Bei korrekt ausgeführter Stellung kontrahieren auch die tiefe Rückenmuskulatur (Tranversalis etc.) und andere starke Rückenstrecker (z. B. Erector spinae), um die Wirbelsäule zu strecken. In diesem Fall sind alle kontrahierenden Muskeln Agonisten, und ihre Antagonisten sind die ihnen jeweils gegenüberliegenden Muskeln – die Hüftstrecker (Gluteus maximus und hintere Oberschenkelmuskulatur), Kniebeuger (hintere Oberschenkelmuskulatur) und Wirbelsäulenbeuger (Bauchmuskeln).
Im Schultergelenk halten die Armbeuger (oberer Pectoralis major, vorderer Deltamuskel, Bizeps und Korakobrachialis) die Arme gegen die Schwerkraft nach vorn ausgestreckt.
Stabilisierer: Der Psoas major agiert als Stabilisierer für das Becken und die Lendenwirbelsäule und als Synergist für den Iliacus bei der Beugung in der Hüfte. Andere Muskeln des unteren Rumpfes wie der Transversus abdominis und der Quadratus lumborum stabilisieren die Lendenwirbelsäule ebenfalls. Was aber machen die Bauchmuskeln? – Man spürt sie in dieser Stellung ja doch vernehmlich. Tatsächlich wirken der Rectus abdominis und die schrägen Bauchmuskeln stabilisierend. Sie „halten die Stellung“ und unterstützen die Lendenwirbelsäule.
Lösen der Stellung: Beendet man das Boot, müssen vor allem die Agonisten im Hüftbereich exzentrisch kontrahieren (nachgeben), um zu verhindern, dass die Beine einfach auf dem Boden aufschlagen. In anderen Worten: Sie kontrollieren die Bewegung, indem sie der Schwerkraft Widerstand leisten.
Gedehnt wird im Navasana hauptsächlich die hintere Oberschenkelmuskulatur, vor allem bei gestreckten Beinen. Bei nach vorn gestreckten Armen werden der Latissimus dorsi, Teres major und minor, Infraspinatus, hinterer Deltamuskel und Trizeps maßvoll gedehnt. Diese Muskeln liegen hinten (im Rücken) und strecken das Schultergelenk. Der Schultergürtel bleibt an seinem Platz.
Ein wichtiger Hinweis: Alle Muskeln können sowohl Agonisten als auch Antagonisten, Synergisten und Stabilisierer sein. Die Rolle des Muskels hängt von der ausgeführten Bewegung ab. Muskeln, die dieselbe Bewegung ausführen wie der Agonist, heißen Synergisten, wenn sie ihn unterstützen. Manchmal wird die Bezeichnung Neutralisierer bevorzugt, wenn ein Muskel durch seine Aktion eine unerwünschte Bewegung eines anderen Muskels unterdrückt. Meist ist dies ein Muskel, der zwei Gelenke kreuzt (biartikulärer Muskel).
Es ist sehr wichtig, zu wissen, welche Muskeln sich bei einem Asana anspannen (kontrahieren), welche Muskeln gedehnt werden und welche als Stabilisierer wirken, damit die Stellung gehalten werden kann.
Hebel
Mit einem Hebel kann Kraft übertragen, aber nicht erzeugt werden. Er besteht aus einem starren Stab, der sich über einen festen Punkt (Dreh- oder Angelpunkt) bewegt, oder, genauer, aus einer aufgewendeten Kraft, einem Widerstand und dem Drehpunkt. Knochen, Muskeln und Gelenke bilden im Körper ein Hebelsystem. Dabei bilden die Gelenke die Drehpunkte, die Muskeln wenden die Kraft auf und die Knochen tragen das Gewicht der zu bewegenden Körperteile. Hebel lassen sich nach der Lage des Drehpunkts, des Widerstands (der Last) und der Kraft zueinander in Klassen einteilen.
Bei einem Hebel der ersten Klasse sind Kraft und Last auf entgegengesetzten Seiten vom Drehpunkt positioniert. Bei einem Hebel der zweiten Klasse liegen Kraft und Last auf derselben Seite des Drehpunktes, und die Last liegt zwischen dem Drehpunkt und der Kraft. Auch bei einem Hebel der dritten Klasse liegen Kraft und Last auf einer Seite des Drehpunktes, aber die Kraft greift zwischen dem Drehpunkt und der Last an. Diese Art von Hebel kommt im menschlichen Körper am häufigsten vor.
Abb. 1.45: Beispiele für Hebel im menschlichen Körper, a) Hebel erster Klasse, b) Hebel zweiter Klasse, c) Hebel dritter Klasse
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2Rückenmarkssegment: Der Abschnitt des Rückenmarks, aus dem je ein Paar Spinalnerven entspringt (ein Paar entspricht je einem Nerv für die rechte und die linke Körperseite). Jeder Spinalnerv enthält Moto- und sensorische Neuronen. Kurz nachdem der Spinalnerv durch das Zwischenwirbelloch (die Öffnung zwischen zwei benachbarten Wirbeln) austritt, teilt er sich in den hinteren (dorsalen) und den vorderen (ventralen) Ast (lat. ramus). Fasern der hintern Äste innervieren die Haut und die Streckermuskeln von Hals und Rumpf. Die ventralen Äste versorgen die Extremitäten sowie Seiten und Front des Rumpfes.
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Die Atemmuskulatur
Die Atmung im Yoga
Die Atmung ist im Yoga von größter Bedeutung. Darin liegt einer der Hauptgründe für die tiefgreifende Wirkung von Yoga. (Beachten Sie, dass in diesem Buch bei jedem Asana unter „Wahrnehmung“ das Atmen an erster Stelle steht.) Durch das Beobachten des Atems verbindet Yoga Körper und Geist, und der Atem harmonisiert alle Vorgänge im Körper durch seine heilende, versorgende, reinigende und energetisierende Wirkung. Die erweckte Lebenskraft heißt prana, die schlafende Kraft kundalini. Im Yoga wird prana aufgewendet, um die schlummernde Energie zu wecken.
Im Sanskrit, der Sprache des Yoga, heißt die Atemarbeit pranayama. Sie ist das vierte Glied des achtgliedrigen Pfads des Yoga, wie er im Yogasutra von Patanjali beschrieben wurde. Mittels verschiedener Techniken kontrollieren wir den Atemfluss, die Atemfrequenz sowie die Luftmenge, die durch unsere Atemwege strömt. Dadurch können sich Körper und Geist mit dem Unbewussten verbinden. Wenn man Asanas praktiziert, wird die Atmung auf die Bewegung abgestimmt: Zum Einatmen gehört das Ausdehnen, zum Ausatmen das Loslassen. Das Einatmen (prana) nährt und heilt, das Ausatmen (apana: das, was ausleitet) ist der Ausscheidungsvorgang.3
Auch bei verschiedenen Entspannungstechniken setzt man die bewusste Atmung ein, damit der Verstand zur Ruhe kommen kann.
In meinem Buch Psoas-Training: Der große Lendenmuskel als Schlüssel zu körperlichem, seelischem und emotionalem Wohlbefinden habe ich beschrieben, wie der Psoas und unser wichtigster Atemmuskel, das Zwerchfell, am Solarplexus zusammentreffen. In dieser Zone rund um den Nabel auf Höhe der oberen Lendenwirbelsäule befindet sich ein zentrales Nervengeflecht. Energetisch finden wir hier auch das dritte Chakra (Manipura-Chakra), das ebenfalls in engem Zusammenhang mit unserer Atmung steht. Näheres zu den Chakren finden Sie in Kap. 5.
Das Atmen
Der Atmungsprozess besteht aus Einatmen und Ausatmen und regelt nicht nur die Sauerstoffzufuhr, sondern hat auch Auswirkungen auf den Fluss der Körpersäfte, die Leitfähigkeit der Nerven und das Energieniveau bis hinunter auf die Zellebene. Der Vorgang beeinflusst die verschiedensten Prozesse im Körper und läuft normalerweise ohne unser Zutun ab.
Das vegetative Nervensystem sorgt selbstständig dafür, dass sich das kuppelförmige Zwerchfell rhythmisch anspannt, wodurch Druck und Volumen im Brustraum zu- und abnehmen. Sobald man einatmet, lässt das Zwerchfell den Brustkorb und die Lungen weit werden. Den Impuls dafür gibt der Nervus phrenicus, indem er die zentrale Sehne des Zwerchfells zum Kontrahieren anregt. Diese Kontraktion beim Einatmen verringert den Druck im Brustraum und vergrößert das Volumen, sodass Luft einströmt. Beim Ausatmen kehrt sich das um: Der Brustkorb wird enger, wodurch der Druck zunimmt und die Luft wieder ausströmt.
Auch der Bauchraum spielt dabei eine Rolle: Die Form des Bauchs und die Krümmung der Wirbelsäule können sich verändern, denn das