Sag mir, was du wirklich meinst. Oren Jay Sofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813693
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Begegnung, in der ich dich sehe als die Person, die du bist, anstatt als die, die ich will oder brauche. Diese Gegenseitigkeit ist die Grundlage für wahren Dialog.

      Für Fortgeschrittene: Gewahrsein in Beziehungen

      In Gesprächen konzentrieren wir meist all unsere Aufmerksamkeit entweder auf uns selbst oder auf die andere Person. Gewahrsein in Beziehungen ist die Fähigkeit, sowohl mich als auch dich zu umfassen, das Außen und das Innen, und die Aufmerksamkeit dynamisch ins Gleichgewicht zu bringen. Die Basis bildet dabei unser verkörpertes Sein, von dem aus das Gewahrsein auf drei weitere Bezugspunkte ausgeweitet wird: die andere Person, unsere Verbindung und den Raum um uns herum. Dadurch wird unsere Flexibilität gestärkt, und wir können besser damit umgehen, wenn ein Gespräch sehr intensiv wird.

      Gewahrsein in Beziehungen ist eine Praxis für Fortgeschrittene, und doch ergibt sie sich recht natürlich aus den Übungen, die wir bereits kennengelernt haben. Das Gewahrsein ist wie eine Taschenlampe, deren Lichtstrahl man regulieren kann. Man kann die Blende einstellen oder sie auf verschiedene Stellen richten. Probieren Sie die folgenden Übungen aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen wie es ist, das Gewahrsein zwischen dem Innen und dem Außen hin- und herwechseln zu lassen.

      Übung: Das Gewahrsein weit werden lassen

      Machen Sie diese Übung allein. Setzen Sie sich bequem hin, schließen Sie die Augen, und lassen Sie Ihren Geist und Ihren Körper zur Ruhe kommen. Erden Sie Ihre Aufmerksamkeit in einem der vier inneren Bezugspunkte, die wir bereits kennengelernt haben: die Schwerkraft, die Mittellinie, der Atem oder die Berührungspunkte an den Händen oder Füßen. Lassen Sie sich Zeit, und spüren Sie diese konkreten, stetigen Empfindungen.

      Lassen Sie dann den inneren Bezugspunkt los, und öffnen Sie die Augen. Werden Sie sich bewusst, was Sie um sich herum sehen und hören. Schauen Sie sich etwas um, wenn Sie möchten. Nehmen Sie wahr, wie es sich anfühlt, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas im Außen konzentrieren. Schließen Sie die Augen, und lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf einem inneren Bezugspunkt zur Ruhe kommen. Probieren Sie aus, die Augen zu öffnen und zu schließen und die Aufmerksamkeit zwischen innen und außen hin- und herpendeln zu lassen. Können Sie ein Gleichgewicht finden, bei dem ein Teil Ihrer Aufmerksamkeit mit Ihrem Körper verbunden ist und der andere Teil mit Ihrer Umgebung?

      Beginnen Sie nun, mit geschlossenen Augen Ihr Gewahrsein weit werden zu lassen. Richten Sie die Aufmerksamkeit in Ihren gesamten Körper, und spüren Sie die verschiedenen Empfindungen darin: Wärme, Schwere, Pulsieren oder Kribbeln. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf die Oberfläche Ihrer Haut. Nehmen Sie wahr, welche Empfindungen hier spürbar sind: die Berührung Ihrer Haut mit der Kleidung, die Temperatur der Luft.

      Weiten Sie Ihr Gewahrsein in den Ihren Körper unmittelbar umgebenden Raum aus. Können Sie den Raum direkt über der Oberfläche Ihrer Haut spüren? Um ihn besser wahrzunehmen, können Sie sich einen Moment lang vorstellen, Sie seien in einer vollen U-Bahn, in der sich andere Körper gegen den Ihren pressen. Dann bringen Sie Ihre Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt in den Raum um Ihren Körper herum. Können Sie die Abwesenheit von Druck spüren? Ein Gefühl von Weite?

      Lassen Sie schließlich Ihr Gewahrsein noch weiter werden, sodass Sie den gesamten Raum umfasst. Sie können Ihre Augen öffnen oder die Geräusche wahrnehmen, um ein Gefühl für diese Offenheit zu bekommen. Können Sie des Raums um sich herum gewahr sein?

      Bringen Sie zum Abschluss Ihre Aufmerksamkeit zurück in Ihren Körper, und nehmen Sie wahr, wie es sich anfühlt, hier zu sitzen.

      In dieser Übungssequenz zeigt sich, wie fluide Gewahrsein ist. In der nächsten geht es darum, inneres und äußeres Gewahrsein ins Gleichgewicht zu bringen.

      Übung: Gewahrsein in Beziehungen

      Probieren Sie die folgenden Anregungen einzeln in verschiedenen Situationen oder hintereinander in einem Gespräch aus. Sie können mit einem Partner üben oder auch für sich allein in einer entspannten sozialen Situation.

      Nutzen Sie einen inneren Bezugspunkt, um Ihr Gewahrsein im Körper zu verankern. Nehmen Sie wahr, wie es sich anfühlt, einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit hier zu halten. Lassen Sie dann das Gewahrsein Ihres Körpers, Ihrer Gefühle und Gedanken in den Hintergrund treten. Richten Sie den Fokus auf Ihr Gegenüber, und schenken Sie ihm Ihre hundertprozentige Aufmerksamkeit. Nehmen Sie wahr, wie sich das anfühlt.

      Während Sie zuhören oder sprechen, beginnen Sie, Ihre Aufmerksamkeit vor- und zurückwandern zu lassen zwischen sich selbst und der anderen Person. Können Sie ein Gleichgewicht finden zwischen Innen und Außen, das beides umfasst?

      Nehmen Sie während des Gesprächs wahr, wie sich der Kontakt anfühlt. Wie fühlt es sich an, mit dieser Person hier zu sein? Anstatt sich auf »mich« oder »dich« zu konzentrieren, können Sie Ihre Aufmerksamkeit auf »uns« richten, auf das Gefühl, gemeinsam hier zu sein?

      Weiten Sie dann Ihr Gewahrsein in den Raum zwischen Ihnen oder um Sie beide herum aus. Können Sie Ihr Gewahrsein in den ganzen Raum hinein ausdehnen? Geräusche in der Umgebung, Stille oder kurze Pausen im Gespräch wahrzunehmen kann Ihnen helfen, mit Ihrer Aufmerksamkeit diesen weiteren Raum einzunehmen. Nehmen Sie wahr, wie sich das anfühlt.

      Experimentieren Sie schließlich damit, zwischen folgenden Bezugspunkten hin- und herzupendeln: Ihrem eigenen Körpererleben, der geteilten Aufmerksamkeit zwischen sich selbst und dem Gegenüber, dem Gefühl von »wir« oder der Verbindung, und dem weiteren Raum, in dem das Gespräch stattfindet. Welche Qualitäten nehmen Sie dabei wahr?

      Hierbei handelt es sich um Übungen für Fortgeschrittene, deren Entwicklung Zeit braucht. Jede hat ihre eigene Stärke und kann in verschiedenen Situationen hilfreich sein. Die balancierte Aufmerksamkeit zwischen sich selbst und dem Gegenüber kann als ein Ort der Ruhe in den Wellenbewegungen eines Gespräches dienen. Das Gefühl von »wir« kann besonders hilfreich sein, um einen schönen Moment auszukosten oder um in einem herausfordernden Moment Zugang zu Mitgefühl zu haben. Die Wahrnehmung des größeren Raums kann in sehr intensiven Situationen hilfreich sein und Ihnen als großes Gefäß dienen, in dem starke Gefühle gehalten werden.

      Ungewissheit: Dem Unbekannten begegnen

      In der Präsenz begegnen wir auch der fundamentalen Ungewissheit und dem Mysterium des Lebens. Menschen sind unvorhersehbar. Ganz egal, wie gut ich jemanden kenne, ich kann niemals mit Sicherheit sagen, was er oder sie denkt, fühlt oder als Nächstes sagt. Ich kann nicht wissen, wie ein Gespräch verlaufen wird. Wir können planen und Strategien entwerfen, so viel wir wollen; wie oft entwickeln sich die Dinge dann wirklich so, wie wir es uns vorgestellt haben?

      Wenn wir uns auf einen Plan fixieren, verlieren wir den Kontakt zum Augenblick. Wenn das passiert, verlieren wir auch den Zugang zur Weisheit. Unsere Fähigkeit, angemessen zu reagieren auf das, was tatsächlich passiert, wird überschattet von Gedanken darüber, was passieren sollte. Wenn wir planen, können wir dann unsere Gedanken als das wahrnehmen, was sie sind: eine provisorische, imaginäre Zukunft?

      Im Zen gibt es ein Koan: »Im Nichtwissen sind wir geborgen.« Wahre Präsenz bringt immer einen Hauch der Ungewissheit mit sich. Das ist etwas ganz Gesundes; es bedeutet, dass wir in Kontakt mit der Realität sind. Wenn wir die Ungewissheit wahrer Präsenz zum ersten Mal erleben, fühlen wir uns vielleicht verunsichert oder verletzlich. Mit der Zeit lernen wir dann, uns angesichts des Nicht-Wissens wohler zu fühlen. Das, was zunächst unangenehm war, weicht einem Gefühl von Lebendigkeit.

      Dann kommen wir zu einem vollständigeren Gefühl davon, was es heißt, mit Präsenz zu beginnen. Wir sind uns auf ehrliche Weise bewusst, was in uns und in unserem Umfeld geschieht. Wir beziehen die andere Person respektvoll mit ein. Wir sind wach für die dem Augenblick innewohnende Ungewissheit und Fülle an Möglichkeiten. Wir üben uns darin, in dieser Haltung zu ruhen – flexibel, ehrlich, im Bewusstsein unserer Gegenseitigkeit und der Ungewissheit.

      Wenn unsere Fähigkeit, mit Präsenz zu beginnen, größer wird, wird unser