Die Seele der Kirche ist im Horizont der biblischen Botschaft die Einheit der Menschen- und Gottesliebe. (vgl. Karl Rahner) Kirche wird als solche da erfahren, wo Menschen sich miteinander auf den Weg und die Botschaft Jesu einlassen, und wo in unserem persönlichen und gesellschaftlichen Alltag von jener neueren und größeren Liebe und Hoffnung etwas gelebt und erfahren wird, von denen uns die biblischen Urkunden des Glaubens erzählen. Kirche wird demzufolge durch menschliche Beziehungen und Kommunikation zum anschaulichen Hinweis auf das anbrechende Reich Gottes. Konkret verleiblicht sich Kirche in unterschiedlichen Lebenskontexten und biographischen Abläufen als Volk des Gottes Jesu und als „Zeichen und Sakrament der Einheit mit Gott und der Einheit der Menschen untereinander“ (Lumen gentium 1) wie auch als empirisch zugängliche Gemeinschaft und als vernetzende Organisation. Somit hat sie gleichsam zwei Plattformen: die Menschenfragen und die Gottesfrage(n). Sie sind nicht zu trennen. Ansonsten drohen von beiden Ebenen her immer wieder Bodenlosigkeit, Realitäts-Verlust oder Gottes-Verlust. Somit wird Kirche insofern glaubwürdig und mystisch-spirituell einladend, als sich ihre Sozialformen und ihr pastorales Mühen immer wieder zur christlichen Tiefen-Dimension konvertieren. Dann wird sie zum Erlebnisraum gelebten Christseins. Sie muss dann nicht krampfhaft Gottes Handeln an ihre eigenen Bedingungen knüpfen. Sie kann in ihrer Selbstevangelisierung als Konversion zur christlichen Tiefe offen und gelassen werden, weil sie Gott nicht ängstlich zu klein denkt, sondern immer größer als alle unsere eigenen Möglichkeiten mit ihren Chancen und Tücken. Dann wird Kirche ökumenisch und offen für andere Religionen; sie wird dialogisch und heilend; sie wird politisch engagiert im Kontext von sozialer Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde und Solidarität; sie wird eine Gemeinschaft von Pilgern auf dem Weg und nicht von passiven Passagieren im Kirchenkahn; sie wird Weite in den Realitäten des Lebens gewinnen, weil sie sich der Tiefe ihrer Hoffnung im Vertrauen auf Gott aussetzt und hingibt; sie wird nicht der volkskirchlichen Pastoral des Erntens nachjammern, sondern ihre Sendung heute als Zeit des Säens wagen; sie wird Mut und Phantasie aufbringen, im Leben daheim zu sein und dort ihr „Adsum“ zu wagen; sie wird die einzelnen wohl selber gehen lassen, aber nicht alleine lassen, sondern gemeinsam den Weg suchen und gehen lassen.
So wird sich der Kirche die Einsicht als Auftrag und als Entlastung schenken, dass sie einer Liebe dient, die sie nicht selber erfüllen muss und kann. Gott ist immer größer.
Literatur
Mette, N., Art. Evangelii nuntiandi, in: LThK3 3 (2001), 1031.
Martina Blasberg-Kuhnke
Dialog – Trialog – oder mehr?
Islam in Deutschland und die Zukunft der Theologien in praktisch-theologischer Perspektive
Imamausbildung als Profilelement
„Imame sind religiöse Repräsentanten und Leiter der islamischen Gemeinden und stellen eine theologische Instanz als Hauptakteure der religiösen Dienste und als lokale Vertreter der islamischentheologischen Gelehrsamkeit dar. Als theologisches und pastorales Fachpersonal erfüllen sie gottesdienstliche Aufgaben, vertreten den Islam nach außen und verantworten die religiös-ethische Bildung der Gemeindemitglieder. Akademische Kenntnisse der islamischen Wissenschaften und der islamischen Theologie, quantitativ und qualitativ vergleichbar mit der Ausbildung von Theologinnen und Theologen für pastorale Berufe in den christlichen Theologien, sind zur Wahrnehmung dieser Aufgaben unabdingbar.
Die Universität Osnabrück ist beteiligt an einer ‚ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Imamausbildung’, die auf Initiative des (niedersächsischen) Innenministerium eingerichtet wurde und an der auch das Kultusministerium, das Wissenschaftsministerium sowie anerkannte Fachvertreterinnen und -vertreter aus Islamwissenschaften, Religionswissenschaften und islamischen wie christlichen Theologien beteiligt sind. Diese Arbeitsgruppe hat den Auftrag, im Dialog mit weiteren Expertinnen und Experten, die (Aus-)Bildung von Imamen für muslimische Gemeinden in Deutschland, vorrangig in Niedersachsen, zu konzipieren.
Ziel ist es, in den nächsten drei bis vier Jahren einen islamwissenschaftlich-theologischen Bachelor-Studiengang einzurichten. Dazu bedarf es eines Instituts mit mindestens vier weiteren Lehrstühlen mit einer Ausstattung, die das Land Niedersachsen einzurichten hätte. Zudem soll eine Fortbildung für Imame, die bereits ein Theologiestudium im Ausland absolviert haben, innerhalb eines Jahres entwickelt werden. Damit wird, in enger Kooperation mit dem interdisziplinären ‚Zentrum für Interkulturelle Islamstudien’ (ZIIS) und dem Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik ein bundesweit einmaliges Islam-Theologisches Institut eingerichtet. Es wäre das erste islamischtheologische Institut an einer deutschen Hochschule und ein qualitativ entscheidender Schritt in der interreligiösen Kooperation mit dem Islam auf wissenschaftlicher Ebene.“ (Universität Osnabrück 2009, 41) Als die Universität Osnabrück im Sommersemester 2009 ihren Hochschulentwicklungsplan im Senat, Hochschulrat und Präsidium verabschiedet hat und als erstes angestrebtes Profilelement für die unmittelbare Zukunftsentwicklung die Imamausbildung benannt hat, war damit eine Entscheidung in einem Prozess gefallen, der eine Entwicklung über mehr als 10 Jahre dokumentiert, zugleich stets diskussionswürdig und nicht unstrittig war.
Kompetenz in Migrationsforschung und Interkultureller Pädagogik und die Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern, bekennenden Muslimen und Muslima, zunächst in einem Bund-Länder-Kommissionsprojekt für Grundschulen im Lande Niedersachsen, engagiert mitgetragen von den Instituten für Katholische und Evangelische Theologie, besonders der Religionspädagogiken, bilden ein Umfeld, in dem eine solche wissenschaftliche Begegnungskultur gewagt werden kann. Der langjährige Leiter des Instituts für Migrationsforschung an der Universität Osnabrück, Klaus Bade, beschreibt die Herausforderung ungeschönt: „Bewegungen von Menschen über Grenzen können zu kultureller Bereicherung führen. Aber erstens muss das nicht so sein und zweitens ist der Weg zu solcher Bereicherung nur im sozialromantischen Märchen eine fröhliche Rutschbahn in ein buntes Paradies. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit war und ist die interkulturelle Herausforderung oft auch bestimmt durch Spannung, Reibung und Konflikt, in aller Regel nur auf Zeit – aber das tröstet diejenigen wenig, die in der entsprechenden Zeit leben“ (Bade 2005, 8). Treffender kann man die Spannung zwischen Begegnung und Bereicherung auf der einen Seite und Ängsten und Konflikten auf der anderen, die mit Migration, Zuwanderung und Einwanderung in vielen europäischen Ländern verbunden sind, kaum schildern. Migrantinnen und Migranten und (oft schon vor Generationen) zugewanderte Ausländerinnen und Ausländer stammen in den deutschsprachigen Ländern Europas mehrheitlich aus der Türkei. Sie bringen ihre Kultur und Kulturen und, als deren integralen Teil, ihre Religion mit: den Islam. Migration und Islam in Deutschland haben miteinander zu tun – aber sie sind nicht einfach in eins zu setzen. Ohne Frage rückt der Islam nicht nur ins Blickfeld der europäischen Debatte, zunehmend geht es eben genau um die „mitgebrachte“ Religion, den Islam selbst. „Weder eine ästhetisierende Verharmlosung des Phänomens seiner Präsenz noch eine polemisch und Panik produzierende Dramatisierung sind für eine Auseinandersetzung hilfreich.“ (Eggensperger 2005, 4)
Begegnung wagen – Islam in Europa
Es gibt viele gute Gründe, die Herausforderung der Verständigung der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen im Dialog oder genauer im Trialog der abrahamischen Religionen aufzunehmen, um zusammen eine europäische Friedensgemeinschaft und ein demokratisches, auf den Menschenrechten basierendes Europa aufzubauen. Was Hans Küng schon vor Jahren in seinem „Projekt Weltethos“ der Menschheitsfamilie in der Einen Welt ins Stammbuch geschrieben hat, wird für den Aufbau eines demokratischen Europa mit seinen Religionen konkret: Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden und Dialog unter den Religionen. (vgl. Küng/Kuschel 21996)
Konkreter im Blick auf die Lebenssituation der über 3,2 Millionen Muslime in Deutschland,