54 Vgl. dazu: U. Schirmer, Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen. Institutionen und Funktionseliten (1485-1513), in: J. Rogge/U. Schirmer (Hg.), Hochadlige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200-1600). Formen – Legitimation – Repräsentation (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 23), Stuttgart 2003, S. 305-378 und Raßloff, Geschichte Thüringens, S. 49.
55 Schon am 31. Oktober 1525 wandte sich Luther in einem Schreiben diesbezüglich an den Kurfürsten Johann. Dieser möge sich der Fragen der kirchlichen Verwaltung annehmen, da sie dringend gelöst werden müssten. Nicht aber allein der Notstand diene dazu als Legitimation, sondern es sei zumindest in Fragen der Verwaltung eine grundsätzliche Kompetenz des Landesherrn auch die Kirche des Landes zu lenken. Ein Eingreifen in den Kultus selbst billigte Luther im geringerem Maße ebenfalls, dies aber nur, um Notsituationen abzuwenden bzw. zu lösen. Vgl. dazu: I. Höß, Humanismus und Reformation, in: H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 3: Das Zeitalter des Humanismus und der Reformation (Mitteldeutsche Forschungen 48/III), Köln 1967, S. 1-145, hier S. 73f.
56 Eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung von Volk und Obrigkeit verfasste Luther bereits 1523 in seiner Schrift: „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“. Gewidmet war sie Herzog Johann dem Beständigen, Bruder des Kurfürsten, der in Weimar eine eigene Residenz unterhielt und entgegen der passiven Haltung Friedrichs des Weisen, aktiv Partei für Luther ergriff, insbesondere ab 1525 als Kurfürst, vgl. H. Jadatz, Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts, in: Herbergen der Christenheit, Sonderband 10 (2007), S. 47; vgl. E. Müller, Luther in Weimar, in: Thüringer kirchliche Studien 5 (1987), S. 97-108. Vgl. zur Typologie des evangelischen Landesherrn weiterführend: M. Rudersdorf, Die Generation der lutherischen Landesväter im Reich. Bausteine zu einer Typologie des deutschen Reformationsfürsten, in: A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land der Konfession 1500-1650. Bilanz – Forschungsperspektiven – Register (KLK 57), Münster 1997, S. 137-170.
57 Vgl. dazu: M. Schulze, Fürsten und Reformation. Geistliche Reformpolitik weltlicher Fürsten vor der Reformation (Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe 2), Tübingen 1991 und Klein, Ernestinisches Sachsen, S. 12.
58 Vgl. E. Bünz/C. Volkmar, Das landesherrliche Kirchenregiment in Sachsen vor der Reformation, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), Leipzig 2005, S. 89-109. Zum machtpolitischen Aspekt vgl. außerdem Höß, Humanismus und Reformation, S. 72. Der Einfluss der Wettiner auf die Hochstifte Merseburg, Naumburg-Zeitz und Meißen war hoch. Die reichsunmittelbaren geistlichen Territorien verloren schon vorreformatorisch faktisch ihre Eigenständigkeit, die ihnen damit nur noch rein formal zukam.
59 Vgl. Bünz, Das landesherrliche Kirchenregiment, S. 10. Luther griff demnach bereits vorhandene Tendenzen auf und brachte für diese eine theologische Legitimation. Die Verdichtung der Territorien mit der Schaffung einer größeren Zentralgewalt und die Kommunalisierung der städtischen Kirchen waren Grundanliegen der frühneuzeitlichen Herrscher im Aufbau ihres Staatswesens. Vgl. V. Leppin, Die Wittenberger Reformation und der Prozess der Transformation kultureller zu institutionellen Polaritäten (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologischhistorische Klasse 140/4), Leipzig 2008, S. 36. Berndt Hamm findet hierfür die passende Formulierung: „normative Zentrierung“, vgl. dazu: B. Hamm, Reformation als normative Zentrierung von Religion und Gesellschaft, in: JBTh 7 (1992), S. 241-279. Besonders das alte Klerikerbild, das den Geistlichen besondere Privilegien in der Gesellschaft einräumte, widersprach diesem Prozess. Die Kritik am Klerus schlug auf allen Ebenen durch, so dass sich ein ausgesprochen heftiger Antiklerikalismus entwickelte. Vgl. dazu: H. Goertz, Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 93), Göttingen 2007, S. 41-48, bes. S. 44. Der Antiklerikalismus war insbesondere ein anti-römischer. Die Gedanken einer „Libertas Germaniae“ sind auch bei Luther zu finden, wenn auch in besonderer Ausformung; vgl. A. Schmidt, Konfession und nationales Vaterland. Katholische Reaktionen auf den protestantischen Patriotismus im Alten Reich (1520-1620), in: T. Kaufmann/A. Schubert/K. von Greverz (Hg.), Frühneuzeitliche Konfessionskulturen (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 207), Heidelberg 2008, S. 13-48, hier S. 14; Dieter Stievermann fasst für den Gesamtprozess treffend zusammen: „Verstärkung der fürstlichen Gewalt, raumübergreifende dynastische Verflechtungen, Königsnähe, verdichtete kuriale Beziehungen, Ausbildung von Behörden und Landständen, Finanzwesen, Wirtschaft und Kultur“, Stievermann, Evangelische Territorien im Konfessionalisierungsprozeß, S. 46.
60 Vgl. Höß, Humanismus und Reformation, S. 75.
61 Vgl. dazu: Auszug aus Georg Spalatins (1484-1545) Visitationsinstruktionen 1528, in: John, Quellen zur Geschichte Thüringens, S. 60-64. Visitationen fanden später in weiten Teilen Deutschlands auch im Bereich der Hochschulen statt. Die Kommissare waren von den Hochschulen unabhängig und kamen meist aus dem direkten Einflussbereich des Landesherrn, der durch sie in besonderem Maße landesherrliche Kontrolle ausüben konnte. Vgl. U. Ludwig, Philippismus und orthodoxes Luthertum an der Universität Wittenberg. Die Rolle Jakob Andreäs im lutherischen Konfessionalisierungsprozess Kursachsens (1576-1580) (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 153), Münster 2009, S. 328 und weiterführend: K. A. H. Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen von 1524 bis 1545. Die Visitationen in den heutigen Gebietsteilen der Königreiche Preußen und Sachsen, des Großherzogtums Weimar, der Herzogtümer Gotha, Meiningen, Altenburg, des Herzogtums Braunschweig und der Fürstentümer schwarzburg-Rudolstadt, -Sonderhausen, Reuß jüngere Linie und Reuß ältere Linie, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1879, Aalen 1981. Frühste Formen von Visitationen sind auch für Thüringen belegbar, vgl. dazu: R. Herrmann, Die Kirchenvisitationen im Ernestinischen Thüringen vor 1528 in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 1 (1930), S. 167-230 und Bauer, Reformation und Territorialstaat, S. 52-59.
62 Vgl. als knappe Zusammenfassung der klösterlichen Struktur Thüringens: Bünz, Martin Luthers Orden, S. 21-30.
63 Vgl. V. Leppin, Martin Luther (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2006, S. 269. Vgl. zu den Verlaufsformen territorialer Reformation: Stievermann, Evangelische Territorien im Konfessionalisierungsprozeß, S. 45-65, bes. 48ff.
64 Vgl. Leppin, Martin Luther, S. 270 und zum vorreformatorischen sächsischen Gesetzesentwurf einer frühen Polizeyordnung, die auch die kirchlich-sittliche Ordnung thematisierte: Bünz/Volkmar, Das landesherrliche Kirchenregiment, S. 90.
65 Vgl. E. Schubert, Fürstenreformation. Die Realität hinter einem Vereinbarungsbegriff, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), Leipzig 2005, S. 23-47. Der Wille zur Reform im Sinne Luthers ist ferner im Hinblick auf die Notwendigkeit einer stabilen kirchlichen Ordnung für das gesellschaftliche Leben zu sehen. Das häufig unbedachte und vorschnelle Vorgehen von Stadträten gegen etablierte kirchliche Einrichtungen, wie innerstädtische Stifte, brachte enorme Spannungen in die Bevölkerung, die so groß waren, dass die ordnende Hand des Landesherrn dringend notwendig wurde. Vgl. H. Klueting, Das Konfessionelle Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne, Darmstadt 2007, S. 205. Das Eingreifen des Landesherrn war unabdingbar geworden, doch stellt dies auch für Luther nur eine Notlösung dar, da die Kirche eigentlich von der Gemeinde her getragen sein soll. Das Eingreifen des Landesherrn war aber auch gegenüber immer radikaler werdenden Positionen