Auferstehung der Toten
Das Judentum bildet auch bei der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten den religionsgeschichtlichen Rahmen und Hintergrund, hier bildete sich diese Vorstellung im Rahmen der Apokalyptik im 3./2. Jh. v.Chr. heraus32. Der einzig unbestrittene Auferstehungstext im AT ist Dan 12,2f: „Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.“ Als zweiter zentraler Text ist Jes 26,19 zu nennen, ein redaktioneller Zusatz aus frühhellenistischer Zeit: „Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird wachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts; die Erde gibt die Toten heraus“ (vgl. auch Jes 25,6–8). Die in beiden Texten vorausgesetzte Auferstehungshoffnung hat eine Vorgeschichte im Alten Testament, zu verweisen ist auf Hos 6,1–3 und Ez 37,1–14. Im 2./1. Jh. v.Chr. bezeugen zahlreiche Texte die Auferstehungshoffnung: SapSal 3,1–8; äthHen 46,6; 48,9f; 51,1; 91,10; 93,3f; 104,2; PsSal 3,11–12; LAB 19,12f; 2Makk 7,9; TestBen 10,6–10. Von besonderer Bedeutung ist, dass es auch bei den Qumran-Essenern den Glauben an eine Auferweckung der Toten gegeben hat. In 4Q521 2 II, 12 wird von Gott lobpreisend gesagt: „… Dann wird er Erschlagene heilen, und Tote wird er lebendig machen; Armen wird er frohe Botschaft verkünden ...“33 Hinzu kommen die bereits erwähnten Geisterfahrungen und die Relecture der Schrift (s.o. 4.2), die ebenso wie zahlreiche weitere Motive vor allem aus der jüdischen Apokalyptik (Gericht/Erwartung des Endgeschehens/Erscheinen des Messias/Rettung der Glaubenden) den jüdischen Hintergrund zahlreicher christologischer Anschauungen der Frühzeit verdeutlichen.
Inkarnation als griechische Vorstellung
Von Anfang an stand im Zentrum des Glaubens der neuen Bewegung auch eine genuin griechisch-hellenistische Vorstellung: Gott ist in Jesus von Nazareth Mensch geworden. Die Inkarnation von Göttern bzw. gottähnlichen Wesen (und der Vergöttlichung eines Menschen) ist eine genuin griechische Anschauung (s.o. 3.2/3.2.1) und verweist auf kulturgeschichtliche Vorgaben, die bei der Ausbildung und der Rezeption der frühesten Christologie eine wichtige Rolle gespielt haben34. Die Vorstellung eines sowohl göttlichen als auch menschlichen Mittlerwesens wie Jesus Christus war gerade für Griechen und Römer auf ihrem eigenen kulturellen Hintergrund rezipierbar. Die pagane Erzählkultur um Götter in Menschengestalt, um Helden wie Herakles oder andere Heroen gehörte zur Sozialisation vieler Völkerchristen, vor allem in den Städten Kleinasiens und Griechenlands. Für Juden hingegen war der Gedanke unerträglich, dass Menschen wie der römische Kaiser Caligula sich anmaßten, als Götter zu gelten und verehrt zu werden35.
Das Kreuz als Anstoß
Neben der bleibenden Verankerung der Christusgläubigen in der jüdischen Tradition und der Aufnahme griechischer Vorstellungen bestimmt aber auch ein neues Denken die früheste Theologie, das mit jüdischen und auch griechischen Anschauungen nicht wirklich kompatibel war. Vor allem die Behauptung, ein Gekreuzigter sei der Messias, wurde im Kontext von Dtn 21,22f („… denn der am Holz Hängende ist von Gott verflucht …“) aus jüdischer Perspektive als Blasphemie empfunden (vgl. Gal 3,13) und von den Griechen als ‚dummes Zeug‘ beurteilt (1Kor 1,23: „Wir aber verkündigen Christus als Gekreuzigten, für Juden ein Anstoß, für Heiden eine Torheit“). Einen Gekreuzigten als Gottessohn zu verehren, erschien den Juden als theologischer Anstoß36 und der griechisch-römischen Welt als Verrücktheit37. Mit der zentralen Stellung eines Gekreuzigten in der frühchristlichen Sinnwelt wird jede geläufige kulturelle Plausibilität auf den Kopf gestellt, indem nun das Kreuz als zentrales Kennzeichen göttlicher Weisheit erscheint.
Jesus Christus als Gott
Hinzu kommen weitere gravierende Unterschiede38: 1) Die oben erwähnten personifizierten göttlichen Attribute in der jüdischen Überlieferung waren keine Gott gleichwertigen bzw. gottgleichen Personen mit eigenständigen Handlungsfeldern, die zudem kultisch verehrt wurden. Von Anfang an wurde aber Jesus in eine einzigartige Nähe zu Gott gerückt. Ihm wurde der Name Gottes verliehen (Phil 2,9f), er ist Gott gleich bzw. das Abbild Gottes (Phil 2,6; 2Kor 4,4) und Träger der Herrlichkeit Gottes (2Kor 4,6; Phil 3,21). In Röm 9,5 setzt der ehemalige Pharisäer Paulus den aus Israel stammenden
Der neue Diskursgründer
Am Anfang der neuen Bewegung stand ein überaus kreativer Prozess: Mit Jesus Christus führten die Christusgläubigen nicht weniger als einen neuen Diskursgründer in die bestehenden religiösen Welten ein und schrieben ihm eine uneingeschränkte soteriologische Kompetenz zu. Ihm wurden Attribute zugelegt, die im jüdischen Denken bis dahin exklusiv Gott vorbehalten waren. Damit wurde nicht nur Mose als jüdischer Diskursgründer relativiert, sondern indem Jesus Christus als Gekreuzigter und Auferstandener Gegenstand göttlicher Verehrung wurde, überschritten die Christusgläubigen die Grenzen jüdischen Denkens und etablierten in Lehre und Kult eine eigene, neue Diskurswelt41. Hinzu kommt als zweiter Aspekt: Die Menschwerdung Gottes und die Gottwerdung eines Menschen ist ein griechischer Gedanke, der sich in seiner Fremdheit und Anstößigkeit für jüdische Ohren nicht relativieren lässt. Aber auch gegenüber dem griechisch-römischen Denken setzte die früheste Christologie eigene Akzente, denn die Gottessohnschaft eines Gekreuzigten blieb auch hier ein fremdartiger und anstößiger Gedanke (vgl. 1Kor 1,23). Ebenso widersprach Jesu exklusive soteriologische Stellung griechisch-römischer Tradition, wo Gottheiten jeweils für einzelne Bereiche zuständig waren.
Mit dem neuen Diskursgründer Jesus Christus und den neuen Wissensformen der Christologie war im Keim bereits angelegt, was sich später herausbildete: das frühe Christentum als eigenständige Bewegung. Es gab keine Möglichkeit,