XI. (21.) An den Bischof Natalis von Salona
XI. Gesammtausgabe 21.
An den Bischof Natalis von Salona29
Inhalt: Dank für Glückwünsche und Bitte um das Gebet.
Euer Schreiben, ehrwürdigster Bruder, durch welches Ihr Uns zu Unsrer Erhebung Glück wünschet, haben Wir durch Euren Abgesandten, den Diakon Stephanus, empfangen, und wohl sind die Beweise Eurer Gunst und Liebe sehr glaubwürdig, da es Eure eigene Würde mit sich bringt, daß Ihr über die Unfsige Euch freuet. Obwohl Wir indessen durch Euren Glückwunsch aufgemuntert wurden, so können Wir Euch doch nicht Unsre innere Stimmung verhehlen, daß wir nämlich die Last dieser Würde sehr ungern auf Uns genommen haben. Da Wir aber dem Urtheile Gottes nicht Widerstand leisten konnten, so haben Wir notgedrungen Uns zu einer tröstlichen Ansicht der Sachlage emporgeschwungen. Deßungeachtet aber bitten Wir Euch, ehrwürdigster Bruder, durch diesen Brief sowohl Uns als die Unsrer Sorgfalt anvertraute christliche Heerde den Trost Eures Gebetes genießen zu lassen, damit Wir die Stürme der Zeit mit Hilfe dieses mächtigen Bollwerkes zu überwinden vermögen. Im Monat Februar 591.
XII. (25.) An Johannes von Konstantinopel, Eulogius von Alexandria, Greegorius von Antiochia, Johannes von Jerusalem und an den Expatriarchen Anastasius von Antiochia. (In gleichen Abschriften)
XII.Gesammtausgabe 25.
An Johannes von Konstantinopel, Eulogius von Alexandria, Greegorius von Antiochia, Johannes von Jerusalem und an den Expatriarchen Anastasius von Antiochia. (In gleichen Abschriften)30
Inhalt: Die wichtigsten priesterlichen Pflichten werden an alttestamentlichen Vorbildern gezeigt. Bitte um das Gebet und Glaubensbekenntniß.
Wenn ich erwäge, daß ich ohne hinreichendes Verdienst und aus ganzer Seele widerstrebend gezwungen worden bin, die Last des Hirtenamtes zu tragen, so überfällt mich düstere Trauer und das betrübte Herz sieht Nichts als undurchdringliche Finsterniß. Denn zu was wird ein Bischof vom Herrn erwählt, als um Fürsprecher für des Volkes Sünden zu sein? Mit welchem Vertrauen soll nun ich als Fürsprecher für fremde Sünden zu ihm kommen, da ich wegen meiner eigenen Sünden bei ihm keine Sicherheit habe? Würde etwa Jemand mich um meine Fürsprache bei einen Machthaber angehen, der ihm zürnend, mir aber unbekannt wäre, so würde ich augenblicklich antworten: „Ich kann nicht mit einer Fürsprache zu ihm kommen, da ich nicht in vertrauter Freundschaft zu ihm stehe." Wenn ich mich also schämen müßte, bei einem andern Menschen, obschon ich ihn keineswegs beleidigt hätte, als Fürsprecher aufzutreten, welche Verwegenheit ist es dann, daß ich bei Gott die Stelle eines Fürsprechers für das Volk einnehme, obwohl ich mir nicht bewußt bin, ihm durch ein verdienstvolles Leben befreundet zu sein! Dabei habe ich noch etwa Ärgeres zu fürchten; denn wir alle wissen ganz gut, daß des Zürnenden Sinn noch mehr erbittert wird, wenn man einen ihm Mißfälligen als Fürsprecher sendet. Und ich fürchte sehr, das mir anvertraute gläubige Volk, dessen Sünden der Herr bisher mit Geduld ertrug, werde jetzt zu Grunde gehen, da auch meine Schuld nun auf dasselbe fällt. Wenn ich aber diese Furcht so gut es geht, zurückdränge und mich zum priesterlichen Werke rüste, so erschrecke ich bei Betrachtung der ungeheuren Aufgabe, die mir zugefallen.
Ich erwäge nämlich, wie viel darauf ankommt, daß der Oberhirte rein sei in seinen Gedanken, musterhaft in seiner Handlungsweise, vorsichtig im Stillschweigen, nutzbringend in seinen Reden, Allen der Nächste durch mitleidige Liebe, mehr als Alle der Betrachtung ergeben, den Rechtschaffenen ein demüthiger Bundesgenosse, den Lastern der Bösen aber mit eifernder Gerechtigkeit gegenüber stehend.31 Wenn ich Dieß alles mit sorgfältiger Untersuchung zu erforschen mich bestrebe, so beängstigt mich bei jedem einzelnen Punkte, wie viel dabei zu erwägen wäre. Denn, wie gesagt, es ist sorgfältig darauf zu achten, daß der Oberhirte rein sei in seinen Gedanken, damit Den keine Unreinigkeit beflecke, der das Amt übernommen hat, aus den Herzen Anderer die Flecken der Unreinigkeit zu tilgen. Denn die Hand, welche den Schmutz hinwegwaschen will, muß rein zu sein sich bestreben, damit sie nicht Alles, was sie anrührt, noch schmutziger mache, weil an ihrem eigenen Schmutze jeder andere Koth hängen bleibt. Es steht ja geschrieben: „Reinigt euch, die ihr die Gefäße des Herrn traget.“32Die Gefäße des Herrn tragen nämlich Diejenigen, welche es auf sich nehmen, die Seelen ihrer Mitmenschen durch das Beispiel ihres Wandels in das Heiligthum des innern Lebens einzuführen. Es bedenke also bei sich selbst, wie rein sein müsse, wer lebendige Gefäße gleichsam im Schooße seines eigenen erbaulichen Wandels zum Tempel der Ewigkeit trägt. Deßhalb befahl Gottes Stimme, daß aus Aaron’s Brust das Urtheilsblatt33mit Binden befestigt werde, weil flüchtige Gedanken sich des priesterlichen Herzens nicht bemächtigen dürfen, sondern die Vernunft allein darin herrschen muß. Nichts Unbesonnenes oder Unnützes denke, wer Andern als Muster für ihr Leben vor Augen gestellt durch seinen Ernst immer zeigen muß, welche Gesinnung er in seinem Busen trage.
Nicht ohne Grund wird beigefügt, daß auf diesem Urtheilsblatt die Namen der zwölf Patriarchen geschrieben waren. Denn die Namen der Stammväter auf der Brust geschrieben zu tragen, bedeutet, daß man das Leben der Vorväter ohne Unterlaß bedenke. Dann wandelt nämlich der Priester tadellos, wenn er die Beispiele der Vorväter unaufhörfich vor Augen hat, wenn er unablässig die Fußtapfen der Heiligen betrachtet und alle unerlaubten Gedanken sich ausschlägt, damit er nicht in seiner Handlungsweise die Schranken seines Standes überschreite.
Wenn ich mich dann zur Erwägung der Werke wende, zu welchen ein Hirte verpflichtet ist, so bedenke ich, welche Mühe er sich geben muß, damit er in seiner Handlungsweise musterhaft sei und so durch sein Leben den Untergebenen den Weg des Lebens zeige und die Heerde, welche der Stimme und dem Vorgang des Hirten folgt, mehr noch nach seinem Beispiel als nach seinen Worten sich richten könne. Denn da seine Stellung ihn nöthigt, die erhabensten Wahrheiten zu verkündigen, so befindet er sich eben deßhalb auch in der Nothwendigkeit, die erhabensten Beispiele zu geben. Jene Worte dringen nämlich am leichtesten in die Herzen der Hörer, welche durch das Leben des Predigers unterstützt sind, indem er in diesem Falle durch sein eigenes Vorbild dazu hilft, daß seine Vorschriften ausgeführt werden. Deßhalb sagt der Prophet: „Steig auf einen hohen Berg, der du Sion frohe Botschaft bringst."34Denn wer himmlische Dinge predigt, der muß die Niederungen der Welt verlassen und gleichsam auf dem Höhepunkt aller Dinge stehen, damit er um so leichter die Untergebenen zur Vollkommenheit heranziehe von je höherem Standpunkt aus sein verdienstvolles Leben ihnen zuruft.
Deßhalb bekam auch der Priester beim Opfer das losgetrennte rechte Schulterstück des Opferthieres, 35auf daß seine Handlungsweise nicht bloß nutzbringend sei, sondern vor der Anderer Etwas voraus habe und er nicht bloß im Gegensatze zu den Bösen das Gute thue, sondern an die rechtschaffenen Untergebenen so sehr durch tugendhaften Wandel übertreffe, wie er sie an Würde und Weihe überragt. Auch wird ihm mit dem Schulterstück die Brust des Opferthieres zur Mahlzeit gegeben, damit er an sich selbst das seinem Schöpfer opfere, was er nach dem Gesetz von dem Opfer zu nehmen hat. Nicht nur gute Gedanken sollen seine Brust bewegen, sondern er soll auch Alle, die ihn sehen, durch die Werke feiner Hände, die durch das Schulterstück angedeutet werden, nach oben lenken. Er verlange und fürchte Nichts, was nur auf das vergängliche Leben Bezug hat; er verachte die Schmeicheleien der Welt im Hinblick auf den innern Richter, ihre Schrecken aber im Hinblick auf die Süßigkeit des innern Trostes. Und auf beiden Schultern wird nach Gottes Befehl36dem Priester das Schulterkleid angeheftet, damit er bei Glück und Unglück den Schmuck der Tugend als Schild gebrauche und so nach dem Worte des Apostels Paulus „nach rechts und links mit den Waffen der Gerechtigkeit"37gerüstet einherschreite, allein nach dem strebend, was vor ihm liegt, und in keiner Weise niedriger Lust sich zuneigend. Das Glück soll ihn nicht stolz machen, das Unglück nicht in Verwirrung bringen, Angenehmes soll ihn nicht verweichlichen, ein hartes Loos nicht zur Verzweiflung führen, und so, keine Leidenschaft die Seele beugend, soll er die Schönheit des Schulterkleides auf beiden Schultern den Menschen zu schauen geben.