a) Haftungsausmaß
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Gemäß § 1123 Abs. 1 erstreckt sich die Grundpfandhaftung auf Miet- und Pachtforderungen, wenn das verpfändete Grundstück vermietet oder verpachtet ist. Probleme entstehen, wenn die Fälligkeit des Grundpfandrechts einerseits und die Fälligkeit der Miet- und Pachtforderung andererseits auseinanderfallen: Haften auch Forderungen, die früher als das Grundpfandrecht fällig waren? Die Antwort geben §§ 1123 Abs. 2 und 1124:
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Miet- und Pachtforderungen werden von der Grundpfandhaftung frei, sobald ein Jahr seit ihrer Fälligkeit vergangen ist (und sie vorher nicht in Beschlag genommen wurden, § 1123 Abs. 2 und nachf. Rn. 147). Darüber hinaus werden solche Forderungen gemäß § 1124 Abs. 1 in demjenigen Zeitpunkt frei, in welchem sie der Grundeigentümer eingezogen hatte. Mithin bezieht sich § 1123 Abs. 2 nur auf noch nicht eingezogene, also noch offene Forderungen. Der Einziehung stehen sonstige Verfügungen gleich, z.B. die Verpfändung (§ 1279, unten Rn. 699) oder Abtretung[1], auch eine Stundung[2]. Im Falle der Forderungsverpfändung bleibt die Grundpfandhaftung zwar bestehen, geht aber im Range nach (§ 1124 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs.); bei Abtretung erlischt die Grundpfandhaftung (§ 1124 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs.). Der Abtretung der Miet- oder Pachtzinsforderung steht es gleich, wenn das Grundstück veräußert wird, aber ohne die Forderungen, diese also dem – früheren – Grundeigentümer bleiben. Der Gläubiger kann dann also zwar trotz Eigentümerwechsels nach wie vor auf das Grundstück selbst, nicht aber auf die Forderungen zugreifen (§ 1124 Abs. 3).
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All das gilt für den Fall, dass der Gläubiger nicht zur Realisierung seines Grundpfandrechts geschritten ist: Sobald er das Grundstück in Beschlag nimmt (vorst. Rn. 131), sind die Wirksamkeit von Verfügungen und die Befreiung offener Miet- und Pachtzinsforderungen eingeschränkt (§§ 1123 Abs. 2, 1124 Abs. 1 S. 1, Abs. 2[3]; näher nachf. Rn. 471). Gleichermaßen sind Verfügungen eingeschränkt, die darin liegen, dass der Schuldner – Mieter oder Pächter – gegen die Forderungen aufrechnet (§ 1125).
Anmerkungen
Auch: an den Grundpfandgläubiger selbst, BGHZ 163, 201 = WM 2005, 1371 mit Anm. Ultsch WuB I F 3 – 5.05 und Komm. R. Weber EWiR § 1124 BGB 1/05, 879; OLG Köln WM 1997, 759 mit Anm. Rehbein, WuB I F 3. – 4.97 und Komm. Johlke, EWiR § 9 AGBG 13/96, 579.
BGHZ 140, 147 = NJW 1999, 577 (579).
BGH NJW 2014, 2720 Rn. 18.
b) Insbesondere: Kapitalersetzende Nutzungsüberlassung
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Mieter kann eine GmbH oder GmbH & Co KG[1], Vermieter und Grundstückseigentümer ihr Gesellschafter sein, der sein Grundstück mit einem Grundpfandrecht belastet hatte. Die Gesellschaft darf Vermögen, das zur Erhaltung ihres Stammkapitals erforderlich ist, gem. § 30 GmbHG nicht an ihre Gesellschafter auszahlen. Diese Rückzahlungssperre tritt ein, sobald das Aktivvermögen der Gesellschaft nicht höher als das satzungsgemäße Stammkapital (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 5, § 42 Abs. 1 GmbHG) ist. In diesem Fall entspricht das Aktivvermögen dem gesamten Eigenkapital (vgl. § 266 Abs. 3 HGB). Hat die Gesellschaft den Mietzins an ihren Gesellschafter aus Mitteln zu bestreiten, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sind, mag die Nutzungsüberlassung zwar eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Die daraus früher gezogene Folgerung, dass die Gesellschaft das Grundstück zwar nutzen darf, der Gesellschafter seinen Anspruch auf Miete gegen die GmbH aber, vergleichbar mit einer Stundung[2], nicht durchsetzen kann (s. auch nachf. Rn. 251), soweit die Rückzahlungssperre eingreift, die ihrerseits vom Betrag des Stammkapitals abhängt[3], wurde jedoch durch die GmbH-Rechtsreform mit Wirkung vom 1.11.2008 aufgegeben (unten Rn. 1138). Die Nutzungsüberlassung kann also wirksam zwischen Gesellschafter und GmbH oder anderer Kapitalgesellschaft vereinbart werden[4]. Sie kann aber insolvenzrechtliche Folgen nach § 135 Abs. 3 InsO haben (unten Rn. 520).
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Für die Grundpfandhaftung hat der eigenkapitalersetzende Charakter der Nutzungsüberlassung keine Bedeutung mehr: Nach § 1123 Abs. 2 BGB kann der Grundpfandgläubiger auf fällige, aber noch nicht getilgte Mieten zugreifen. Solchen Ansprüchen steht die Einwendung des Eigenkapitalersatzes nach § 30 Abs. 1 GmbHG nicht entgegen, sodass der Zugriff des Grundpfandgläubigers gelingt. In Folge der Beschlagnahme (vorst. Rn. 131) kann der Grundpfandgläubiger auf Mieten, die nach der Beschlagnahme (in den durch § 1124 Abs. 2 bestimmten Zeiträumen) entstehen, zugreifen[5]. In der Zwangsverwaltung ist der Verwalter im Übrigen gem. § 152 Abs. 2 ZVG (nachf. Rn. 487) an den Gebrauchsüberlassungsvertrag zwischen GmbH und Gesellschaft gebunden[6].
Anmerkungen
BGHZ 123, 289 = NJW 1993, 3265 mit Anm. v. Gerkan, WuB II C. – 1.94 und Heidenhain, LM Nr. 7 zu § 32b GmbHG; BGH WM 2001, 316 mit Anm. Balke, WuB II C. – 1.02; 1998, 1778 und Ebbing, WuB II G. – 1.98.
BGHZ 140, 147 = NJW 1999, 577 (579); K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1729). Diese Wirkung endete mit der Insolvenz des Gesellschafters, BGH NJW 2008, 2188 mit Komm. Burg/Blaschke EWiR § 32a GmbHG 3/08, 555.
BGHZ 109, 55 = NJW 1990, 516 zu II. 3. b.; BGH WM 2005, 747 zu II. 2.; 2006, 621 zu II. 2.; Dahl, NZI 2003, 191. Dem Zessionar der Mietforderung konnte die Einrede des Eigenkapitalersatzes durch die GmbH gem. § 404 BGB entgegen gehalten werden, BGH NJW 2008, 153 = WM 2008, 162.
BGH NJW 2015, 1109; BGH WM 2013, 1646.
BGHZ 140, 147 (150 ff.) = NJW 1999, 577 zu II. 3. mit Rezension Jungmann, ZIP 1999, 601 und Anm. Obermüller, WuB II C.-1.99; BGHZ 109, 55 = NJW 1990, 516; 121, 31 (42); 127, 1 und 17, sog. Lagergrundstückentscheidungen, dazu umfassend Fleischer, Finanzplankredite,