Der weibliche Weg. Martine Texier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martine Texier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783863744830
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schüttet der Körper der Mutter Hormone aus, damit die Gebärmutter sich zusammenzieht, die Plazenta sich löst und ausgeschieden wird. Dadurch verringert sich das Blutungsrisiko. Gleichzeitig setzt das Kolostrum der Mutter die Verdauung des Babys in Gang und hilft, sein Immunsystem zu aktivieren. Man sieht also, dass Mutter und Kind sich in einer Art Austausch befinden. Diese Beziehung wird über viele Jahre weitergeführt. Sie bildet quasi das emotionale und physiologische Fundament aller späteren Beziehungen eines jeden Menschen. Doch ohne umfassende Initiation kann es sein, dass die Mutter unfähig wird, sich ganz und gar auf die Tiefe dieser Beziehung einzulassen, wie Martine Texier auf packende Weise ausführt.

      Ich kenne Martine seit Jahren. Sie ist eine Frau mit Herz und Verstand. Ich habe ihre Entwicklung verfolgt und erlebt, wie sie ihr ganzes Leben einer Aufgabe gewidmet hat: Sie will der breiten Öffentlichkeit ein tieferes Bewusstsein für die Bedeutung von Schwangerschaft und Geburt vermitteln. Zu diesem Thema hatte ich mit ihr sehr bereichernde Gespräche. Wie bereits in ihrem ersten Werk, L’Attente sacrée, Yoga, maternité, naissance,1 erinnert Martine uns noch einmal daran, dass die Natur weiser ist als unser Intellekt. Sie ermutigt uns alle, Männer wie Frauen, auf einer authentischen Beziehung mit unserem Körper und unserem Schicksal zu bestehen. Wir sollten die großartige Initiation ganz bewusst annehmen, die eine Geburt bedeutet. Die Natur macht sie eigentlich jedem Menschenleben zum Geschenk.

       Richard Moss

      Vorwort von Yves Mangeart

      In ihrem ersten Buch, L’Attente sacrée, Yoga, maternité, naissance,1 hat Martine Texier die Erfahrungen aus ihren Kursen zur Geburtsvorbereitung mit Tausenden von Frauen geteilt.

      Ihr zweites Werk, Accouchement, naissance: un chemin initiatique (Der weibliche Weg), ist eine Vertiefung des ersten. Hier werden die Einsichten und Erkenntnisse ins Licht gesetzt, die den persönlichen, familiären und beruflichen Werdegang Martines geprägt haben. Entwicklung und »Geburt« dieses Buchs profitierten von der Begeisterung und dem praktischen Sinn der Autorin. Und jede Woche gewinnt sie in ihren Kursen für Schwangere weiter an Erfahrung.

      Die neunmonatige Initiation und der Ritus der Geburt sollten ins rechte Licht gerückt werden. Denn als Frau hat man hier die einzigartige Gelegenheit, ganz aufzugehen in der Schönheit des täglich Neuen in sich, und das über einen langen Zeitraum hinweg.

      Doch eine Frau kann diese Gelegenheit auch verpassen, wenn sie sich von den kleinen Wehwehchen vereinnahmen lässt, die dieses großartige Geschehen begleiten. Dann erlebt sie jede Menge Unannehmlichkeiten, die sie an den Rand drängen, obwohl sie im Zentrum dieses großen Mysteriums stehen könnte, welches das Leben ja ist. Übelkeit, Ängste, Unzufriedenheit, Unverständnis, Schmerzen, Beeinträchtigungen, narzisstische Einstellungen, Verärgerung, Angewohnheiten, die durcheinandergeraten, und schließlich die Schmerzen, die es um jeden Preis zu vermeiden gilt. All das kann Schwangerschaft und Geburt überschatten, wenn sie schlecht vorbereitet sind.

      »Alles hängt davon ab, worauf man besteht.«

      Martines Bücher veranschaulichen den Initiationsritus hinter dieser neun Monate währenden Verwandlung mit der Geburt als krönendem Abschluss.

      Was ist mit Initiation gemeint? Es geht um das staunende Bewusstsein für das Neue eines jeden Augenblicks. Da ist eine unermessliche, geheimnisvolle Präsenz, die jede Wirklichkeit tief durchdringt. Während der Schwangerschaft ist das Baby in der Körpermitte der Frau ein stiller Beweis dieser Wahrheit. Und wer zu »sehen« versteht, für den ist diese Entwicklung hin zur Niederkunft überall im großen Ganzen der Natur und des Lebens zu sehen.

      Eine Schwangere ist nicht nur mit einem Kind schwanger. Sie kann sich mit aller Macht bewusst werden, dass nicht nur ihr Körper sich verändert: Ihre Augen werden nicht mehr auf die gleiche Weise sehen, und Geräusche berühren sie ganz anders. Sie nimmt sich und ihre Mitmenschen nicht mehr so wahr wie zuvor. Ihr Sein ist viel mehr im Einklang mit allem Sein. Sie trägt ein »neues Sein« in sich, ein »in der Welt sein«. Auch der werdende Vater kann von der Erneuerung und dem Mysterium berührt werden.

      Die überwältigende Erkenntnis, Leben schenken zu können, steht im Zentrum des Daseins und kann Eltern wachrütteln. Die Erfahrung der Geburt ihres Kindes, ihrer Kinder, kann ihrem Leben solche Impulse verschaffen, dass sie ständig mit neuen Projekten »schwanger« gehen, etwas Neues ausbrüten, neue Ideen in die Welt setzen.

      Initiierte, Eingeweihte, erleben die tausend Kleinigkeiten des Alltags liebevoll als »Akt der Liebe«. Eingeweihte lassen sich von den Zeichen berühren und bereichern, die immer neu die oder den befruchten, die sich dem Augenblick öffnen. Eingeweiht sein bedeutet auch, sich selbst und sein Herz zu erforschen, um immer wieder neu Jugend, Schönheit, Überschäumen zu erleben.

      Und wer eingeweiht ist, der nimmt voll und ganz am Leben teil, an den intimen, ruhigen Momenten genauso wie an den Stürmen und Umstürzen, die Neues schaffen.

       Yves Mangeart

      Einleitung

      Das Leben wird von Etappen markiert, von »Übergängen«. Die Geburt ist der erste, der Tod der letzte. Seit einigen Jahren setzt man sich verstärkt mit dem Thema Sterbebegleitung auseinander, um den großen Aufbruch, den der Tod darstellt, menschlicher zu gestalten. Und so, wie es in der Medizin zur verbissenen Behandlung bis zum letzten Atemzug kam (und manchmal noch kommt), so finden auch Geburten heutzutage leider unter immer stärkerer medizinischer Betreuung statt.

      Die Berichte von Menschen, die Nahtoderfahrungen gemacht haben, lassen Hypothesen über den Ablauf des Sterbens zu. In vielen Berichten ist vom Durchqueren eines langen Tunnels die Rede, an dessen Ende ein unbeschreibliches Licht wartet, verbunden mit einem Gefühl bis dahin ungeahnter Liebe. Der Tod scheint der Übergang vom Körper aus Fleisch und Blut hin zum Licht und zur bedingungslosen Liebe zu sein.

      Die Geburt ist der gleiche Vorgang, nur in umgekehrter Richtung. Das Baby kommt also aus diesem Licht, aus dieser kosmischen Dimension, und nimmt in einem Körper Gestalt an. Bei der Geburt begibt sich das Unendliche, das »Weiträumige«, in die Grenzen eines Körpers. Das Durchqueren des mütterlichen Beckens steht symbolisch für das Durchqueren des Tunnels. Das legen auch zwei anatomische Fachbegriffe nahe, die es nicht zufällig gibt:

      ◉ das Kreuzbein oder Sakralgelenk, lateinisch »Sacrum«, lenkt die Aufmerksamkeit auf die sakrale, also heilige Dimension von Geburt und Leben.

      ◉ der Damm oder das Perineum (von griechisch »Perineos«): Bildet der Körper, genauer gesagt das Becken, nicht einen schützenden Damm um unser Innerstes?

      Von dieser Erfahrung der ersten Durchquerung hängen alle weiteren Etappen unseres Lebens ab: Eintritt in die Kindheit, die Jugend, das Erwachsensein, das Alter und alle Formen von Krisen, bis hin zur letzten Etappe, dem Sterben.

      Wir haben erkannt, wie nötig es ist, Menschen am Lebensende zu begleiten. Dann sollten wir es auch einrichten, im Rahmen der Vorbereitung auf die Geburt das Kind beim Übergang aus der Dimension des Unendlichen und des Lichts in einen Körper zu begleiten. Damit begleitet man auch die Mutter, die sich dem Weiträumigen öffnet, um das Geschenk zu empfangen, das ein Kind darstellt.

      Eine Geburt zu erleben, kommt wahrlich einem Initiationsritus gleich. Ich habe zwei sehr unterschiedliche Beispiele ausgewählt, um das zu veranschaulichen, das erste aus einem ganz profanen Kontext, das andere aus einem spirituellen. So kann jeder einen Zugang finden.

       1. Eine Bergbesteigung

      Die Geburt eines Kindes lässt sich mit einer Bergbesteigung vergleichen, bis hinauf zum Gipfel. Dazu gehören die große Anstrengung, Augenblicke der Entmutigung, der Eindruck des Erhabenseins und das Gefühl, über sich selbst hinauszuwachsen.

      Die Mutter konnte sich vorab vielleicht gar nicht vorstellen, wie heftig diese Anstrengung