Am Rande des Sturms: Das Schweizer Militär im Ersten Weltkrieg / En marche de la tempête : les forces armées suisse pendant la Première Guerre mondiale. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
Серия: ARES
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039199457
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Bulletin der Schweizerischen Bundesversammlung, 1912, S. 334.

      39 Bericht des Militärdepartements zur «Brotversorgung der Schweiz» vom 23. Oktober 1912. Im Protokoll der 92. Sitzung des Schweizerischen Bundesrates, 25. Oktober 1912.

      40 So befasste sich auch der Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartementes, Ludwig Forrer, vor allem mit Logistikfragen und forderte eine Verstärkung der Südrouten. Am 4. Oktober 1912 schrieb er an die Teilnehmer der Konferenz zur Sicherung der Brotversorgung: «Gelänge diese Verkehrsumleitung, so hätte die Schweiz den Vorteil, von mehreren Seiten her mit Getreide versorgt zu werden, was im Kriegsfall von grosser Bedeutung wäre. Den südlichen Routen müsste der Import von russischem und rumänischem Weizen zufallen, während den nördlichen Routen der zeitweise bedeutende Import von amerikanischem Weizen verbleiben würde.» Diplomatische Dokumente der Schweiz, S. 719, https://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc/60002165.pdf?ID=60002165

      41 Tanner, Geschichte der Schweiz, S. 134 f.

      42 Weber, Florian: Die amerikanische Verheissung. Schweizer Aussenpolitik im Wirtschaftskrieg 1917/18, Zürich 2016.

      43 Gautschi, Willi: Der Landesstreik 1918, Zürich 1988 (erstmals 1968; dritte Auflage mit einem Nachwort von Hans-Ulrich Jost), S. 183.

      44 Wegmüller, Hans: Brot oder Waffen. Der Konflikt zwischen Volkswirtschaft und Armee in der Schweiz 1939–1945, Zürich 1998, S. 176 und 179.

      45 Wegmüller, Brot oder Waffen, S. 15.

      46 Tanner, Jakob: Bundeshaushalt, Währung und Kriegswirtschaft. Eine finanzsoziologische Analyse der Schweiz zwischen 1938–1953, Zürich 1986.

      47 Wegmüller, Brot oder Waffen, S. 179.

      48 Wegmüller, Brot oder Waffen, S. 11.

      49 Vgl. dazu: Tanner, Geschichte der Schweiz, S. 319–329.

      50 Wegmüller, Brot oder Waffen, S. 179.

      51 Mantovani, Mauro: «Sicherheitspolitik», in: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8679.php.

      52 Schneider, Henrique; Bigler, Hans-Ulrich: «Rohstoffpolitik als Sicherheitspolitik» in: MILITARY POWER REVUE der Schweizer Armee 2 (2012), S. 36–48, hier S. 37.

      53 Schneider, Bigler, Rohstoffpolitik als Sicherheitspolitik, S. 36.

      54 Schneider, Bigler, Rohstoffpolitik als Sicherheitspolitik, S. 42.

      55 Schneider, Bigler, Rohstoffpolitik als Sicherheitspolitik, S. 48.

      56 Wegmann, Brot oder Waffen, S. 11.

      Kapitel 2: Operationsplanung und Kampfführung

      Rudolf Jaun

      Lagebeurteilungen und Operationsabsichten

      der Armeeführung 1914–1918

      Wer im Aktivdienstbericht 14/18 von General Ulrich Wille und Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg nach den zentralen Lagebeurteilungen, Operationsabsichten und Truppenaufstellungen der Schweizer Armee sucht, braucht nicht viel Zeit.1 Genau betrachtet gab es gerade einen einzigen Operationsbefehl, der noch während des Bezuges des Mobilmachungsdispositivs erlassen wurde. Das im August 1914 bezogene Grunddispositiv der Schweizer Armee blieb mit Retuschen bis 1918 gültig.

      Zwischen 1914 und 1918 gab es aber eine ganze Menge möglicher Lageentwicklungen, die präsumtiv extrapoliert wurden und die zu Eventualplanungen und damit zu variantenreichen Operationsüberlegungen führten.2 Ob diese Eventualplanungen die grundlegenden Änderungen der Kampfführung auf den Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkrieges nach dem Scheitern strategisch und taktisch offensiver Kriegführung an der Marne im September 1914 aufnahmen, ist von grösstem Interesse. Wollte die Schweizer Armee einem eingebrochenen Gegner nach wie vor offensiv entgegentreten, wie beispielsweise ihr Oberbefehlshaber beharrlich betonte?

      Neben den in den Eventualplanungen angedachten Vorgehensweisen gibt es ein Quellendokument, das in diesem Zusammenhang zu interpretieren ist: den «Säbelrasslerbrief» von General Wille vom 20. Juli 1915 an Bundesrat Arthur Hoffmann in Sachen Import-Export-Kontrolle der Alliierten, der sogenannten Société Suisse de surveillance. Da steht:

      «Frankreich und England (müssen) an ihrer grossen Front sich jetzt auch gefasst halten, denn sehr viel deutsche und österreichische Truppen können jetzt aus dem Osten abtransportiert werden. Bei dieser Lage der Dinge wäre es Frankreich wie Italien sehr unangenehm, wenn wir uns nicht anders helfen könnten, als ebenfalls zu den Waffen zu greifen. […] Ich möchte beifügen, dass ich nach wie vor die Erhaltung des Friedens für unsere oberste Aufgabe erachte, aber dass ich, wenn die Erhaltung unserer Selbständigkeit und Unabhängigkeit dies erfordert, den gegenwärtigen Moment für das Eintreten in den Krieg als vorteilhaft erachte.»3

      Im Rahmen der Themenstellung dieses Artikels stellen sich folgende Fragen: Weist diese Quellenstelle über die Geistesverfassung und Sympathien von General Wille hinaus auf konkrete militärstrategische und operative Planungen hin? Wollte General Wille wirklich ohne Verletzung des neutralen Territoriums der Schweiz an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintreten? Erhielt der Generalstabschef den Auftrag, Aufmarschplanungen auszuarbeiten und operative Vorgehensweisen zu studieren?

      Diese Fragen sollen im Kontext der in diesem Aufsatz behandelten Aspekte angegangen werden: 1. Potenzielle Problemlagen der Operationsplanung. Es geht darum darzustellen, welche Bedrohungslagen grundsätzlich für möglich gehalten wurden. 2. Manifeste Lagebeurteilungen und operative Absichten 1914–1918. Es wird der Frage nachgegangen, welche Lagebeurteilungen vorgenommen wurden und welche operativen Absichten dabei formuliert wurden. 3. Potenzielle Lageentwicklungen und Eventualplanungen 1914–1918. Hier soll der Frage nachgegangen werden, welche Lageentwicklungen für möglich gehalten wurden und welche Planungen entsprechend präsumtiv in Angriff genommen wurden.

      Potenzielle Problemlagen der Operationsplanung

      Auch wenn dem schweizerischen Generalstab der Schlieffenplan und der Plan XVII nicht näher bekannt waren, so ergab sich insbesondere aus den Gesprächen und Punktationen mit dem deutschen Generalstab aus der Vorkriegszeit, dass die Schweiz als solitäres Angriffsziel ausgeschlossen werden konnte. Vielmehr musste für den Fall eines neuen Krieges zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich mit dem Aufmarsch grosser Massenheere in Grenznähe gerechnet werden. In diesem Zusammenhang konnte das schweizerische Territorium potenziell als Raum für Ausweichmanöver und Entlastungsangriffe in Frage kommen. Auch ein Angriff der italienischen Armee, allenfalls mit französischer Unterstützung, musste ins Auge gefasst werden. Das Thema sollte Generalstabschef Sprecher während des ganzen Krieges umtreiben. Von Seiten Österreich-Ungarns war dagegen keine Verletzung schweizerischen Territoriums zu befürchten, da von Sprecher mit dem österreichisch-ungarischen Generalstab in engem Kontakt stand und die Ausarbeitung eines Entwurfes für ein allfälliges gemeinsames Vorgehen bei einem Angriff Italiens auf die Schweiz ins Auge gefasst wurde.4 Ein Vorgehen Österreich-Ungarns alleine gegen die Schweiz machte unter diesen Voraussetzungen keinen Sinn.

      Diese Annahmen bildeten die Grundlagen der schweizerischen Mobilmachungs- und Aufmarschplanung. Die schweizerische Milizarmee war nicht in der Lage, unmittelbar von den regionalen Mobilmachungsplätzen direkt in eine aus Varianten gewählte Kampfaufstellung zu marschieren. Die Armee musste sich zuerst als Ganzes in einem Grunddispositiv regiments-, brigade- und heereseinheitsweise versammeln. Erst dann war sie in der Lage, ohne Friktionen in ein Kampfdispositiv aufzumarschieren. Als die Schweizer Armee dann ab 3. August 1914 erstmals in ihrer Geschichte als Ganzes mobilisierte, marschierte sie in ein Dispositiv, das nicht der Oberbefehlshaber, General Wille, sondern Generalstabschef Sprecher ausgearbeitet hatte.5 Die Mobilmachungsaufstellung entsprach dabei den oben beschriebenen Annahmen einer Hauptbedrohung aus Norden und Westen. Die Bedrohung aus Süden wurde demgegenüber