen besprochen werden, die im Rahmen der Ergebnisse aufgetaucht sind. Damit wird die Arbeit mehrfach im eigenen fachlichen Feld verortet: Theorie, Forschungsstand und weiterführende Fragen binden sie in das Feld ein, in dem sie entstanden ist.

      Selbstverständlich finden sich hier von Fach zu Fach Unterschiede, doch die Tendenz zur Nachzeichnung des Forschungsprozesses bleibt erhalten. Dabei sorgen einerseits die fachspezifischen Unterschiede im Konzeptualisieren der Welt für unterschiedliche Arbeits- und Forschungsmethoden. Andererseits sind kulturspezifische Präferenzen für die eine oder andere Darstellungsweise bedeutsam (vergleiche Roche 2012: 43). Zum Beispiel werden in Arbeiten, die im deutschen Wissenschaftssystem geschrieben werden, häufig auch zusätzliche Informationen gegeben, die für einen umfassenden Blick auf das Thema dienlich sind. Dies können beispielsweise Informationen zu grundlegenden methodischen Entscheidungen und Alternativen sein, die im Vorfeld des Experiments getroffen worden sind oder alternative theoretische Positionen. Ein anglo-amerikanisch geprägter Wissenschaftstext setzt diese Inhalte voraus, und bietet sie daher nicht an. Auch methodische Entscheidungen können ausgelassen werden, sofern verständlich bleibt, wie die Studie durchgeführt wurde. Der anglo-amerikanische Text wirkt damit aber aus deutscher Sicht unvollständig. Umgekehrt erscheint der deutsche Text als umständlich und lang. An diesen Beispielen sehen wir, dass sich einerseits in der Sprache die Sicht auf Wissenschaft spiegelt und andererseits Sprache und Kultur die Wissenschaft abbilden, sie strukturieren und Maßstäbe setzen. Daher sind Diskurse und die Interpretation von Genres und Textmustern nicht nur fachbezogen, sondern auch interkulturell geprägt und müssen von Lernern als solche verstanden werden: „Die Interpretation der Kategorien sagt […] mehr über den [fachkulturellen Hintergrund des] Interpreten als über den Produzenten aus“ (Roche 2012: 34).

      Lerner sollten sich, besonders im Kontext des fremdsprachlichen Fachunterrichts, darüber klar werden, dass sie Texte, Äußerungen, Abbildungen und andere Kommunikationsmittel aus der Sicht der Fachlichen und kulturellen Prägung, die sie bis dato erfahren haben, betrachten. Irritationen und Verwirrungen wie an den gezeigten Märchenbeispielen auffällig geworden, können die Folge sein. Daher müssen fachliche Varietäten, Register und Genres im Unterricht ebenso thematisiert werden wie fachsprachliche Mittel und Strukturen. Dabei besteht die Hauptaufgabe des fachsprachlichen Unterrichts in der Sensibilisierung für solche Unterschiede und Denkmuster. Die Lerner sollen zur eigenständigen Erarbeitung der betreffenden Phänomene und Besonderheiten angeleitet werden. Ziel ist es, dieses Wissen als Instrument der selbstgesteuerten Aneignung neuen fachlichen Wissens zu betrachten (vergleiche Thielmann 2010: 1056). Bedeutsam ist, dass Lerner im Umgang mit Wissen unterschiedlich sozialisiert sind und Selbständigkeit im Lernprozess interkulturell unterschiedlich bewertet wird.

      Sprachliche Variation in der Fachsprache ist Teil der realen Sprachverwendung im Fachkontext. Es kann besonders mit erwachsenen Lernern zielführend sein, aus authentischen Genres Regeln konstruktiv abzuleiten und zu erproben. Die authentischen Varietäten bilden zudem die Bedingungen der Kommunikation realistisch ab. Dies gilt beispielsweise für das Verhältnis zwischen Akteuren und Gegenständen, Situation und Adressaten. Die Behandlung konkreter Äußerungsformen im Unterricht erhöht unter Umständen auch das Interesse an der Sprache und Kultur insgesamt (vergleiche Roche 2008a: 160).

      1.3.4 Zusammenfassung

       Die Funktion der fachsprachlichen Texte und Äußerungen beinhaltet die zwei Dimensionen Zweck und Darstellungsverfahren.

       Fachsprachliche Varietäten und Register müssen beherrscht werden, um angemessen im Fach kommunizieren zu können.

       Fachliche Genres stellen festgelegte Muster für fachsprachliche Kommunikationssituationen dar, die beachtet werden müssen.

       Varietäten, Register und Genres sind Ausdruck spezifischer fachlicher Diskurse und Kulturen, die Lerner als solche wahrnehmen lernen müssen.

      1.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

      1 Ein Register ist eigentlich eine Form der Sortierung in Dokumenten. Warum hat man diesen Begriff in der Sprachwissenschaft gewählt? Fassen Sie hier nochmal zusammen, was Sie bisher über Varietäten und Register gelernt haben. Notieren Sie, was die beiden Begriffe mit der Funktion von Fachsprachen zu tun haben könnten.

      2 Notieren Sie die Charakteristika von Genres links in die Tabellenspalte. Ergänzen Sie dann die Lücken für die genannten Genres.

Bezeichnung Predigt Anekdote Wissenschaftlicher Vortrag
Soziale Situation
Spezifische Charakteristika
Medium

      1 Vergleichen Sie die beiden Rotkäppchen-Texte im Abschnitt 1.3.2. Beide sind fachspezifisch formuliert und aufgebaut. Notieren Sie: Welche Genre-Unterschiede können Sie feststellen? Welchem Fach würden Sie den jeweiligen Text zuordnen? Warum? Beziehen Sie sich dabei auf das, was Sie über Genres gelernt haben. Welchen Eindruck vermitteln die Texte auf Sie als Leser?

      2 Wie wir gesehen haben, kommen die Lerner mit fachlichen Vorkenntnissen und Interessen in den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht. Dies umfasst auch eine gewisse Fachkultur. Was ist unter Kultur zu verstehen und was hat dieser mit Fachsprachen und Fachsprachenunterricht zu tun? Notieren Sie Ihre Überlegungen.

      2 Linguistische Aspekte von Fachsprachen

      Dieses Kapitel befasst sich mit linguistischen Aspekten von Fachsprache (n) und konzentriert sich dabei auf drei Hauptaspekte: Wortschatz der Fachsprachen, Grammatik der Fachsprachen und Übersetzung von Fachsprachen. Bei der Behandlung dieser Schwerpunkte ist es hilfreich, sich zunächst zu überlegen, wie sich Fachsprachen von der „normalen“ Alltagssprache in linguistischer Hinsicht,