XV. (30.) An erlauchten Andreas.
XV. Gesammtausgabe 30.
An erlauchten Andreas.
Inhalt: Freundschaftliche Uebersendung eines Schlüssels, der am Leibe des hl. Petrus berührt war, mit einem Stück der Ketten desselben hl. Apostels.
Der allmächtige Gott präge es Eurem liebreichen Herzen ein, daß Wir, obwohl dem Leibe nach abwesend, Eurer Liebe nicht untreu geworden sind. Denn wenn ich auch wollte, könnte ich Eure Gutthaten nicht vergessen. Daß ich aber, wie Ihr wisset, zur Bischöflichen Würde gekommen bin, das beweinet, wenn Ihr mich liebet! Denn da muß ich mich so sehr mit der Welt beschäftigen, daß ich gerade durch die bischöfliche Würde mich fast von der Liebe Gottes losgetrennt sehe. Dieß beweine ich unaufhörlich und bitte, daß Ihr für mich zum Herrn flehet — Ausserdem schicke ich Euch einen Schlüssel, der am Leihe des hl. Apostels Petrus berührt ist; Kranken aufgelegt, pflegt er durch mancherlei Wunder zu glänzen. Es befindet sich in demselben eingeschlossen auch Etwas von den Ketten desselben hl. Apostels. Jene Ketten, die einst einen so heiligen Nacken fesselten, mögen, um euren Hals gehängt, denselben heiligen!
XVI. (31.) An den Exconsul, Patricier und Quästor Johannes.
XVI. Gesammtausgabe 31.
An den Exconsul, Patricier und Quästor Johannes.
Inhalt: Klage über die Erhebung zur päpstlichen Würde, wozu der Adressat beigetragen. Mahnung, die Welt zu fliehen. Reliquiensendung.
Nachdem ich die Güte Ew. Excellenz erfahren, bin ich von solcher Liebe zu Euch durchdrungen, daß der Gedanke an Euch nicht aus meinem Herzen schwindet. Aber trotz dieser Liebe bin ich über Euch nicht wenig betrübt, weil Ihr wußtet, daß ich nach Ruhe verlange, und mich doch in Unruhe gestürzt70habt. Der allmächtige Gott verleihe Euch dafür die ewigen Güter, weil Ihr es mit guter Meinung gethan habt; mich aber möge er von einer so gefährlichen Stellung befreien, wie es Ihm wohlgefällig sein wird. Denn zur Strafe für meine Sünden bin ich nicht sowohl Bischof der Römer als vielmehr der Longobarden geworden, deren Freundschaftserweisungen Schwertschläge, deren Gunst Bestrafung ist. Sehet, wohin mich Eure Verwendung geführt hat! Täglich seufze ich von Geschäften erdrückt und komme kaum zu Athem. Ihr aber fliehet die Weltgeschäfte, da es Euch noch möglich ist! Denn je mehr Jemand in der Welt vorwärts kommt, um so mehr nimmt er ab, wie ich erfahre, in der Liebe Gottes.
Hiebei schicke ich Euch einen hochheiligen, am Leibe des Apostelfürsten Petrus berührten Schlüssel, der, Kranken aufgelegt, häufig durch Wunder zu glänzen pflegt; es befindet sich in denselben eingeschlossen auch Etwas von den Ketten desselben Apostelfürsten. Dieselben Ketten, welche einst jenen heiligen Nacken fesselten, mögen, um Euren Hals gehängt, denselben heiligen!
XVII. (32.) An Philippus, den Befehlshaber der Leibwache.
XVII. Gesammtausgabe 32.
An Philippus, den Befehlshaber der Leibwache.
Inhalt: Dank für erwiesene Gunst. Empfehlung Italiens.
So wenig der Mensch die Urtheile des Himmels anstreiten oder in Untersuchung ziehen darf, so sehr ist er schuldig, sein Herz denselben zu unterwerfen. Weil er aber nicht weiß, aus welchem Grunde ihm Etwas zu Theil werde, darum darf er weder übereifrig sich um eine Stellung bewerben, noch hartnäckig eine solche zurückweisen. So habe denn auch ich Unwürdiger mich darein gegeben, die Last der bischöflichen Würde nach Gottes Befehl und nach Eurem Willen auf mich zu nehmen. Mehr aus übergroßer Gunst als nach abwägendem Urtheil habt Ihr gewollt, daß ich in dieses Amt eingesetzt werde. Gott, um dessen willen Ihr mich Unwürdigen liebet, ist indessen mächtig genug, Euch diese Gunst auf ewig zu vergelten und Euch bei Ihm reichlich vervielfältigt die Gnade finden zu lassen, die Ihr seinen unwürdigen Dienern erweiset. Möge sich aber Ew. Excellens die Angelegenheiten Italiens empfohlen sein lassen, damit Ihr, wie Ihr Euch gerne den Hilfsbedürftigen zuwendet, auch schnell in Allem Erhorung erlanget, was Ihr von Gott erbittet.
XVIII. (34.) An den ausgetretenen Mönch Venantius, Patrizier von Syrakus.
XVIII. Gesammtausgabe 34.
An den ausgetretenen Mönch Venantius, Patrizier von Syrakus.
Inhalt: Mahnung an denselben, ins Kloster zurückzukehren, zunächst sich dem Papste oder einer römischen Synode zu stellen. — Venantius war ohne Zweifel aus dem Kloster des hl. Andreas getreten, dessen Vorsteher Gregor selbst vor seiner Erhebung gewesen.
Viele thörichte Leute haben gemeint, daß ich, zum bischöflichen Amte erhoben, mich nicht mehr dazu verstehen würde, Dich zu ermahnen und mit Dir in Briefwechsel zu treten. Aber so ist es nicht, sondern gerade meine Stellung verpflichtet mich, nicht zu schweigen. Denn es steht geschrieben: „Rufe ohne Unterlaß, erbebe gleich einer Posaune deine Stimme!„71 Und anderswo: „ Ich habe dich zum Wächter über das Haus Israel bestellt; du sollst aus meinem Munde das Wort hören und es ihnen verkünden in meinem Namen.“72 Gleich darauf wird erklärt, welche Folgen es sowohl für den Wächter als den Hörer habe, je nachdem diese Verkündigung vollzogen oder unterlassen worden ist. „Wenn ich zu dem Gottlosen sage: Du wirst des Todes sterben, und du verkündigst es ihm nicht und sagst ihm’s nicht, daß er von seinem bösen Wege sich bekehre und lebe, so soll derselbe Gottlose in seiner Missethat sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Wenn Du’s aber dem Gottlosen verkündest und er sich nicht bekehrt von seiner Missethat und seinem bösen Wege, so soll derselbe zwar sterben in seiner Missethat, Du aber hast gerettet Deine Seele.“ Deßhalb sagt auch Paulus den Ephesiern: „Darum bezeuge ich auch an dem heutigen Tage, daß meine Hände rein sind von dem Blute Aller. Denn ich habe mich nicht entzogen, euch den ganzen Rathschluß Gottes zu verkünden.„73 Rein wäre er nicht von dem Blute Aller, wenn er ihnen den Rathschluß Gottes nicht hätte verkündigen wollen; denn hätte er als Hirte die Fehlenden nicht tadeln wollen, so hätte er sie ohne Zweifel durch sein Schweigen getödtet. Diese Erwägung treibt mich an, zu reden, es mag Dir lieb sein oder nicht; denn mit aller Entschiedenheit verlange ich, entweder Dich zu retten, oder schuldlos zu sein an Deinem Tode. Denn Du erinnerst Dich Deines frühern Standes und siehst den Abgrund, in welchen Du durch Nichtbeachtung des strengen Gerichtes Gottes gerathen bist. Bedenke also Deine Schuld, so lange es noch Zeit ist; fürchte Dich vor der Strenge des zukünftigenRichters, so lange Du Dich noch fürchten kannst, damit Du nicht erst dann die Bitterkeit dieser Strenge empfindest, wenn Du mit keinen Thränen ihr mehr zu entrinnen vermagst. Erwäge das Wort der Schrift: „Betet, daß eure Flucht nicht im Winter oder am Sabbath vor sich gehe.“ 74 Im Winter hindert nämlich der Frost die Reise, und nach der Vorschrift des Gesetzes ist das Reisen am Sabbath verboten. Im Winter oder am Sabbath sucht also zu fliehen, wer dem Zorne des strengen Richters erst dann zu entkommen sucht, wenn er nicht mehr gehen kann. So lange es also Zeit, so lange es gestattet ist, fliehe eine so schreckliche Strafe; erwäge, was geschrieben steht: „Thu‘ eifrig, was immer Deine Hand thun kann; denn in der Unterwelt, wohin Du eilst, ist weder Werk noch Vernunft, noch Weisheit, noch Wissenschaft.“75 Du weißt, daß nach Zeugniß des Evangeliums die Strenge Gottes uns müssiges Gerede vorhält und über jedes unnütze Wort genaue Rechenschaft fordert. Bedenke, wie sie gegen