Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz. Markus Mäurer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Markus Mäurer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039059942
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       Qualitätsentwicklung als strategische Aufgabe des Bundes.

      Beim «Innovationsrat» handelte es sich gemäss Gesetzesentwurf des Bundesrates um ein neu zu schaffendes Organ, das in der Folge dann jedoch wieder gestrichen wurde. Der Innovationsrat wäre der bereits bestehenden Berufsbildungskommission beigeordnet gewesen und hätte eine bedeutende Steuerungsfunktion auf Bundesebene ausüben sollen. Die Idee zu einem solchen «Koordinationsforum», das auch unter dem Namen «Berufsbildungsrat» diskutiert wurde, geht auf eine Motion von Nationalrat Erich Müller und 63 Mitunterzeichnende vom 26. Juni 1998 zurück (Amtliches Bulletin, NR-Sitzung vom 9. Oktober 1998, 98.3341). Hauptanliegen war es, «die dringend notwendige vertikale und horizontale Durchlässigkeit der nationalen, kantonalen und kommunalen Bildungsstätten» und damit die Mobilität der Auszubildenden zu fördern. Dazu brauche es eine Steuerung und Moderation der Berufsbildungspolitik auf nationaler Ebene, und diese, so die Motionäre, «könne nur beim Bund – im Schosse des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) – liegen».

      Der Innovationsrat beziehungsweise der Berufsbildungsrat gehörte, wie bereits erwähnt, zu den besonders umstrittenen Entwurfsbestimmungen in der Vernehmlassung. Die Zusammensetzung und Entscheidungsbefugnisse dieses Gremiums und seine Legitimität wurden heftig diskutiert; auch bezüglich der Anzahl der Mitglieder, also in der Frage, ob breite Repräsentivität oder effiziente Entscheidungsfähigkeit Priorität haben sollte, herrschte Uneinigkeit. Die Botschaft des Bundesrates spricht mit Bezug auf den Innovationsrat von einer Plattform, bestehend aus sieben bis elf vom Bundesrat ad personam gewählten, die vielfältigen Interessen in der Berufsbildung repräsentierenden Personen (Schweizerischer Bundesrat, 2000). Dem Rat sollten in dieser Konzeption bedeutende Aufgaben für die «zukunftsorientierte Entwicklung der Berufsbildung» (S. 5730) zukommen, die hauptsächlich über das Austesten von Innovationsprojekten voranzutreiben wäre. In der parlamentarischen Überprüfung des Gesetzestextes schlug die Mehrheit der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des erstbehandelnden Nationalrates einen Berufsbildungsrat von bis zu fünfzehn vom Bundesrat ernannten Vertretern aus den Reihen von Bund, Kantonen, OdA und Wissenschaft unter der Leitung des BBT-Direktors vor; für drei Mitglieder sollten die Kantone ein Vorschlagsrecht haben (Amtliches Bulletin, NR-Sitzung vom 6. Dezember 2001, 00.072).

      Die Institutionalisierung der neuen Steuerungsinstanz scheiterte schliesslich am Ständerat. Dessen vorberatende WBK-Kommission sprach sich dezidiert dagegen aus: «Wir wollen kein Organ, das neben Bundesrat, Parlament, BBT und Berufsverbänden irgendwelche weiteren Entscheidungsbefugnisse hat» (Amtliches Bulletin, SR-Sitzung vom 26. November 2002, 00.072); zudem existiere mit der Berufsbildungskommission bereits ein beratendes Organ des BBT und des Bundesrates.

      Tatsächlich ist im BBG 2002 weder ein Innovations- noch ein Berufsbildungsrat erwähnt. De facto wurde aber die Idee, einem beratenden Gremium auf Bundesebene eine gewisse Steuerungsmacht zu verleihen, zumindest partiell verwirklicht. Aufgaben, die jener Rat hätte übernehmen sollen – die Beurteilung von Beitragsgesuchen und von Projekten zur Entwicklung der Berufsbildung oder im Bereich von Forschung, Studien und Pilotversuchen –, wurden nun nämlich der bereits bestehenden Eidgenössischen Berufsbildungskommission (Art. 69, 70) übertragen.

      Diese Aufgaben stehen in engem Zusammenhang mit der Neuregelung der Finanzierung (BBG, 2002, Art. 52–59) (vgl. den Beitrag von Markus Maurer in diesem Band, S. 61ff.), einer der wesentlichsten Reformen mit Bezug auf die Steuerung der Berufsbildung. Umfangmässig sollte der Anteil des Bundes an den Kosten der öffentlichen Hand von bis anhin gut 15 auf 25 Prozent angehoben werden.5 Hinzu kommt ein neuer Berechnungsmodus. An die Stelle der bisherigen, am Aufwand gemäss anrechenbaren Kosten (hauptsächlich plafonierte Lehrerlöhne und Schulmaterial) orientierten Subventionierung tritt ein System aufgabenorientierter Pauschalen (leistungsorientierte Lehr- beziehungsweise Ausbildungsvertragspauschalen); die Vergütung von Leistungen Dritter durch den Bund erfolgt hierbei über die Kantone. Neu ist schliesslich die gezielte Förderung von Innovationen (insbesondere Projekte zur Entwicklung der Berufsbildung und Qualitätsentwicklung) sowie von «besonderen Leistungen im öffentlichen Interesse». Hierfür sind insgesamt zehn Prozent der Bundesgelder bestimmt. Die Vergabe dieser Mittel und damit der Entscheid, welche Projekte gefördert werden, erfolgt aufgrund der Beurteilung durch die oben genannte Berufsbildungskommission.

      Zwei weitere steuerungsrelevante und in Zusammenhang mit der Berufsbildungskommission und der Finanzierung stehende Aufgabenbereiche stellen Forschung und Qualitätsentwicklung dar. Bezüglich Berufsbildungsforschung lässt sich bereits in der «Botschaft des Bundesrates über die Förderung der Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2000–2003» (Schweizerischer Bundesrat, 1998)6 die Absicht zu einer Offensive feststellen. Im Zentrum steht der «Aufbau der applikationsorientierten Berufsbildungsforschung», und zwar zum einen am Schweizerischen Institut für Berufspädagogik (SIBP) (heute Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung, EHB) und zum andern auch in ausgewählten Hochschulinstituten7. Die anvisierte Berufsbildungsforschung soll die «Berufsbildungspolitik jeweils zugeschnitten auf die Bedürfnisse der verschiedenen Akteure mit empirisch gestützten Daten über die Berufsbildung, mit Prognoseinstrumenten, Trendberichten sowie mit Evaluationen von Teilen des Berufsbildungssystems» unterstützen. Als ein neuer Schwerpunkt wird die Erforschung der Lernleistungen der Bildungsteilnehmenden und der daraus resultierenden Folgewirkungen auf dem Arbeitsmarkt genannt (Schweizerischer Bundesrat, 1998, S. 364). Erste Priorität kommt somit insgesamt der Sammlung und wissenschaftlichen Aufbereitung steuerungsrelevanter Daten und Information zu, und zwar als Grundlage der genannten vom Bund auszugestaltenden evidenzbasierten Berufsbildungspolitik.

      Eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Steuerungsfunktion, die der angewandten Forschung und Qualitätsentwicklung in der Berufsbildung neu zukommen soll, spielt das Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB), das 2007 aus dem SIBP hervorgegangen ist. Das EHB ist weiterhin zur Hauptsache in der Aus- und Weiterbildung von Berufsbildungsverantwortlichen, insbesondere von Lehrkräften, tätig; als unabhängiges Institut auf Hochschulstufe übernimmt es nun zudem Aufgaben im Bereich der Akkreditierung von Berufsbildungsmodulen, der angewandten berufspädagogischen Forschung sowie der «Qualitätsentwicklung als Steuerungsinstrument der Berufsbildungspolitik insbesondere bezogen auf Berufsschulen (z. B. Entwicklung von Standards, Qualitätsmodellen, Indikatoren für Effizienzprüfungen)» (Schweizerischer Bundesrat, 2000, S. 5735).

      Die aufgezeigte Tendenz hin zur evidenzbasierten und an den Outcomes bzw. am Output orientierten Steuerung des Bildungssystems hat – wie die Diskussion der vergangenen zehn Jahre rund um Bildungsstandards und Kompetenzen zum Ausdruck bringt – ihre Entsprechung auf der Ebene der Bildungsprozesse. Dieser Trend hat sich in Teilen auch in der Neukonzeption der Bildungsverordnungen mit den dazugehörigen Bildungsplänen (und Qualifikationsprofilen), das heisst deren Ausrichtung an Leistungszielen und Handlungskompetenzen (BBT, 2007), niedergeschlagen. Zu verweisen ist im Zusammenhang mit der Output-Orientierung aber vor allem auch auf die neuen Bestimmungen im Bereich der Prüfungen und Abschlüsse, die einer Abkoppelung der Qualifikationsverfahren von formalen Bildungswegen entsprechen.

      Bildungspläne mit ihren curricularen Bestimmungen und Leistungsanforderungen regeln Inhalte und Aufbau der beruflichen Grundbildung mit Bezug auf sämtliche drei Lernorte; sie stellen somit ein klassisches Steuerungsinstrument dar und sollen im nächsten Kapitel ausführlicher zur Sprache kommen. Thematisiert wird allerdings nicht deren Inhalt oder Konzeption (vgl. hierzu den Beitrag von Markus Maurer und Silke Pieneck in diesem Band, S. 81ff.), sondern – anknüpfend zugleich an das vorangehende Kapitel – die Regeln der Erarbeitung der Bildungspläne.

       Vom BBG zum Masterplan

      Die Revision der Bildungsverordnungen als Teil der Politikumsetzung

      Die Formulierung institutioneller Regeln der Berufsbildung erfolgt auf Bundesebene mittels Rahmengesetz und dazugehörigen Ausführungsbestimmungen, wie sie in der aktuellen Berufsbildungsverordnung (BBV 2003) enthalten sind. Der Vollzug bleibt über weite Strecken den Kantonen überlassen, die ausgehend von den bundesrechtlichen Bestimmungen kantonale Berufsbildungsgesetze und -verordnungen erlassen. Über je eigene kantonale Behördenarrangements üben sie die Aufsicht über die berufliche Grundbildung aus, vollziehen Bildungsverordnungen