Hohepriester
Vom Makkabäeraufstand bis hin zum jüdischen Krieg war das Hohepriesteramt ein zentraler Streitpunkt zwischen den Juden und den herrschenden Großmächten, aber auch innerhalb des Judentums. Der Hohepriester war das Oberhaupt der Jerusalemer Priesterschaft (vgl. 1Kön 4,2), er salbte den König (vgl. 2Kön 11,12) und trug die Verantwortung für den Tempelkult. Nach dem Exil verband sich mit der kultischen Stellung ein zunehmender politischer Einfluss als Vorsitzender des Synedriums. Der Hohepriester entsühnte das Volk am Versöhnungstag (Lev 16), er trug ein besonderes Gewand (Ex 28,1–39) und vollzog die Opfer am Räucheraltar (Ex 30,7.10). Die Heiligkeit des Hohepriesteramtes erforderte bestimmte Verhaltensregeln (vgl. Lev 21,10–15), das Amt war erblich (Lev 6,15; Num 20,26ff) und der Inhaber musste Zadokide sein (vgl. 1Chr 5,27–41). Mit Menelaos (vgl. 2Makk 4,23–29; Josephus, Antiquitates 12,237–241) und Alkimos (2Makk 14,3–14; Josephus, Antiquitates 12,382–388) übernahmen während des Makkabäeraufstandes erstmals zwei Nichtzadokiden das zudem auch noch käuflich erworbene Hohepriesteramt. Unter den Hasmonäern lag das Hohepriesteramt ausschließlich in der Hand der Herrscher und wurde aus der Perspektive der Frommen unrechtmäßig ausgeübt. In AssMos 6,1 heißt es über diese Zeit: „Dann werden sich Könige als Herrscher über sie erheben, und man wird sie zu Hohepriestern Gottes berufen; doch sie werden Gottlosigkeit verüben vom Allerheiligsten aus.“ Unter den Römern schließlich wurden das Prinzip der Erblichkeit und der Lebenslänglichkeit des Hohepriesteramtes gänzlich aufgehoben und die Hohepriester allein nach dem Willen der Herrscher (oftmals nur für kurze Zeit) eingesetzt143. Die Diskrepanz zwischen der Idealkonstruktion des Hohepriesteramtes (vgl. Sir 50) und der Wirklichkeit konnte nicht größer sein. Das höchste Amt des Judentums war immer mehr zum Spielball politischer und finanzieller Interessen geworden. Aus der Sicht der toratreuen Juden stellte diese Situation eine andauernde schwere Provokation dar, denn mit unrechtmäßigen Hohepriestern war auch der Jerusalemer Tempelkult illegitim und keine wirkliche Sühne für das Volk möglich.
Messianische Gestalten und Bewegungen
Segmentierung des Judentums
Religiöse und politische Erneuerer und Aufwiegler
Die mit dem Makkabäeraufstand voll einsetzende Segmentierung des Judentums in theologisch wie politisch differente Bewegungen prägt die Geschichte des 1. Jh. n.Chr. und ist auch für die Geschichte des frühen Christentums von großer Bedeutung. Nach den Erfolgen der Makkabäerzeit und der relativen Eigenständigkeit unter der Herrschaft der Hasmonäer (ca. 142–63 v.Chr.) geriet der jüdische Staat ab 63. v.Chr. unter römische Tributpflicht. Während vor allem die Herrschaft Herodes d. Gr. (40–4 v.Chr.) Israel noch einmal relative Unabhängigkeit schenkte, führte die Reichsaufteilung unter den Herodessöhnen 4 v.Chr. zu einer Entwicklung, die keineswegs zufällig in den ersten jüdischen Krieg mündete. Im Kontext der Schreckensherrschaft des Archelaos (4 v.Chr. – 6 n.Chr.) und der sich anschließenden Umwandlung Judäas in einen (wichtigen) Teilbereich der römische Provinz Syrien144 kam es nicht nur zur Bildung der zelotischen Bewegung, sondern schon zuvor brachen an vielen Orten Aufstände aus, die vom römischen Befehlshaber Varus145 brutal niedergeschlagen wurden (vgl. Josephus, Bellum 2,55–79). ‚Messianische Propheten‘ wie Simon, Athronges und Judas, der Sohn des Hezekias traten auf146, d.h. lokale Anführer, Erneuerer und Aufrührer, die mit politischen, sozialen und theologischen Begründungen gegen die römische Macht147 aufbegehrten und die Herrschaft anstrebten. Josephus charakterisiert die angespannte Situation zusammenfassend: „So war Judäa voll von Banden, und wer einige antraf, die mit ihm revoltieren wollten, der stellte sich als König an ihre Spitze und beschleunigte so den Untergang des Staates“ (Antiquitates 17,285). Hinter den von Josephus als ‚Räuberbande‘ bezeichneten Gruppen standen messianische und soziale Hoffnungen, die sich auf eine Befreiung von der Römerherrschaft und eine gerechtere Ordnung richteten. Nach PsSal 17,21ff wird der von Gott dem auserwählten Volk gesandte König und Gesalbte nicht nur die Heiden vertreiben, sondern auch über sein Volk in Gerechtigkeit herrschen. Judäa, aber auch Galiläa blieben Unruhegebiete, in denen es immer wieder zu kleinen Aufständen kam. So berichtet Josephus148 von einem samaritanischen Propheten (um 36 n.Chr.) und von dem auch in Apg 5,36 erwähnten Theudas (um 45 n.Chr.).
Auch das Auftreten Johannes des Täufers und Jesu von Nazareth muss in diesem Kontext gesehen werden149. Ihre Erneuerungsbewegungen wurden offensichtlich als politisch gefährlich wahrgenommen. Die Bußpredigt des Täufers (Mk 1,2–8; Mt 3,7– 12par) veranlasste seinen Landesherrn Herodes Antipas (4 v.Chr. – 39 n.Chr.), ihn um 28 n.Chr. aus dem Weg zu schaffen150. Herodes Antipas stellte auch Jesus von Nazareth nach (vgl. Lk 9,7–9; 13,31–33), konnte sich seiner aber nicht bemächtigen. Die Ereignisse in Jerusalem im Jahr 30 zeigen deutlich, dass Jesu Auftreten sowohl von den jüdischen Autoritäten als auch von den Römern als politisch gefährlich eingestuft wurde. Die messianischen Ovationen beim Einzug in Jerusalem (vgl. Mk 11,8–10), die Tempelreinigung und vor allem die Kreuzesinschrift weisen darauf hin, dass Jesus messianische Erwartungen und damit auch Unruhen auslöste. Die Kreuzesinschrift
Caligula-Krise
Zu einer schweren Krise im Verhältnis zwischen Rom und Jerusalem kam es am Ende der Regierungszeit Caligulas (39/40 n.Chr.). Caligula intensivierte den Herrscherkult und war offenbar nicht mehr bereit, die Sonderstellung der Juden gegenüber dem Kaiserkult zu akzeptieren152. In Alexandria kam es 38/39 n.Chr. zu antijüdischen Pogromen, weil die Juden sich u. a. weigerten, am Kaiserkult teilzunehmen. Daraufhin befahl Caligula dem syrischen Statthalter Petronius, im Tempel von Jerusalem eine goldene Statue des Kaisers als ‚Zeus Epiphanes Neos Gaius‘ aufzustellen (vgl. Josephus, Bellum 2,184–203; Antiquitates 18,261–288; Philo, Legatio ad Gaium 200–207). Philo interpretiert dieses Vorgehen als einen bewussten Krieg gegen das Judentum und lässt keinen Zweifel: „Was Gaius aber veränderte, war keine Kleinigkeit, sondern die größte Ungeheuerlichkeit, der Versuch nämlich, das geschaffene, vergängliche Wesen eines Menschen zum ungeschaffenen, unvergänglichen eines Gottes nach eigenem Belieben umzuformen“ (Legatio ad Gaium 118). Das Vorgehen des Caligula rief den erbitterten Widerstand der Juden hervor, die Petronius mit Erfolg baten, die Durchführung dieses Auftrags zu verzögern (vgl. Philo, Legatio ad Gaium 222–253). Die Ermordung Caligulas führte schließlich dazu, dass seine Statue nicht aufgestellt wurde und