Essentielle Befreiung. A.H. Almaas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.H. Almaas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783867811521
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herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die Natur des Geistes die Leere ist, eine vollkommene Abwesenheit von allem. Nach diesem Modell kommen die Gedanken nicht von irgendwo, und sie gehen nicht irgendwohin; sie kommen aus Nichts und gehen zurück in Nichts. Der Geist ist letztlich eine riesige, grenzenlose, unbegrenzte Leere. Diese Leere ist selbst nichts Existentes, etwas, was als „Leere“ bezeichnet wird.

      Die Natur des Geistes wird als ein Raum gesehen, aber sogar die Vorstellung des Raumes muß transzendiert werden, um seine Natur in ihrer Tiefe zu verstehen. Solange Raum da ist, ist jemand da, der etwas erfährt und es Raum nennt. Zur vollkommenen Erfahrung der Natur des Geistes gehört aber vollkommene Offenheit oder ein vollkommenes Nichts. Wenn man wirklich die Natur des Geistes erfährt, dann ist da äußerste Stille ohne einen Beobachter, der irgend etwas beobachtete, ohne eine Erfahrung, einen Gedanken oder irgendeine Bezeichnung. Wer immer die Erfahrung machte, wäre nur einer dieser Inhalte, nur ein Gedanke oder ein Gefühl oder eine Konstellation von Gedanken oder Gefühlen. Man findet weiter nichts, man findet nicht einmal Raum; es wird Raum geben, aber niemanden, der ihn finden könnte. Dies wird manchmal der „Grund der Existenz“ genannt. Aus dieser Perspektive nimmt man dann an, daß Geist alles ist und der Grund für alles. Alles ist der Geist, weil der Geist in seiner absolutesten Natur als Nichts bekannt ist, als die Abwesenheit von allem, und das wird als der Grund für alles gesehen.

      Nichts existiert ohne dieses Nichts. Alles, was existiert, braucht eine gewisse Art Raum, um darin existieren zu können. Es ist also nicht nur der Grund aller Erfahrung, es ist der Grund von allem. Es wird als die „Grundnatur von Realität“ angesehen, als die tiefste Natur der Realität. Wenn alles ruhig wird, ist letztlich nichts da. Es ist nicht so, daß jemand schaut und nichts finden kann; in diesem Prozeß des Schauens beginnt man, nach sich selbst zu suchen, und findet sich nicht. Und schließlich ist nichts da. Das bedeutet nicht, daß der physische Körper nicht existiert. Es ist einfach kein Seiendes da, das diese Eindrücke produziert, wahrnimmt oder organisiert, nur Eindrücke selbst. Es sind einfach nur diese Eindrücke da, die kommen und gehen; sie kommen von nirgendwo und gehen nirgendwohin. Und dann können alle Eindrücke aufhören und vollkommene Leere enthüllen. Dies hält man für die grundlegendste Natur der Realität, den Grund aller Existenz. Wir nennen diesen Grund hier „Raum“, weil diese Erfahrung eher wie Raum ist. Es ist üblich, Raum auch mit Inhalt zu erfahren; dann wird Raum nicht vollkommen erfahren. Aber wenn ihr euch erlaubt, zu der Quelle von allem vorzudringen, werdet ihr zu einem Nichts oder Raum gelangen. Das Nichts kann so umfassend sein, daß da auch die Abwesenheit des Bewußtseins von Nichts ist. Wenn Bewußtsein des Nichts da ist, dann ist immer noch jemand da, der untersuchen kann, jemand der fragen kann: „Was ist das?“ Wenn ihr in eurer Untersuchung noch weiter geht, verschwindet auch das, und dann ist wirklich nichts da. Dieses „Nichts als ein Raum“ geht also so tief, daß es nach einer Weile das Bewußtsein von sich selbst auslöscht.

      Weil unser normales Bewußtsein etwas nur in der Form erfahren kann, daß jemand etwas anderes erfährt, können wir nichts erfahren, ohne daß es verändert, abgeschwächt, eingeschränkt wird, weil unsere gewöhnliche Bewußtheit (awareness) sehr beschränkt und begrenzt ist. Ihre Tendenz ist Beschränkung, Begrenzung, Spezialisierung, Bezeichnung und Konzeptualisierung. Die einzige Art und Weise, wie wir vollkommenes Nichts erfahren können, besteht darin, daß das gewöhnliche Bewußtsein aufhört. Wenn es aufgehört hat, erfährt man es als seine Abwesenheit, und seine Abwesenheit erfährt man als die Abwesenheit von allem. Es wird nicht nur als die Abwesenheit von allem gesehen, sondern auch als die Abwesenheit der Abwesenheit von allem.

      Diese Erfahrung wird „Aufhören“ oder „Auslöschung“ genannt: vollkommener Tod. Es ist das, was man gewöhnlich für den Tod hält. Genau so ist der Tod. Man muß nicht physisch sterben, um ihn zu erfahren. Das bedeutet nicht notwendigerweise, daß man diese Art Tod erfährt, wenn man physisch stirbt. Es ist das völlige Aufhören und die Abwesenheit von allem. Wie ich schon sagte, ist diese Erfahrung zum Teil notwendig, weil die Persönlichkeit ihr eigenes Bewußtsein hat, das verschwinden muß. Wenn es aufgehört hat, ist es jedoch möglich, daß ein anderes Bewußtsein da ist, um den ganzen, grenzenlosen, unbegrenzten Raum so zu erfahren, wie er ist. Es besteht die Notwendigkeit, daß ein vollkommenes, grenzenloses unbegrenztes Bewußtsein Nichts erfährt. Mit eurem eigenen Bewußtsein könnt ihr wirkliche Unbegrenztheit, wirkliche Grenzenlosigkeit nicht erfahren. In der Erfahrung der wirklichen, unbegrenzten, ganzen Unendlichkeit des Nichts ist euer Bewußtsein selbst unbegrenzt, grenzenlos und unendlich; das heißt, es ist nicht individuell, nicht eingeschränkt und nicht getrennt von dem, was erfahren wird. Wenn sich diese Art Unbewußtes manifestiert, ist es das, was man „kosmisches Bewußtsein“ oder „universelles Bewußtsein“ oder „ursprünglicher Geist“ nennt.

      Wir sehen hier also eine andere Bedeutung von Geist, nämlich „reines Bewußtsein“. Hier gibt es Wahrnehmung, aber es ist keine Wahrnehmung von etwas, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit selbst. An diesem Punkt gehen wir in den Geist, nicht in seiner Bedeutung von Raum, sondern von Wahrnehmung, Bewußtsein. Wir sehen, daß wir immer dieses Bewußtsein haben. Jeder Mensch und jedes Lebewesen hat dieses Bewußtsein. In unserer Alltagserfahrung gibt es immer ein Bewußtsein von etwas; wir kennen niemals das Bewußtsein an sich. Es gibt immer nur ein Bewußtsein von dem Teppich, von meinem Fuß, von meinem Geist. Bewußtsein und der Inhalt des Bewußtseins sind niemals getrennt. Bewußtsein wird immer als der Inhalt des Bewußtseins verstanden, weil wir mit unserem begrenzten Bewußtsein so funktionieren. Wir sehen nie Bewußtsein an sich, in seiner Reinheit.

      Bewußtsein in seiner Reinheit sehen heißt das erfahren, was man „universelles Bewußtsein“ nennt, heißt den Geist als reines Bewußtsein erfahren. Wenn man den Geist als Bewußtsein erfährt, ist es auch Wissen, das Element des Wissens an sich. Entweder muß das individuelle Bewußtsein den Prozeß des Sterbens des Ego durchmachen und dann, wie beschrieben, als universelles Bewußtsein wiedergeboren werden, oder individuelles Bewußtsein muß sich ausdehnen, um universelles Bewußtsein zu werden. Es ist eher so, als erführe Raum den Raum, als daß jemand Raum erführe, und dieser ist grenzenlos. Es ist schwer zu beschreiben, was „universelles Bewußtsein“ oder was der „Geist als Bewußtsein“ bedeutet, weil es bzw. er keine Gedanken enthält. Sobald es Gedanken gibt, trennt einen der Inhalt von dem Bewußtsein. Es gibt keine Gedanken; euer Kopf fühlt sich ausgedehnt an, euer Bewußtsein breitet sich unendlich aus. Es hat keine Grenzen und keine Mitte. Es gibt hier keinen Jemand, der etwas betrachtet, was da ist. Das Schauen ist überall. Alles ist Bewußtsein, das als ein Universum von Bewußtsein existiert – unbegrenzt und unendlich.

      Man kann nicht verstehen, was universelles Bewußtsein ist, ohne es zu erfahren, weil es die gewöhnliche Ebene von Verstehen auslöscht. Das Verstehen des universellen Bewußtseins ist genau die Auslöschung von Getrenntheit, von jeder Trennung bei der Wahrnehmung, einschließlich der Gedanken über Bewußtsein. Es gibt kein Bewußtsein von irgend etwas im besonderen. Das ist für die meisten von uns eine fremde Erfahrung, weil wir Bewußtsein nur als „Bewußtsein von etwas“ kennen. In der reinen Erfahrung von Bewußtsein gibt es keine Erfahrung von Körper oder Gedanken; es gibt keine Erfahrung, niemanden, der erfährt, kein Selbst. Daher stammt die buddhistische Vorstellung der Selbst-losigkeit. Die Buddhisten sagen, daß es letztlich kein Selbst gibt, weil man in diesem Aspekt, im universellen Bewußtsein, kein Selbst erfahren kann. Jede Begrenzung auf Seiendes (entity-ness) hält einen davon ab, diese Weite, die die Auslöschung der Getrenntheit, die Auslöschung von Unterscheiden ist, zu erfahren. Da ist vollkommene Nichtdifferenziertheit. Da gibt es keine Getrenntheit, keine zwei und keinen Gedanken von Einssein.

      Gewöhnliches individuelles Bewußtsein basiert in Wirklichkeit auf diesem nichtdifferenzierten Bewußtsein. Wir benutzen es dauernd, aber wir schränken es ein. Dieses Element von Bewußtsein, das oft als ein blauer Raum oder als ein blaues Licht erfahren wird, das ursprünglichste Element von Wissen an sich, wird auch „Ursprung von Bewußtsein“ genannt, „Ursprung von Wissen“; ohne es gibt es kein Bewußtsein oder Wissen. Näher kann Erfahrung dem Sehen von Wissen, wie es ist, nicht kommen. Dieses ursprüngliche Bewußtsein wird von Hindus und manchen Buddhisten für die Natur des Geistes gehalten. Dies ist dann ein Konzept von der Natur des Geistes: Man denkt ihn sich als Bewußtsein, als eine Fähigkeit, die Natur selbst oder Substanz des Wissens. Ohne diese kann es kein Wissen, kein Bewußtsein, keine Wahrnehmung