a) Teilhabe an der Verwirklichung eines Stückes des Auftrags der Kirche
Nach der Rechtsprechung des BVerfG können sich auch Vereinigungen, die sich „(…) nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben“ auf die Religionsfreiheit berufen.554 Entscheidend sei, dass die Einrichtung die Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkündigung des Glaubens ihrer Mitglieder bezweckt.555 Das gilt konsequenterweise auch für das Selbstbestimmungsrecht: In einer vergleichsweise jungen Entscheidung von 2014 schob das BVerfG556 der zwischenzeitlich restriktiven Auslegung des religionsverfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts insbesondere durch das BAG einen Riegel vor.557 Das BVerfG betonte jüngst erneut, dass es gerade Aufgabe der Kirchen sei zu bestimmen, was „(…) die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, welche Anforderungen für die „Nähe“ zu ihnen bestehen und schließlich, was die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind.558 Neben dem Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes zählen hierzu auch der missionarisch-diakonische Auftrag nach dem Selbstverständnis der Kirchen.559 Eine enge ökumenische Zusammenarbeit spiegelt die Auffassung sowohl der katholischen Kirche als auch der evangelischen Kirchen wider. Die Verfolgung des gemeinsamen Auftrags beruht in beiden Konfessionen auf einem tiefen theologischen Fundament. Insofern handelt es sich um einen originären kirchlichen Zweck, der hiermit verfolgt wird.
b) Neutralitätspflicht des Staates
Man könnte die Vorgabe des BVerfG, wonach eine Einrichtung der Kirche zugeordnet wird, sofern sie berufen ist, „(…) ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen“560, so verstehen, dass es gerade einer Zuordnung zu einer (einzigen) Kirche bedarf. Ein solches Verständnis würde der Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser und konfessioneller Neutralität widersprechen und kann nicht vom BVerfG intendiert sein. Würde der Staat eine Zuordnung zu einer Kirche fordern, wären sowohl Zusammenschlüsse als auch bloße Kooperationen ausgeschlossen. Damit würde er vorgeben, dass es keine Veränderungen des status quo der Religionsgemeinschaften geben kann. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil argumentiert das BVerfG bei der Ausdeutung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche nicht konfessionell – vielmehr mit der „christlichen Religiosität“.561 Staatlichen Gerichten steht es nicht zu darüber zu befinden, welche Verhaltensweisen nach dem jeweiligen Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft ge- oder verboten sind. Diesen obliegt die Formulierung der Eigenart des kirchlichen Dienstes, also das kirchliche Proprium.562 Maßgeblich ist also das Selbstverständnis der Kirche.563 Entspricht es also dem Selbstverständnis der jeweiligen Kirche, eine ökumenische Einrichtung gemeinsam mit einer anderen Kirche zu betreiben, kann ihr das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht nicht versagt werden.
2. Rechtsprechung der Arbeitsgerichte
Die Frage der Reichweite des Selbstbestimmungsrechts wird im arbeitsrechtlichen Kontext im Zusammenhang mit § 118 Abs. 2 BetrVG virulent. Bisher haben die Arbeitsgerichte sich nicht zur Anwendbarkeit des Selbstbestimmungsrechts auf ökumenische Einrichtungen positioniert. Möglicherweise können jedoch Rückschlüsse aus ihrer Rechtsprechung zur Frage der Zuordnung verselbstständigter Einrichtungen der Kirchen im Allgemeinen und weltlich-kirchlicher Einrichtungen im Speziellen gezogen werden.
a) Zuordnung verselbstständigter Einrichtungen
Neben dem BVerfG hat sich auch das BAG mit den Anforderungen an die Kirchlichkeit von Einrichtungen auseinandergesetzt. Dabei sind in der Vergangenheit mehrere Brüche in seiner Rechtsprechung erkennbar: In einer Entscheidung von 1975 rekurrierte das BAG für die Zugehörigkeit einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft auf deren „tatsächliche Verbundenheit“.564 Das Gericht forderte ein Tätigwerden der Einrichtung unter Verwaltung und Aufsicht kirchlicher Organe.565 Diese Anforderung sah das BVerfG allerdings als Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts an und hob die Entscheidung zwei Jahre später auf.566 Unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben kam es zu einer Rechtsprechungsänderung des BAG. Nunmehr stellte es nicht mehr auf die organisatorische oder institutionelle Verbindung zur Kirche ab; maßgeblich sei, dass es sich bei der Zwecksetzung der Einrichtung um eine Wesens- und Lebensäußerung der Kirche handele.567 Wie auch das BVerfG568 betonte das BAG in der Folgezeit, dass es für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche nicht entscheidend auf deren Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung ankomme.569
Eine erneute Rechtsprechungsänderung zeichnete sich im Jahr 1988 ab. Das BAG entschied abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung, dass es nicht genüge, wenn die Religionsgemeinschaft und die Einrichtung in einem näher zu bestimmendem Ausmaß institutionell verbunden seien oder sich die von beiden verfolgten Zwecke entsprechen. Vielmehr bedürfe es neben der Identität der Zwecksetzung eine „(…) noch näher zu bestimmenden verwaltungsmäßige Verflechtung“ bzw. ein „Mindestmaß an Ordnungs- und Verwaltungstätigkeit der Religionsgemeinschaft“.570 Entscheidend sei nach Ansicht des Gerichts, dass die Kirche die Möglichkeit habe, einen etwaigen Dissens zwischen ihr und der Einrichtung bei Ausübung der religiösen Tätigkeit zu unterbinden.571 Dabei müsse der ordnende und verwaltende Einfluss der Kirche allerdings nicht maßgeblich oder beherrschend sein.572 Nach Ansicht des BAG ist demnach keine mehrheitliche kirchliche Beteiligung erforderlich.
b) Parallele: Zuordnung weltlich-kirchlicher Einrichtungen
Möglicherweise können aus den – wenn auch spärlichen – Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit zu weltlich-kirchlichen Einrichtungen Rückschlüsse auf ökumenische Einrichtungen gezogen werden. So hatte das Gericht im Fall des Zusammenschlusses eines weltlichen und eines kirchlichen Trägers für ein Krankenhaus in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH mit jeweils 50%iger Beteiligung des kirchlichen Trägers und einer Kommune zu entscheiden, ob sich die Einrichtung auf das religionsverfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht berufen kann. Es ging um die Frage, ob es sich bei dem Unternehmen um eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft i.S.d. § 118 Abs. 2 BetrVG handelt. Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung stellt das BAG darauf ab, dass für eine Zuordnung einer rechtlich selbstständigen Einrichtung zur Kirche die Einrichtung gemäß ihrem Zweck auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet sein müsse. Entscheidend sei, dass die Amtskirche über das erforderliche Mindestmaß an Einflussmöglichkeit auf die Einrichtung verfüge.573 In der in Rede stehenden Entscheidung bejahte das BAG eine Zuordnung letztlich, weil die gesamte Einrichtung – d.h. trotz Beteiligung eines religiös-weltanschaulich neutralen staatlichen Rechtsträgers – dem kirchlichen Proprium verpflichtet war. Aufgrund der Satzung, welche die Gesellschaft als kirchlich und dem Auftrag Jesu Christi verpflichtet auswies, sei die Gesellschaft der Kirche zugehörig, so das BAG. Sofern die Arbeitgeberin nach ihren Statuten zweifelsfrei der Verwirklichung des christlichen Auftrags verpflichtet sei, sei unerheblich, wenn dies bei einem oder mehreren Anteilseignern bzw. Gesellschaftern nicht der Fall sei.574 Aufgrund der Mitgliedschaft im DW war eine institutionelle Einflussnahme durch die evangelische Kirche gewährleistet, sodass sich die Einrichtung auf das Selbstbestimmungsrecht berufen konnte.575
In einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2013 urteilte das LAG Mecklenburg-Vorpommern ähnlich.576 Auch in diesem Fall ging es um eine von Landkreis und kirchlicher Stiftung gemeinsam getragene Einrichtung. Das LAG stellt ebenso wie das BAG maßgeblich auf die formelle Zuordnung zur Kirche und deren materielle Einflussnahme ab. Dabei sei es nicht entscheidend, dass sich der kirchliche Einfluss auf mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile erstreckt.577 Der hälftige Einfluss auf die Gesellschaftsanteile könne ein Verlassen