Tja, und da hat es sofort aufgehört. Als ich dann vom Rad stieg und vor der Tür stand, habe ich gesagt: ›Jetzt kannst du weitermachen.‹ Und los ging‘s. Da tanzte jemand Rumba in mir. Aber er hatte auf mein Kommando aufgehört.«
Betrachten wir Louises Aussage, die in die gleiche Richtung geht:
Louise
»Bis eine Woche vor der Geburt meines zweiten Sohnes bin ich gereist und habe Yoga-Seminare besucht. Ich fühlte mich total fit, und um nichts in der Welt hätte ich auf das mehrstündige Üben jeden Tag verzichtet. Aber dann ist etwas wirklich Seltsames passiert. Mitten in einer Übungsstunde wurde ich von dem Drang zu schlafen buchstäblich niedergedrückt. Keine Chance, dagegen anzukommen. Ein seltsames Gefühl, denn ich selbst war überhaupt nicht müde und wollte gar nicht schlafen: Ich habe ganz deutlich gespürt, dass das Baby wollte, dass ich mich ausruhe. Ich habe nachgegeben. Das war eine eigenartige Erfahrung, wie eine Verdoppelung meiner Persönlichkeit oder vielmehr eine doppelte Präsenz mit gegensätzlichen Bedürfnissen. Das war auch ganz anders als das Schlafbedürfnis in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Auch die Schlafqualität war eine ganz andere. Beim Schlafen war mir bewusst, dass ich schlief, als ob ich mir selbst dabei zusah. Es war eben nur ein Teil von mir, der schlief, der andere wartete schön brav, bis das Bedürfnis gestillt war.«
Christine
»Ich wollte schon lange ein Kind. Eines Tages sehe ich beim Meditieren eine Art Blitz, eine helle Flamme, neben mir. Da sind ganz viele Sterne, und es ist da, ich weiß es, ich fühle seine Gegenwart, wie man den Lufthauch spürt, wenn ein Vogel mit den Flügeln schlägt. Wunderbar, fantastisch! Ich bin noch gar nicht wirklich schwanger, aber es ist schon da, seine Seele ist mich besuchen gekommen. Jacqueline, eine Yoga-Freundin, hat es auch gespürt, bei der gleichen Meditation wie ich.
Einige Tage danach: Der Schwangerschaftstest ist positiv, aber ich ›wusste‹ es ja schon.«
Vergleichen wir diese Aussagen doch einmal mit dem, was traditionell unterrichtet wird, wenn es um die einzelnen Etappen bei der Inkarnation eines Menschen geht. Lucien Ferrer, ein großer Yogi vom Beginn des 20. Jahrhunderts, erzählt mit dem Vokabular seiner Zeit3 davon.
»Der Geist nimmt Kontakt zu einem Paar auf, das fähig ist, eine Stimmung zu erschaffen, die mit seiner identisch ist. Er wird zum Protagonisten der weiblichen Erregung, dem entscheidenden Faktor im Moment der Begattung. Beim geschlechtlichen Spasmus wird der Geist vom Strudel der Vibrationen mitgerissen, der das Resultat der Vereinigung von Spermium und Eizelle ist, denn Geist und Strudel haben die gleiche Frequenz der Vibrationen.
Nach diesem ersten Kontakt mit dem Ei löst sich der Geist wieder, bleibt aber in fluider Verbindung mit ihm. Diese momentane Trennung besiegelt das Ende der konzeptionellen Stimmungslage. Im Lauf der Schwangerschaft gibt es mehrere Erscheinungen des Geistes, mehrere Aufenthalte im Fötus. Er tritt also als evolutionärer Faktor im Ambiente der Schwangerschaft auf. Dieses Ambiente ist Gegenstand gezielter Aufmerksamkeit vonseiten der Magier, hauptsächlich in Schwarzafrika. Das gilt vor allem, wenn das Kind, das erwartet wird, dazu ausersehen ist, eine maßgebliche Rolle in der Gesellschaft zu spielen.
Vom siebten Monat an geht der Geist fest in den Fötus über. Das erklärt auch, warum von diesem Zeitpunkt an ein lebensfähiges Wesen entbunden werden kann.«
Diese Art, sich auszudrücken, mag uns seltsam erscheinen, wenn wir nicht wie Françoise Dolto die Erfahrung gemacht haben, »wirklich zu zweit« zu sein, und das dauerhaft und von einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft an. Yoga als experimentelle Wissenschaft bedeutet überhaupt nicht, dass man an die Reinkarnation glaubt. Jeder stützt sich auf die eigenen Erfahrungen. Von Interesse ist nur die Parallele zwischen den Erlebnissen von Françoise Dolto im fünften und siebten Monat der Schwangerschaft und einer Theorie zu den verschiedenen Etappen der Inkarnation.
So entsteht der Kontakt zwischen Mutter und Kind manchmal sogar noch vor der eigentlichen Empfängnis.
Die Durchquerung
des Beckens
Am Tag der Geburt bahnt sich das Kind einen spiralförmigen Weg durch das Becken seiner Mutter. Während das Kind das Becken durchquert, kann seine Mutter (die es mit ihrem Bewusstsein begleitet) in ihrem Körper ganz konkret jede einzelne Etappe mitverfolgen, die sie selbst auf einer anderen Ebene erlebt. Mehrere Initiationsriten spielen sich hier parallel ab: zum einen der des Kindes, zum anderen der der Mutter – in körperlicher Hinsicht natürlich, aber auch in ihrem tiefsten Inneren.
Sie können sich bewusst machen: An diesem Weg liegen verschiedene Türen. Sie können lernen, diese zu öffnen. Und Sie können überall Markierungen schaffen, um den Weg gangbar zu machen. Dabei werden Sie feststellen, dass nicht nur die körperlichen Hemmschwellen nach und nach verschwinden, sondern auch die emotionalen und mentalen Blockaden. Dann können Sie die Etappen erkennen und mit einbeziehen, für sich selbst und damit auch für Ihr Kind. Die Voraussetzungen für die Geburt sind besser, denn der Weg ist jetzt frei. Vor allem gewinnen Sie so den Freiraum, um diese Durchquerung noch auf einer anderen Ebene zu erleben. Das kann zu Ihrer Befreiung führen, dem Ziel auf dem Weg der Initiation.
A. Die Beckenhöhle als Nest
Das Becken im Körperschema
Unter Körperschema versteht man die Wahrnehmung, die ein jeder von seinem Körper hat. Es entwickelt sich schrittweise von Kindestagen an, aus dem Zusammenspiel Kinästhetischer, greifbarer und sichtbarer Eindrücke.
Die Gegenwart des Kindes während der Schwangerschaft bringt es mit sich, bestimmte Bereiche des Körpers näher zu erkunden. Als Schwangere ist man empfänglich für die inneren Abläufe kinästhetischer Natur. In den neun Monaten der Schwangerschaft und bei der Entbindung nimmt das Becken einen wichtigen Platz im Körperschema ein. Es fungiert als Nest und Empfang, es umschließt das Leben und es ist ein Übergang für das Kind: Es ist ein »heiliger« Ort, allein deshalb, weil das Leben so kostbar ist. Es ist kein Zufall, dass das Kreuzbein hinten im Becken im Lateinischen »(os) sacrum« genannt wird. Das Wort »sacrum« bedeutet zu Deutsch »heilig«.
Eine Schwangerschaft hat etwas von einem echten Initiationsritus: Das Becken, das häufig wenig Raum im Körperschema einnimmt, rückt zunehmend ins Bewusstsein, bis es die geheiligte Rolle übernimmt, die es spielt, wenn es mit dem Leben gefüllt ist und wenn es bei der Geburt zum Übergang für das Kind wird. Indem das Becken das Kind aufnimmt und dann neun Monate trägt, wird es buchstäblich zum Nabel der Welt, eine gottgleiche Rolle.
Das geht manchmal nicht ohne kleinere Schmerzen in der Symphyse (Schambein), dem Iliosakralgelenk (Kreuz-Darmbein-Gelenk) oder den Bändern ab, die Gebärmutter, Harnblase