Vier verschiedene Quellen geben direkt oder indirekt Auskunft über die Osterereignisse und die sich anschließende Bildung einer ersten Gemeinde in Jerusalem: die synoptischen Evangelien (Mk/Mt/Lk), die Apostelgeschichte, die authentischen Paulusbriefe (1Thess/1.2Kor/Gal/Röm/Phil/Phlm) und das Johannesevangelium.
HANS VON CAMPENHAUSEN, Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab, SHAW.PH 1952, Heidelberg 41977. – HANS GRASS, Ostergeschehen und Osterberichte, Göttingen 21961. – KARL MARTIN FISCHER, Das Ostergeschehen, Göttingen 21980. – PAUL HOFFMANN (Hg.), Zur neutestamentlichen Überlieferung von der Auferstehung Jesu, Darmstadt 1988. – GERD LÜDEMANN, Die Auferstehung Jesu, Göttingen 1994. – INGOLF U. DALFERTH, Der auferweckte Gekreuzigte, Tübingen 1994. – NICHOLAS THOMAS WRIGHT, The Resurrection of the Son of God, Minneapolis 2003 (dt.: Die Auferstehung des Sohnes Gottes, Marburg 2014). – JÜRGEN BECKER, Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament, Tübingen 2007.
Die Geschehnisse unmittelbar nach der Kreuzigung und dem Tod Jesu liegen im Dunkeln. Wahrscheinlich ergriffen viele Jesus-Nachfolger nach der Verhaftung Jesu die Flucht, um so einem möglichen Zugriff der Römer zu entgehen (vgl. Mk 14,50: „Und sie verließen ihn und flohen alle“; vgl. ferner Mk 14,27.28). Sie verließen Jerusalem und kehrten spätestens nach der Kreuzigung Jesu nach Galiläa zurück, wie es die Erscheinungsansagen in Mk 14,28; 16,7 voraussetzen1.
Eine Lokaltradition zum Begräbnis Jesu
Sowohl die synoptischen Evangelien (vgl. Mk 15,42–47; Mt 27,57–61; Lk 23,50–56) als auch das Johannesevangelium (vgl. Joh 19,38–42) stimmen darin überein, dass Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu von Pilatus erbat und ihn bestattete2. Die Überlieferung, wonach Josef von Arimathäa Jesus in ein leeres Felsengrab gelegt habe (vgl. Mk 15,46), könnte späterer Interpretation entstammen, denn nun erhält der soeben als Verbrecher hingerichtete Jesus von Nazareth ein Ehrenbegräbnis. Zudem: Woher verfügte Josef von Arimathäa so schnell über ein mühselig aus dem Felsen auszuhauendes Grab?3 Es könnte sich aber auch um eine alte Jerusalemer Lokaltradition handeln, die von einem begüterten Sympathisanten Jesu berichtet, der seine eigene Grabanlage für das Begräbnis Jesu zur Verfügung stellt. Wurde Jesus in einem Privatgrab oder in einem anonymen Massengrab beigesetzt? Gekreuzigte wurden entweder gar nicht bestattet4, in einem anonymen Massengrab beigesetzt oder aber von Verwandten bestattet5. Durch den Fund einer Grabanlage im Nordosten Jerusalems ist jedoch die Bestattung eines Gekreuzigten in einem Privatgrab bezeugt6. Wahrscheinlich veranlasste die Nähe des Sabbat Pilatus, den Leichnam Jesu für eine Bestattung freizugeben, um so nicht weitere Unruhen zu provozieren. Der heimliche Sympathisant Josef von Arimathäa übernahm den Leichnam Jesu und bestattete ihn. Für eine Bestattung Jesu in einem Einzelgrab spricht die Überlegung, dass Josef von Arimathäa sich kaum nachdrücklich um den Leichnam Jesu bemüht hätte, um ihn dann in ein öffentliches Massengrab zu werfen, was die Römer wahrscheinlich ohnehin getan hätten. Wahrscheinlich setzte er Jesus in einem Einzelgrab bei, über dessen Charakter nichts bekannt ist. Wo der Leichnam Jesu beerdigt wurde, lässt sich ebenfalls nicht mehr sicher sagen. Der Ort des Grabes dürfte der Jerusalemer Gemeinde bekannt gewesen sein, denn es wird in Mk 15,47 („Aber Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Joses, sahen, wo er hingelegt wurde“) ausdrücklich betont, dass Anhängerinnen Jesu das Begräbnis beobachtet hätten7. Zudem wussten die Bewohner Jerusalems um die üblichen Begräbnisstätten. Da Jesu Auftreten, sein Prozess und die Kreuzigung großes Aufsehen in Jerusalem erregt hatten, dürfte das Begräbnis kaum völlig anonym vonstattengegangen sein.
Erfahrungen des Auferstandenen
Auferstehung von den Toten
Die Erfahrungen von Jüngerinnen und Jüngern, dass der gekreuzigte Jesus von Nazareth nicht im Tod verblieben ist, sondern von Gott auferweckt wurde, bestimmten das weitere Geschehen. Die zentrale theologische Einsicht lautete: Jesus Christus hat sein Leben ‚für uns‘ gegeben, um es von Gott neu zu erhalten. Im Horizont der Auferstehung erfolgte faktisch eine Neucodierung des Kreuzes, das nun nicht mehr Ort der Gottesferne (vgl. Dtn 21,22f), sondern Ort der Liebe Gottes ist. Als der älteste Kern der Auferstehungsbotschaft8 müssen Aussagen wie Röm 10,9 gelten: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“ (vgl. 1 Kor 15,15; 2 Kor 4,14; Gal 1,1; Röm 4,24; 8,11a). Charakteristisch ist die streng theologische Struktur, Gott ist das an Jesus handelnde Subjekt. In zahlreichen zwei- und mehrgliedrigen Formeln wird die Auferstehung/Auferweckung Jesu erwähnt, wobei Jesus bzw. Christus das jeweilige Subjekt ist: „… Jesus ist gestorben und auferstanden …“ (1 Thess 4,14; vgl. 2 Kor 5,15; Röm 4,25). Die Auferstehung wird zum Gottesprädikat, der Gott der Auferstehung ist der, „der die Toten lebendig macht und das Nicht-Seiende ins Sein ruft“ (Röm 4,17b; vgl. 8,11). Gott identifiziert sich so sehr mit dem gekreuzigten Jesus von Nazareth, dass seine in der Auferstehung sich offenbarende Lebensmacht weiterhin wirkt: „Denn dazu ist Christus gestorben und wieder zum Leben gekommen, damit er Herr werde über die Toten wie über die Lebenden“ (Röm 14,9).
Speziell Paulus lässt an der Bedeutung der Auferstehung als Fundament des neuen Glaubens keinen Zweifel: „Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, dann ist auch unsere Verkündigung leer, und auch euer Glaube ist leer“ (1Kor 15,14), und: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden ... so sind wir die elendsten unter allen Menschen“ (1Kor 15,17.19b).
Die Erscheinungen als Initialzündung
Die Wirklichkeit der Auferstehung erschloss sich für die Christusgläubigen durch die Erscheinungen des Gekreuzigten als Auferstandenen. Dieses Geschehen war offenbar die Initialzündung für die grundlegende Erkenntnis der ersten Christusgläubigen: Der schmachvoll am Kreuz gestorbene Jesus von Nazareth ist kein Verbrecher, sondern er ist auferweckt worden von den Toten und gehört bleibend auf die Seite Gottes. Aus der hervorragenden Qualität Jesu vor Ostern wurde so Jesu unüberbietbare Qualität nach Ostern. Ausgangspunkt der Erscheinungsüberlieferungen9 ist die Protepiphanie Jesu vor Petrus (vgl. 1Kor 15,5a: „und dass er Kephas erschien“; Lk 24,34: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden und Simon erschienen“)10, denn sie begründete die hervorgehobene Stellung des Petrus im frühen Christentum11. Das Johannesevangelium geht von einer Ersterscheinung vor Maria Magdalena aus (Joh 20,11–18), erst danach erscheint Jesus den Jüngern (Joh 20,19–23).
Sowohl Lk 24,34 als auch Joh 20,11–18 verweisen auf Jerusalem als Ort der Erscheinungen (Joh 21,1–14 spielt allerdings in Galiläa). Bei Markus werden Erscheinungen Jesu in Galiläa angekündigt (Mk 14,28; 16,7: „Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat“), ohne erzählt zu werden. Bei Matthäus werden die markinischen Ankündigungen von Erscheinungen in Galiläa übernommen (Mt 26,32; 28,7), dann erscheint Jesus zunächst Maria Magdalena und der anderen Maria in Jerusalem (vgl. Mt 28,9.10), dann den Jüngern in Galiläa