Das schließt ein, dass die Gemeinde mit allen Gliedern zum Dienst beauftragt ist - in der Vielfalt der Zuständigkeiten und Begabungen. In jeder Gemeinde ist Kirche präsent, auch wenn die Einheit mit der Gesamtkirche konstitutiv ist und der Bischof der eigentliche Leiter der Gemeinde ist. Eine Gemeinde muss dann den Blick auf den Auftrag aus dem Evangelium dauerhaft gerichtet halten. Hier kommen die Grundvollzüge kirchlichen Handelns wieder ins Spiel. Als kirchliche Gemeinde muss sie dann dafür Sorge tragen, dass diese Dimensionen aktiv bearbeitet werden. Insofern haben sie dann auch gemeindebildende Funktion.137
Die Gemeinden bzw. Pfarreien sind vielen Herausforderungen unterworfen, die sich auch in veränderten Erwartungen der Menschen äußern. Wichtig erscheint aber, dass der Ortsbezug weiterhin eine wichtige Funktion der Gemeinde ist. Kirche und damit das Christentum wird durch die Territorialpfarrei vor Ort präsent. Trotz einer hohen Mobilität gepaart mit großen Aktions- und Lebensradien der Menschen bleibt die Wohnwelt für viele immer noch ein wichtiger Lebensschwerpunkt (z. B. für Familien, Senioren). Zugleich kann der lokale Sozialraum durch eine territoriale Struktur ganz anders im Blick bleiben. Randviertel, die ihre eigene soziale Problematik haben, können für eine dort präsente Gemeinde zu einem diakonischen Auftrag werden. In einem solchen Fall, aber auch in anderen, kann Gemeinde eine Netzwerkstelle sein, die über Angebote anderer (kirchlicher) Träger oder anderer Gemeinden informiert oder auch supplementär zu anderen Trägern Leistungen anbietet.138
„Gemeinde“ ist vielfachen Diskussionen ausgesetzt. Hier sei lediglich Haslinger kurz angeführt: Laut Haslinger müsse die Gemeinde zur Grundhaltung zurückkehren, sich in den Dienst an den Menschen zu stellen. Ervergleicht eine Gemeinde mit einer Berghütte. Sie gibt zeitlich begrenzt Obdach, versorgt und stärkt die Wanderer. Sie hilft Ihnen, Ihre Wege gehen zu können. Dazu liegen sie auf den Wegen der Menschen, die unterwegs sind. Die Hütte ist auch der Raum, in dem Wanderer zu einem Austausch untereinander kommen. Die Hüttenwirte haben eine gewisse Autorität, indem sie auf Fehlverhalten hinweisen. In besonderer Weise sind sie aber dazu da, mit der Berghütte die Wanderer zu unterstützen. Haslinger betont auf diese Weise und angesichts der Herausforderungen pluralisierter Lebenswege, dass ein einseitiges Konzentrieren auf das Bild der Pfarrfamilie (im Sinne eines ständigen Eingebunden-Seins mit maximaler Aktivität) nicht mehr an den Menschen entlang denkt und damit die „Hütte“ abseits der Wege der Menschen steht. Die Gemeinde muss weg von einer gewissen Selbstreferentialität hin zu dem, was der Dienst an den Menschen sein kann.139
1.1.7 Gemeinsames und besonderes Priestertum
Der katholischen Kirche ist eine hierarchische Ordnung eigen. Sie hat Dienstcharakter. Sie dient dem kirchlichen Grundauftrag. Außerdem hat die Hierarchie, insbesondere mit dem Bischofskollegium und dem Papst, eine einheitsstiftende Funktion.140 Die Amtsträger (Bischof, Priester, Diakon) erfüllen daher eine Funktion, agieren aber auch aufgrund sakramentaler Weihe, die nicht an eine Rolle oder Tätigkeit gebunden ist, sondern ein inneres Merkmal darstellt (absolute Ordination). Diese Weihe ist verbunden mit dem Heiligungs- (Sakramente), Lehr- (Verkündigung) und Leitungsamt (z. B. Gemeindeleitung). Dem Bischof kommt dabei die Ordinationsgewalt zu.141
Zugleich wird allen Gläubigen die gleiche Würde zugesprochen.142 Alle bilden das Volk Gottes. Alle haben Teil am Priester-, Propheten- und Königsamt Christi. Sie verfügen über einen gemeinsamen Glaubenssinn und über unterschiedliche Charismen, die die Kirche vielfältig und lebendig machen. Dieses gemeinsame Priestertum verbindet sich schließlich strukturell mit einer Stärkung des synodalen Elements in der Kirche. Dazu wurden Rätestrukturen eingeführt, um die Mitwirkung und Teilhabe der Gläubigen zu gewährleisten.143
„Die Grundstruktur der Kirche als des einen Volkes Gottes ist charismatischer Art. Innerhalb der großen und einen Gemeinschaft aller Gläubigen kommt jedem Christen sein Charisma, seine Funktion zu.“144
Das besondere Charisma des Amtes ist das der Leitung, indem es besonders die Einheit im Blick behält und die verschiedenen Charismen im Lebensraum der Kirche integrativ zusammenhält. Allein das benötigt schon einige Führungskompetenzen (z. B. kommunikative Qualitäten).145
„Das amtliche Priestertum ist das sakramental hervorgehobene Zeichen für das, was inhaltlich (…) allen Gläubigen zukommt, nämlich die Vergegenwärtigung des Heilsdienstes Christi in der Welt. Dieser allgemeinen Sendung zu dienen, sie auch strukturell wirksam zu ermöglichen und lebendig zu halten, das ist die Sendung des besonderen Priestertums in der Kirche.“146
„Weil die Kirche unaufgebbar an die Vor-gabe Jesu Christi gebunden ist, weil sie allein von seinen Gaben lebt und mit seinem ‘Amt’ betraut ist, den Menschen das Evangelium zu verkünden (Prophetenamt Jesu), sie zur Einheit zu führen (Hirtenamt Jesu) und ihnen das Heil zu vermitteln (Priesteramt Jesu), darum gibt es in ihr ein Amt, das diese allgemeine Sendung der Kirche auf besondere Weise darstellen und ihr dienen soll (LG 10-12; 20f; 31 -36).“147
Grundlage ist die Gleichheit der Getauften. Zugleich gibt es eine Vielzahl von Charismen und Diensten, die aufeinander verwiesen und aufeinander angewiesen sind. Auch das Amt hat ein spezielles Charisma, das einen eigenen Dienst und eine eigene Sendung beinhaltet.148 Gemeinde wird so aus einer Menge von Charismen heraus gestaltet, die nicht alle im Leitungsamt zu suchen sind oder konzentriert werden sollten: Verkünder, Lehrer, Seelsorger, Manager, Verwalter usw. sind entflechtbare Rollen. Vielmehr integriert Leitung die verschiedenen Charismen, leistet also einen Dienst an der Einheit. Kirche lebt als Communio also in einer Spannung und einem Miteinander von gemeinsamen und besonderen Priestertum, d. h. aus je eigenen Charismen heraus, was sich sowohl in hierarchischer Struktur als auch in synodalen Gremien niederschlägt.149
Kirche ist kein Zweck an sich, sondern dient der größeren Sache, ihrem Auftrag. Das gilt auch für das Amt, das Christus sichtbar machen soll, aber das nicht selbst schon Christus ist. Das Amt ist also „Dienst und Sendung“150: Es gibt sich für die Welt hin, es ist kein typischer „Job“, sondern fordert die Person als Ganzes in seinem Sein. Die Person wird dazu gesandt.151
Amtsträger und Laien sind also aufeinander verwiesen. LG 37 nennt hierzu einige Rechte und Pflichten, die für ein gutes Miteinander wichtig sind:
„Die Laien haben wie alle Christgläubigen das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, vor allem die Hilfe des Wortes Gottes und der Sakramente, von den geweihten Hirten reichlich zu empfangen. Und ihnen sollen sie ihre Bedürfnisse und Wünsche mit der Freiheit und dem Vertrauen, wie es den Kindern Gottes und den Brüdern in Christus ansteht, eröffnen. Entsprechend dem Wissen, der Zuständigkeit und hervorragenden Stellung, die sie einnehmen, haben sie die Möglichkeit, bisweilen auch die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, zu erklären (…). Die Laien sollen wie alle Gläubigen das, was die geweihten Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer und Leiter in der Kirche