Entdecken wir das gemeinsam in diesem Buch, ausgehend von dem, was unser Körper erlebt.
Präsenz
Zahlreiche Eltern sind zutiefst berührt von der Intensität der ersten Blicke ihres Kindes nach der Geburt, von seiner nachdrücklichen Präsenz in diesem kleinen, nackten Körper.
Warum sind manche Neugeborenen von jetzt auf gleich so präsent, während andere in den ersten Stunden, Tagen oder sogar Monaten einen abwesenden Blick haben? Es geht hier nicht um Tränen, Schreie oder Gesten, sondern um das, was von seinem Blick ausgeht, von seinem Körper, seinem Wesen.
Mylène
»Yoga ist eine Lebenskunst, die Präsenz, Glück und Gelassenheit bringt.«
Zweifelsohne spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die mit der Geschichte dieser Gestalt werdenden Seele verknüpft sein können. Aber auch die Eltern können tätig werden, indem sie auf ihre Weise den Wunsch nach Leben für ihr Kind zum Ausdruck bringen. Sie können das während der Schwangerschaft und vor allem in den entscheidenden Momenten von Zeugung und Geburt tun. Dieser sehnliche Wunsch kann vor allem bei der Geburt den Wunsch des Kindes begleiten, Gestalt anzunehmen.
Die Intensität der Präsenz ist natürlich auch bei Erwachsenen unterschiedlich. Tagtäglich erleben wir, dass ein Mensch abwesend ist, obwohl er körperlich anwesend ist. Oder wir erleben die außergewöhnliche Präsenz eines anderen (zugegeben, das kommt viel seltener vor).
Joëlle
»Ich habe mich mithilfe von Yoga auf die Geburt meines ersten Kindes vorbereitet. Dank der Yoga-Stunden habe ich mich in der Schwangerschaft super gefühlt. Im Lauf der Wochen und Monate wurde mein Sohn immer präsenter. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, von jemandem bewohnt zu werden, wir waren jeden Augenblick zu zweit, vor allem in den zwei letzten Monaten. Nach seiner Geburt war mein Körper leer, ich war traurig, weil er weg war, die Fülle war vorüber. Ihn in den Armen zu halten, hat diese Leere nicht immer wettgemacht. Als ich meinen Beruf wieder aufnahm, erlebte ich den Wechsel zwischen Anwesenheit und Abwesenheit. Da ging es nicht immer harmonisch zu zwischen meinem Herzen und meinem Kopf.«
Versuchen Sie einmal, auf die Qualität Ihrer eigenen Präsenz und die der anderen zu achten. Achten Sie auf Unterschiede. Und ein anderes Mal, wenn Sie jemanden treffen, seien Sie einfach da, nachdrücklich. Das ist gar nicht so einfach.
Yoga ist eine Einladung, den Augenblick zu leben, um sich nicht von seinen Gedanken überwältigen zu lassen, die einen in die Vergangenheit holen oder weit in die Zukunft schweifen lassen. Es geht einfach darum, da zu sein, hier und jetzt.
Fördern Sie, indem Sie Yoga machen, die Qualität Ihrer Präsenz. Spüren Sie Ihre Füße, den Kontakt mit dem Boden, füllen Sie Ihren Körper ganz aus, machen Sie sich in Ihrem Becken breit, atmen Sie ruhig, achten Sie nicht auf Ihr inneres Geschnatter, sondern, ganz Präsenz, auf Ihr Gegenüber. Bringen Sie diese Präsenz durch Wohlbefinden und Gelassenheit zum Strahlen. Sie werden erstaunt feststellen, wie sehr Ihre Haltung auf andere wirkt.
Mit dieser Qualität der Präsenz sollten Sie als werdender Vater, als werdende Mutter, Ihrem Kind zur Seite stehen, in der Schwangerschaft und vor allem in den Stunden und Minuten vor dem entscheidenden Moment der Geburt.
Manche Eltern behaupten, sich mit dieser Art Präsenz schwerzutun, weil sie ihnen erst einmal zu abstrakt ist. Die Mütter tun sich meist leichter, weil sie den körperlichen Kontakt haben. Aber die Eltern verinnerlichen das Gefühl, sobald sie festgestellt haben, dass sie diese Präsenz bereits verschiedentlich mehr oder weniger bewusst erlebt haben.
Auf der Straße hat sich jeder schon einmal umgedreht, nachdem er einen Blick im Rücken gespürt hat. Was ist da geschehen? Wir können das noch nicht nachweisbar messen, aber es geht um gelebte Erfahrung.
Diese Präsenz kann das Kind im Bauch der Mutter spüren.
Die Psychoanalytikerin Françoise Dolto hat mit ihren Arbeiten gezeigt, dass ein Kind bereits in utero eine »Person« ist.
Die Qualität der elterlichen Präsenz, die Erwartungshaltung einer Familie, ist ein wahrhaftiger Aufruf an das Leben. Diesen Impuls können Sie dem Wunsch zu leben mitgeben, den Ihr Kind verspürt. Auch wenn das nicht der einzige Faktor ist, der eine Rolle spielt bei dem Wunsch des Menschen zu leben. (Aber seien Sie beruhigt: Ein Kind kann auch dann sehr vital sein, wenn seine Eltern der Meinung sind, sein Leben beginne erst mit der Geburt!)
Olivier
»Wir haben beschlossen, dass unser viertes Kind auch zu Hause zur Welt kommen sollte. Ungeduldig wartete ich auf den Tag X. Ich war sicher, dass an diesem Tag alles gut gehen würde. Den Großteil der Arbeit hat natürlich die werdende Mama erledigt, bis ich irgendwann spürte, dass meine Anwesenheit für einen letzten Kraftakt nötig war. Im Übrigen würde ich sagen, dass die Entscheidung für diese zweite Hausgeburt eine glückliche war: Das Bild von der Geburt im Wasser werde ich nie vergessen.
Eines noch: was für ein großes Vergnügen, dass wir noch am selben Abend alle zusammen sein und, ein Glas Champagner in der Hand, auf das freudige Ereignis anstoßen konnten!«
Sie können Ihrem Kind in utero mit großer Intensität präsent sein. Umgekehrt können Sie sich sehr wohl der Präsenz Ihres Kindes bewusst sein, sogar des Augenblicks, in dem das Kind in Ihren Körper einzieht. Schauen wir uns zu diesem Thema eine längere Aussage der Psychoanalytikerin Françoise Dolto2 an:
Françoise Dolto
»Ich hatte bereits vor ihrer Geburt Kontakt zu meinen Kindern. Es gab zwei erstaunliche Momente: nach fünf und nach sieben Monaten. Vor allem beim ersten Kind, weil eine Frau beim ersten immer überrascht ist. Beim zweiten merkt man, dass man das schon einmal so empfunden hat …
Ich spazierte gerade durch den Jardin du Luxembourg, als ich plötzlich das Gefühl hatte, dass da noch etwas ist, ganz nah, etwas genau wie ich. Ich sage mir, ja, aber … Ich drehe mich nach rechts, nach links, aber da war niemand. Ich ging weiter, aber das Gefühl, dass da noch jemand ist, eine Präsenz, bleibt … Zu Hause erzählte ich meinem Mann davon und sagte: ›Vielleicht ist das ja das Baby, das da ist. Schon komisch, dass ich nicht sagen kann, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist.‹ So war das! Von dem Moment an hat mich dieses Gefühl nicht mehr verlassen. In mir war etwas präsent.
Und das habe ich dann bei meinen beiden anderen Schwangerschaften wieder erlebt, jedes Mal nach etwa fünf Monaten, jedes Mal ahnungslos, was das Geschlecht betrifft. Aber das Gefühl der Präsenz war eindeutig und angenehm.
Und im siebten Monat dann ganz eindeutig eine Art Ringen. Ich hatte ganz und gar problemlose Schwangerschaften, aber es gab ein psychisches Ringen, nach dem Motto: ›Ich habe es satt, was du machst … Ruh dich aus‹, etwas in der Art. Denn ›ich arbeite und arbeite,‹ ich bin sehr aktiv, aber das Baby wollte Ruhe haben. Ich hätte ja gern weitergemacht, aber ich spürte (und das ist kein leeres Wort), ich spürte: