„Oder hast du dich etwa in unseren dichten Wäldern verlaufen, Ravanna?“, säuselte Mera arglistig, während sie sich leicht nervös immer wieder so unauffällig wie möglich umsah.
Ravanna erkannte Meras boshafte Gedanken und nahm ihr sogleich den Wind aus den Segeln, während sie ihre Lippen schürzte und lächelnd ihren Kopf schüttelte.
„Keine Sorge. Ich kenne diesen Wald wie meine Westentasche, Mera. Das weißt du ganz genau. Jemand wie ich verirrt sich nicht hierher. Er wird hier geboren. Wenn du verstehst, was ich meine.“
Mera nickte lächelnd, doch ihre schwarzen Augen verrieten, dass sie der um vieles jüngeren Hexe ihr gegenüber feindlich gesonnen war. Und beleidigt hatte Ravanna sie gerade auch noch vor ihrer gesamten Knechtschaft und den vielen anwesenden Kreaturen der Unterwelt. Und doch blieb Mera nichts anderes übrig, als erst einmal weiterhin gute Miene zum für sie unschönen Spiel zu machen. Die Stimmung zwischen ihr und Ravanna war jedoch spürbar angespannt. Es wirkte auf Christopher sogar so, als würde Mera am liebsten direkt auf die schöne Hexe losgehen. Aus welchem Grund auch immer. Doch irgendetwas hielt sie scheinbar davon ab. Offenbar war dieser Ort hier zwar Meras Herrschaftsgebiet. Doch vor irgendjemandem schien auch sie sich zu fürchten.
Ravanna formte nun unvermittelt mit Daumen und Zeigefinger vor ihren vollen Lippen einen Kreis und pustete anschließend kräftig dagegen. Ein lautes Pfeifen kam so zustande und im nächsten Augenblick erschien auch schon Bo. Er trabte langsam zwischen den dichten Tannen, Kiefern und Eichen dieser Lichtung hervor und ließ dabei völlig unaufgeregt seine Muskeln spielen. Seine ansonsten dunkelbraunen Augen leuchteten für einen kurzen Moment warnend glutrot auf, um sich dann wieder ins ursprüngliche Braun zurück zu verwandeln.
Ravanna zwinkerte ihrem Hundedämon zu und wandte sich erneut an Mera.
„Er ist heute nicht besonders gut drauf. Wie an beinahe jedem Tag. Ich hoffe, du hast genug Fleischvorräte da, um ihn zu besänftigen?“
Sie lächelte selbstsicher, auch wenn ihr angesichts der Horde an größtenteils relativ minderbemittelten und einfach gestrickten Ogern und Orks, Alben, Elfen, Gnomen, Goblins und Formwandlern ein wenig unwohl zumute war. Ohne Bo an ihrer Seite hätte sie nicht ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass man sie nicht augenblicklich angegriffen hätte, auch, wenn sie immerhin einem der mächtigsten Dämonen diesseits und jenseits dieser Gefilde unterstand und somit dessen Schutz genoss. Aber diesen unmanierlichen, einzig und allein ihren niedersten Instinkten und Trieben nachgehenden Wesen hier rings um sie herum konnte man dennoch nicht vertrauen. Deshalb hatte sie ja auch Bo mitgenommen.
„Nun gut“, krächzte Mera, um einzulenken, „so will ich euch beide denn willkommen heißen in meinem Etablissement! Meras Welt der Lüste! Ich gehe natürlich davon aus, dass du auf der Suche nach etwas bist, wenn du hier einkehrst. Bei mir bekommst du all das, was das dunkle Herz begehrt! Frisches Blut, Körper jeden Geschlechts und alles, was dir sonst noch so beliebt!“
Sie entblößte grinsend ihre Raubtierzähne und machte eine einladende Handbewegung in Richtung Tribüne.
„Leider hast du gerade meinen allerneusten Fang verpasst. Denn wie du ja gesehen hast, ist das erste Bieterverfahren offiziell bereits beendet und der Käufer steht genau vor dir. Aber vielleicht findest du Gefallen an einer meiner anderen ‚Hostien‘?“
Die alte Hexe wollte voranschreiten und gab Ravanna mit einem Nicken zu verstehen, dass sie mitkommen sollte. Doch diese blieb an Ort und Stelle stehen und spähte zu jenem vernarbten Hünen und von ihm wiederum vor sich auf den Waldboden und die dort verteilten Überreste von dessen Kontrahenten.
„Ja“, sagte sie mit leicht angewiderter Stimme, „das habe ich mitbekommen. Und wie ich vorhin schon sagte, bin ich wirklich … beeindruckt von so viel Kraft und Kampfgeist“, log sie und sah zur Tribüne hoch und auf den nackten Mann mit der Eisenkette um den Hals, welcher sie mit einem entsetzten Blick anschaute.
Dann drehte sie sich dem Vernarbten zu und sagte mit fester Stimme:
„Doch ich bin ebenfalls an dem Menschen interessiert!“
Jetzt ging ein Raunen durch die Menge und Mera schüttelte vehement mit dem Kopf, während der Hüne Ravanna mit ernst gewordener Miene bedachte.
„Ich kaufe im Übrigen nicht für mich. Sondern für meinen Meister. Und ihr alle wisst, wen ich damit meine. Er wird vermutlich nicht begeistert sein, wenn ich ihm statt diesem Jüngling dort einen der abgemagerten Elfen mitbringe.“
„Der Mensch gehört mir!“, fiel der Muskelprotz Ravanna nun mit regelrecht erboster Stimme ins Wort und starrte sie dabei aus blitzenden Augen an.
„Ich habe ihn, wie es die hiesigen Regeln des Bietens verlangen, ersteigert und bin somit sein rechtmäßiger Besitzer!“
Ravanna lächelte wieder süffisant.
„Ja, aber natürlich, das ist vollkommen richtig. Ich würde auch nie gegen die geltenden Regeln verstoßen.“
Sie blickte den Hünen aus großen Augen an und tat so, als würde sie sich tatsächlich ängstigen.
„Doch ich denke, meinen Herrn und Meister wird das mal wieder wenig interessieren. Ich mache mir schon jetzt große Sorgen, dass er sich anschließend selbst um diese Angelegenheit kümmern wird. Und wie das jedes Mal ausgeht, weiß ich leider.“
Sie streckte eine Hand zu dem Hünen vor ihr aus und berührte mit ihren schlanken, langen Fingern seinen Oberarm, während sie weiter säuselte:
„Es ist nur so schade, dass es ausgerechnet einen so starken und gut gebauten Kerl wie dich erwischt. Ein echter Jammer, wenn man mich fragt!“
Dabei bedachte sie das Narbengesicht mit einem sehnsuchtsvollen, verführerischen Blick aus ihren großen, blauen Augen und fuhr sich lasziv mit einer Hand über die Kette um ihren filigranen Hals, bis hinunter zu ihren üppigen Brüsten.
Der Hüne wirkte einen Moment lang verwirrt. Doch dann legte sich seine Stirn in überlegende, wenn auch skeptische Falten. Dies fiel auch Ravanna auf und sie nutzte seine kurzzeitige Irritation, um ihre Absichten noch klarer zu machen. Sie trat sehr nah an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr:
„Ich könnte dir jetzt anbieten, dass du mit meinem guten Gefährten Bo um den Jüngling kämpfst. Aber ich denke, wenn ich einfach den doppelten Preis zahle, wäre das vermutlich die bessere Alternative für dich.“
Der Kerl zögerte einen Augenblick. Dann schaute er sich zu Christopher um, betrachtete ihn noch einmal eindringlich, bevor er sich wieder Ravanna zuwandte. Er bedeutete ihr, mit ihm ein paar Schritte zur Seite zu gehen, damit sie außer Hörweite von Mera und der sie noch immer beobachtenden Menge ungestört verhandeln konnten.
„Du sagst also, du willst mir das Doppelte zahlen, was ich an Mera zu zahlen habe?“
„Ja. Ganz richtig.“
„Das ist ja schön und gut. Aber ich hatte bereits meine Pläne mit dem Menschensohn. Wenn du verstehst, was ich meine. Und ich weiß nicht, ob ich diese Pläne wirklich einfach so aufgeben möchte.“
Er sah die schöne, junge Halbhexe nun mit lüstern aufleuchtendem Blick an.
„Es gibt für jemanden wie mich schlussendlich nicht oft eine solche Gelegenheit. Du konntest dich ja eben mit eigenen Augen von der übrigen, Ware überzeugen, die hier angeboten wird. Ein solches Prachtexemplar wie der da oben auf der Tribüne kommt an einem Ort wie diesem nicht oft unter den Hammer. Da sieht man auch schon mal vom Geschlecht des Angebotenen ab. Obwohl mir natürlich ein durch und durch weibliches Wesen, wie du es ohne jeglichen Zweifel bist, hundertmal lieber wäre. Doch man nimmt, was man kriegen kann.“
Seine Blicke glitten bei diesen Worten noch einmal genüsslich über Ravannas schlanke Gestalt, hingen eine ganze Weile wie hypnotisiert auf ihren üppigen Brüsten fest, bevor er ergänzte: „Aber ich