Kirche soll ihren Auftrag in der Gesellschaft verwirklichen. Dazu ist sie Sakrament. Ihre konkreten Aufgaben können dabei vielfältig sein, um das Sich-Durchsetzen des Heilswillens Gottes zu befördern: so z. B. als einende und befriedende Kraft in der Gesellschaft aufgrund ihrer Transzendenzverwiesenheit, in ihrer Orientierungsbzw. Sinngebungsfunktion aufgrund von Jesu Tod und Auferstehung oder z. B. als ethisch-kritische Kraft mit alternativen Sichtweisen.50
1.1.3 Volk Gottes und Communio51
Nach Klinger ist das Zweite Vatikanische Konzil
„das Programm einer Ekklesiologie des Volkes Gottes.“52
Kirche als Zeichen und Werkzeug zeigt sich im Verständnis des letzten Konzils weniger als „Staat“ oder societas perfecta.53 Das II. Vatikanische Konzil spricht vom pilgernden Gottesvolk, das im Neuen Testament die alttestamentliche Volk-Gottes-Theologie aufnimmt und fortführt. Die Kirche ist dieses Volk Gottes, das universal ausgerichtet ist.54 Es ist eine Gemeinschaft, die in Gott ihren Ursprung hat, die sich im Hier und Heute zeigt und damit historisch, anfällig für sündhaftes Tun, anwesend und greifbar ist.55 Laut Bucher sprengt die Rede vom „Volk Gottes“ jede Verengung auf institutionelle Fragen und wendet sich dem Menschen zu.56
Kasper erachtet den Begriff Communio als grundlegend. Demnach ist Kirche eine Gemeinschaft, die das Wesen der Kirche näher beschreibt. Es gilt die grundsätzliche Teilhabe aller am Mysterium.57 Durch die Taufe wird der Glaubende hineingeführt in diese Gemeinschaft, dem Volk Gottes und bekommt auf diese Weise Anteil am sakramentalen Wesen der Kirche. So entsteht kirchliche Gemeinschaft, das Volk Gottes.
„Koinonia/communio bedeutet ursprünglich nämlich nicht Gemeinschaft, sondern participatio/Teilhabe, näherhin Teilhabe an den von Gott geschenkten Gütern des Heils: Teilhabe am Heiligen Geist, am neuen Leben, an der Liebe, am Evangelium, vor allem aber an der Eucharistie.“58
Alle haben aufgrund der Taufe Anteil am Propheten-, Priester- und Königsamt Jesu.59 Mit Klinger verweist gerade der Begriff „Volk Gottes“ auf die grundlegende Gleichheit der Getauften und darauf, dass Kirche gemeinsam agieren muss.60 Alle sind gesandt und sind für die Ausgestaltung der Kirche und deren Mission mitverantwortlich.61 Somit gilt eine grundsätzliche Gleichberechtigung, womit nicht unterschiedliche Rollen und Aufgaben ausgeschlossen werden.62
„Kirche wird vielmehr verstanden als die von Gott geschaffene Communio aller Menschen in der gemeinsamen Teilhabe am Glauben sowie an den Heilsmitteln und Heilsdiensten.“63
Communio ist auch eine Anfrage an den kommunikativen Stil dieser Gemeinschaft bzw. an die Art des Miteinanders. Dazu gehört das gegenseitige Wahrnehmen und Zuhören, ein gegenseitiges Ergänzen und das gemeinsame Agieren.64
Communio wird ebenfalls bezogen auf die Beziehung von Ortskirchen und Universalkirche verstanden. Die Ortskirchen sind selbst als Kirche zu verstehen, aber sie stehen in Beziehung, in Gemeinschaft mit anderen Ortskirchen. Als Ortskirche gehört sie bei relativer Selbständigkeit zu einer größeren Einheit, die sich in der katholischen Kirche durch den Primat des Papstes zeigt. Auch die Hierarchie gehört zur Communio, die ihre spezifische Aufgabe erfüllt.65
1.1.4 Grundeigenschaften (notae ecclesiae) und Grundvollzüge
Vier wichtige Eigenschaften der Kirche zeigen sich bereits im Glaubensbekenntnis, wenn von der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen“ Kirche die Rede ist.
„Diese vier theologischen Grundeigenschaften der Kirche gelten seit der Patristik als die Erkennungszeichen der wahren Kirche Jesu Christi, die sie von allen häretischen und schismatischen Gemeinschaften unterscheidet.“66
Als solche sind sie mit Siebenrock mehr „Zielgestalt“ als bereits umgesetzte Realität, sie sind also auch eine Aufgabe.67 Sie sind „inhaltlich-theologische Grundeigenschaften“68. Sie beschreiben die universale Kirche, für die sichtbare Institution „Kirche“ sind sie Aufgabe und zeigen sich eher als Kriterien zur Reflexion des eigenen Handelns.69
Einheit
Die Redeweise von der „einen Kirche“ ist zunächst eine ontologische. Christen folgen Christus nach, sie haben Anteil am „Leib Christi“, Anteil am Volk Gottes. Das verbindet sie mit Jesus und damit mit dem Vater und untereinander. Christen bilden also eine Einheit.70
Ontologisch gesehen gilt, dass Kirche „eins ist“, also eigenständig existiert in Abgrenzung nach außen.
„Als nicht mit den anderen Seienden, mit der Welt oder seiner Umwelt einfach identisches, ist es es selbst, geht sein eigenes Sein nicht im Sein der anderen Seienden auf.“71
Zum anderen ist ontologisch eine Innenseite mitgedacht: Es gibt intern eine stimmige Einheit, eine innere Klarheit, die die Abgrenzung nach außen erst möglich macht.72 So gesehen ist ontologisch bereits das Christsein einend.
„Man kann also zunächst von einer ontologisch notwendigen Einheit aller Christen sprechen, die als solche aber nicht notwendig ihren Ausdruck finden muss in institutionell sichtbaren Gemeinden. Allerdings tendiert die Wirklichkeit dahin, sich auch zur Erscheinung zu bringen. Die Grundeinsicht in die faktisch notwendige Einheit aller Christen begründet vom Anfang des Christentums an eine Dynamik der Ortsgemeinden auf die Praxis der Einheit aller Gemeinden der bewohnte Welt, der oikoumené, hin.“73
Kirche subsistiert in den verschiedenen Ortskirchen.74 Das letzte Konzil spricht davon, dass die eine Kirche in der römisch-katholischen Kirche subsistiert.
Kirche bleibt trotz aller Spaltungen das eine Volk Gottes.75