Aber ich weiß, daß bei Empfang meines Briefes sogleich die Freunde zusammenkommen, die gelehrten Schützlinge gerufen werben, in einer Lebensfrage von Todesfreunden Rath erholt wird. Da diefe nicht Dich, sondern nur Dein Vermögen lieben, so sagen sie Dir nur, was Du gerade jetzt gerne hörst. Solche Ratbgeber sind es einst gewesen, wie Du Dich selbst erinnerst, die Dich zu Deinem so großen Fehltritt verleitet haben. Um Dir Etwas aus einem weltlichen Schriftsteller anzuführen: „Alles muß man mit den Freunden verhandeln, aber zuerst muß es gewiß sein, daß sie Freunde sind.“ 78Wenn Du aber in Deiner Sache einen Ratgeber suchst, so nimm mich als solchen an, ich bitte Dich darum. Niemand kann Dir mit größerer Treue rathen, als wer nicht Dem Vermögen, sonder Dich selbst liebt. Möge es Dir der allmächtige Gott zu erkennen geben, mit welcher Liebe und Zuneigung mein Herz Dich umfängt, jedoch ohne Hintansetzung der göttlichen Liebe. Denn so befeinde ich Deine Schuld, daß ich Deine Person dabei liebe; aber in solcher Weise liebe ich Deine Person, daß ich Deinen Fehltritt verabscheue. Wenn Du also an meine Liebe glaubst, so erscheine an der Schwelle des apostolischen Stuhles und laß mich Dein Rathgeber sein. Wenn man aber vielleicht mich für übertrieben hält in der Vertheidigung der Sache Gottes und wegen der Gluth meines Eifers für parteiisch, so will ich die ganze Kirche mit der Berathschlagung dieser Angelegenheit beschäftigen, und was Allen nützlich scheint, dem will ich in keinem Stücke entgegen sein, sondern mit Freuden einen allgemeinen Beschluß ausführen und genehmigen. Führe aber auch Du aus, wozu ich Dich gemahnt, — und die Gnade Gottes möge Dich behüten!
XIX. (Ges. Ausg. Nr. 35.) An den Bischof Petrus von Terracina.
XIX. Gesammtausgabe 35.
An den Bischof Petrus von Terracina.
Inhalt: Demselben wird seine zu harte Behandlung der Juden verwiesen und befohlen, ein denselben zugefügtes Unrecht wieder gut zu machen.
Der Jude Joseph, der Überbringer dieses Schreibens hat Uns in Kenntniß gesetzt, daß Deine Brüderlichkeit die Judenschaft von Terracina von einem Platze vertrieben habe, an dem sie zur Feier ihrer Feste zusammen zu kommen pflegte; sie hätten sich dann mit Deinem Wissen und Willen an einen andern Ort zu gleichem Zwecke begeben; jetzt beklagen sie sich, auch von diesem Orte verjagt zu sein. Wenn sich Dieß nun so verhält, so wollen Wir, daß Deine Brüderlichkeit diesen Grund zur Klage hinwegräume, und daß es der Judenschaft erlaubt sei, an dem Versammlungsplatz, den sie, wie gesagt, mit Deinem Vorwissen gewählt haben, nach bisheriger Sitte zusammen zu kommen. Denn die der christlichen Religion Fernstehenden müssen durch Sanftmuth, Wohlwollen, Ermahnung und Belehrung zum wahren Glauben geführt werden, damit sie nicht durch Drohungen und Schrecken abgehalten werden, während man sie durch liebreiche Ansprache und durch die Furcht vor dem zukünftigen Richter hätte für den Glauben gewinnen können. Sie sollen also gerne kommen, um von Euch das Wort Gottes zu hören, nicht aber vor Eurer übertriebenen Strenge erzittern.
XX. (36.) Gregorius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes,an den Subdiakon Petrus.
XX.Gesammtausgabe 36.
Gregorius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes,79an den Subdiakon Petrus. 80
Inhalt: Anweisungen hinsichtlich der Verwaltung der Kirchengüter. Ein schönes Denkmal der Gerechtigkeitsliebe Gregor’s.
Die Anweisung,81die ich Dir bei Deiner Abreise nach Sicilien mitgegeben, mußt Du fleißig und öfters lesen, denn mit größter Sorgfalt ist darüber zu wachen, daß sich die Bischöfe nicht mehr in zeitliche Angelegenheiten einlassen, als es die Noth und der Schutz der Armen erfordert. Was aber in dieser Anweisung hinsichtlich der Mönche und Kleriker steht, das, glaube ich, muß für jetzt beruhen. Gib gemäß Deiner Erfahrung so viel darauf Obacht, als es Dir möglich ist, in diesem Stücke meinen Wunsch zu erfüllen. Ausserdem habe ich vernommen, daß von den Zeiten des Defensors Antoninus bis jetzt, d. h. seit zehn Jahren, viele Leute durch die Verwalter des römischen Kirchengutes gewsames Unrecht erlitten hätten, so daß sie öffentlich klagten, man sei in ihren Besitz gewaltsam eingedrungen, habe ihre Sklaven fortgeschleppt, auch bewegliche Gegenstände ohne irgendwelchen Urtheilsspruch ohne Weiteres fortgenommen. Hinsichtlich all‘ dieser Punkte ist es mein Wille, daß Du gemäß Deiner Erfahrung sorgfältig nachforschest, und wenn Du findest, daß seit diesen zehn Jahren irgend Etwas mit Gewalt entrissen worden sei oder ungerechter Weise im Namen der Kirche vorenthalten werde, so gib es Dem, den Du als Eigenthümer erkennst, in Kraft gegenwärtiger Anordnung zurück. Denn es soll der Beschädigte nicht genöthigt sein, zu mir zu kommen und die Mühe einer so weiten Reise auf sich zu nehmen, besonders da die Wahrheit seiner Aussage hier doch nicht festgestellt werden kann. Im Hinblick also auf die Majestät des kommenden Richters gib Alles zurück, was mit Sünde genommen ist, und wisse, daß Du mir großen Gewinn verschaffest, wenn Du eher Verdienste als Reichthümer sammelst. Viele beklagen sich, wie Wir hören, über den Verlust ihrer Sklaven und geben an, wenn ein vielleicht seinem Herrn entfaufener Sklave sich als Eigenthum der Kirche erklärt habe, so hätten die Verwalter des Kirchengutes ihn sogleich als Eigenthum der Kirche in Beschlag genommen und ohne gerichtliches Urtheil die Aussage des Sklaven mit Gewalt zur Geltung gebracht. Dieß mißfällt mir ebenso sehr, als es Jeder Gerechtigkeit widerspricht. Deßhalb ist es mein Wille, daß Du nach Deiner Erfahrung von allen diesen Vorkommnissen Dir Kenntniß verschaffest und sie ohne alles Säumen in’s Reine bringest. Sollten noch solche Sklaven im Besitze der Kirche sein, so geziemt es sich, daß man sie vor jedem Urtheilsspruch zurückerstatte, wie sie ohne gerichtliches Urtheil ihrem Herrn entzogen worden sind. Sollten einige von diesen dennoch der heiligen Kirche von Rechtswegen zugehören, so müßte man gegen ihre Besitzer auf geordnetem Rechtsweg vorgehen. Mache Dieß alles ohne Zögern gut, denn dann wirst Du in Wahrheit ein Streiter des hl. Apostels Petrus sein, wenn Du in seiner Sache Recht und Wahrheit auch ohne Rückficht auf seine eigene Person aufrecht hältst! Wenn Du aber auch siehst, daß die Kirche Etwas mit Recht beanspruchen könne, so hüte Dich doch, bei Vertheidigung dieses Rechtes jemals Gewalt anzuwenden, besonders weil ich ein Gesetz mit Bannesandrohung erlassen habe, daß niemals von unsrer Kirche auf einem Stadt- ober Landgute Eigenthumszeichen82errichtet werden dürften; sondern was mit Recht den Armen gehört, das muß auch mit Recht vertheidigt werden, damit nicht durch schlechte Führung einer guten Sache uns vor dem allmächtigen Gott als Ungerechtigkeit angerechnet werde, was an und für sich mit Gerechtigkeit von uns hätte beansprucht werden dürfen. Ich wünsche, daß der Adel und der Mann von Verdienst Dich wegen Deiner Demuth liebe, nicht wegen Stolzes verabscheue. Und doch wenn Du sie etwa gegen Arme eine Ungerechtigkeit verüben siehst, so erhebe Dich von Deiner Demuth schnell in die Höhe, so daß Du ihnen unterwürfig bist, so lange sie recht handeln, aber ihr Gegner, wenn sie Böses thun. Handle so, daß Deine Demuth nie als Schwäche, Deine Autorität