Interkultureller und interreligiöser Dialog stehen, seit dem 11. September 2001 zumal, stets unter dem Vorzeichen ihres Beitrags zur „Integration“, was auch immer näher mit dieser schillernden Kategorie gemeint sein mag. Sicherheit und gedeihliches Zusammenleben, gerechte Lebens- und Entwicklungschancen, die Freiheit der Religionsausübung, alles dieses und vieles mehr, sind Grund genug, sich um Integration zu bemühen; eine ausreichende Begründung für die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts, für die Ausbildung von Imamen in deutscher Sprache und an deutschen Universitäten, erst recht für die Einrichtung islamisch-theologischer Institute und Zentren für Islamstudien als Teil des deutschen Hochschulwesens sind sie nicht. Universitäten haben die Aufgabe der Wissensgenerierung und der wissenschaftlichen Forschung und Lehre; wenn nicht ausweisbar ist, dass islamische Theologie an deutschen Universitäten diesem allgemeinen Anspruch der Universität entspricht, gehört sie, trotz ihres integrativen Potentials, nicht an eine Universität. (Damit ist nicht gesagt, dass universitäre Bildung nicht auch zur Integration beitragen kann; dieser Nebeneffekt wäre sehr erwünscht, kann aber nicht Grund und Ziel für die Einrichtung theologischer Institute sein.) Vielmehr hat die Universität Osnabrück, mit ihrer Festlegung des Profilelements Imamausbildung im Hochschulentwicklungsplan, dem Rechnung getragen, was der Wissenschaftsrat im Januar 2010 als Empfehlung zur Einrichtung von Zentren für islamisch-theologische Forschung konzeptionell bestätigt, „an zwei bis drei staatlichen Universitäten, an denen bereits andere religionsbezogene Wissenschaften etabliert sind, institutionell starke Einheiten für islamische Studien aufzubauen. Diese sollten Zentren islamisch-theologischer Forschung werden und eine zentrale Rolle bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in islamischen Studien spielen. Zugleich übernehmen sie die Aufgabe, islamische Religionslehrer und -lehrerinnen auszubilden, und ermöglichen darüber hinaus eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung von Religionsgelehrten im staatlichen Hochschulsystem. Um die dazu erforderliche Zusammenarbeit zwischen staatlichen Hochschulen und muslimischen Glaubensgemeinschaften auf eine verlässliche Grundlage zu stellen, schlägt der Wissenschaftsrat vor, an den entsprechende Studiengänge anbietenden Hochschulen theologisch kompetente Beiräte für islamische Studien einzurichten, die bei der Berufung von Professoren und Professorinnen sowie bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Lehrangebots mitwirken“ (Wissenschaftsrat 2010, 7f).
Dialog, Kooperation oder mehr? Islamische Theologie als Herausforderung an die christlichen Theologien
Die Frage nach dem Beitrag der christlichen Theologien zur Etablierung einer islamischen Theologie an deutschen Universitäten stellt sich längst im Kontext eines gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Rechtfertigungsdrucks, der bis zur Bestreitung der Legitimation von wissenschaftlicher Theologie überhaupt und damit ihrem Ort an der Universität geht.
Theologie als Wissenschaft muss ausweisen, was sie gesellschaftlich und wissenschaftlich Unverzichtbares leistet, das ihre Jahrhunderte alte universitäre Beheimatung auch zukünftig sichert. Der Rekurs darauf, dass sie historisch nachweislich zum Kernbestand der europäischen Universitäten gehört, reicht dazu keineswegs aus.
Um so interessanter fällt das Plädoyer des langjährigen Präsidenten der DFG und der Alexander von Humboldt-Stiftung, Wolfgang Frühwald, aus, der eine gefährliche Entkoppelung von Religion und Theologie konstatiert, verbunden mit einem Zunehmen von Fundamentalismen: „Die breite Abkehr von der Vernunft, die sich in keinem Wertbereich deutlicher zeigt als im Umgang mit dem Begriff und der Wirklichkeit Gottes, könnte als eine Krise der Theologie ausgelegt werden. In Wahrheit belegt sie eine Krise der Gesellschaft, die den bedrohlichen Wellen des Irrationalismus und eines totalitär gewordenen Lebensgenusses nichts entgegen zu setzen hat als das angebliche Allheilmittel eines entleerten Bildungsbegriffes und die Vorstellung, durch indifferentes Gerede und öffentlich zur Schau gestellten Zynismus werde alles besser“ (Frühwald 2010, 242). Seine These lautet entsprechend, mit der Eliminierung der wissenschaftsgestützten Frage nach Gott, verbunden mit einem Trend zur kulturellen Devilierung, entstünden Lehrstellen in Universität und Gesellschaft, die von fundamentalistischen Strömungen besetzt werden und auf längere Sicht das freiheitliche Fundament der demokratischen Kultur und Gesellschaft selbst gefährden.
Das allerdings fordert von den christlichen Theologien, sich als Vernunftgeleitete zu vollziehen, methodisch und systematisch und intersubjektiv überprüfbar Ergebnisse zu gewinnen, kritisch-reflexiv sich religiösen Überlieferungen und dem interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs zu stellen. Der Wissenschaftsrat bezieht sich auf den „oparken Kern der Religion“ (J. Habermas), mithin darauf, „dass es unverfügbare Erfahrungen gibt, die sich so rationalisieren lassen, dass es sie nur in der Form der Unverfügbarkeit geben kann“ (Striet 2010, 453). Nun kann es nicht allein Aufgabe der Theologie sein, sich angesichts des Naturalisierungsdrucks in den Wissenschaften, dem Phänomen des Unverfügbaren zu stellen; das ist auch Aufgabe etwa von Philosophie und Ethik. Aber die Empfehlungen des Wissenschaftsrats fordern die Theologie geradezu auf, das Feld der Universität nicht den Naturalisten oder den ökonomisch Interessierten allein zu überlassen. (vgl. Striet 2010, 453) Universitäten müssen ein wissenschaftliches Interesse daran haben, dass die akademische Selbstreflexion religiöser Überlieferungen in ihnen als den maßgeblichen Wissenschaftsinstitutionen verankert bleibt: „Neben den ethisch-normativen Problemen, die sich aus der Dynamik von Forschung und damit einhergehenden Fragen der gesellschaftlichen Anwendungen von Forschungsresultaten ergeben, können, so die Empfehlungen, die Theologien einen grundsätzlichen Beitrag leisten: Dass nämlich das Bewusstsein von der Kontingenz menschlichen Handelns und vor allem das Bewusstsein von den Grenzen einer – wie es die Empfehlungen formulieren – ‚wissenschaftsförmigen Selbstdeutung des erkennenden Menschen’ aufrecht erhalten bleiben.“ (Striet 2010, 454)
Vor diesem Hintergrund und auf diesem Niveau muss islamische Theologie an deutschen Universitäten aufgebaut werden. Interdisziplinarität, ein konstruktiver und fruchtbarer Austausch von Methoden und Erkenntnissen mit der Islamwissenschaft, Orientalistik und Religionswissenschaft, sowie mit den christlichen Theologien ist dabei unbedingt notwendig und innovativ. Solche Kooperationen gibt es beispielsweise in den theologischen Fakultäten der Türkei nicht; mehr oder weniger wird in allen Teilen der islamischen Welt interdisziplinär nicht, etwa mit Soziologie oder Psychologie und Philosophie, kooperiert. Der Aufbau von „Zentren für islamische Studien“ an deutschen Universitäten generiert mit der interdisziplinären Zusammenarbeit in den Curricula der Studiengänge, in der Religionslehrerinnen und -lehrerbildung und in der Imamausbildung, sowie vor allem in der Forschung, einen „neuen Typ islamischer Theologie“: „Aus der heutigen Begegnung wird sich in Zusammenarbeit mit nichtislamischen Disziplinen eine wissenschaftliche, traditionskritische und funktionelle Theologie durchsetzen, die den Weg für ein tolerantes, selbstkritisches und rationalistisches Islamverständnis in Europa ebnen wird“ (Sarikaja 2010, 43).
Die Brisanz eines solchen neuen Wissenschaftsverständnisses ist innerislamisch keineswegs unstrittig; erschwerend kommt hinzu, dass die islamische Religion stets auch „Lehre von den der Religion inhärenten