Essentielle Befreiung. A.H. Almaas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.H. Almaas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783867811521
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verletzt mich nicht, was ist gut für mich?“ Aktivität ist um das Ich konzentriert, das Gefühl der Ich-Identität. Mitgefühl ist ein Mittel, das diese Fixierung oder Begrenzung auflöst und euch von Selbstbezogenheit befreit. Freundlichkeit macht den Schmerz, den ihr spürt, wenn ihr schwierige Arbeit tut, erträglich und führt zu mehr Vertrauen in euren Kopf, eure Essenz und euer Herz. Es bringt mehr Sanftheit in eure Arbeit, führt zu mehr Mitgefühl mit anderen und trägt zur Auflösung der selbstbezogenen Fixierung bei, die eine der Hauptbarrieren auf dem Weg zur Selbstbefreiung ist. Es ist ein sehr notwendiger Faktor, der entwikkelt werden muß, wenn wir die Muster und Themen, die die Persönlichkeit betreffen durcharbeiten.

      Ein anderer Faktor, der bei dieser Arbeit notwendig ist, ist innerer Frieden: die Fähigkeit zu schweigen, still zu sein, nicht dauernd aktiv und laut sein zu müssen. Stille des Geistes. Um wahre Befreiung zu erkennen, müßt ihr diese Fähigkeit zur Stille und zu innerem Frieden besitzen, weil Befreiung so flüchtig ist. Wenn ihr denkt und grübelt und plant und euren normalen kurzlebigen Aktivitäten nachgeht, schließt ihr diese Erfahrung aus eurem Leben aus. Wenn ihr die Stille entwickelt und wertschätzt, die zur Abwesenheit von Aufgeregtheit führt, dann laßt ihr einen Zustand von Ruhe zu, der zu Intuition, zu Einsicht und zu den subtilen Wahrnehmungen führt.

      Der nächste Faktor, der gebraucht wird, ist die Fähigkeit, sich von etwas ganz absorbieren zu lassen, total von dem absorbiert zu sein, was ihr tut, was immer es ist, was auch immer für ein Zustand gerade da ist. Ihr werdet in eurer Erfahrung so fokussiert, daß ihr euch vollkommen auf sie einlaßt und so sehr einlaßt, daß ihr in ihr aufgeht. Dies ist eine bestimmte Art von Beziehung zu Erfahrung, eine bestimmte Fähigkeit, eine bestimmte Freiheit von der Persönlichkeit. Die Persönlichkeit hält gewöhnlich eine Trennung von der Erfahrung aufrecht. Sie hat Angst davor, sich völlig aufzulösen, eins mit Erfahrung zu werden. Wenn ihr Essenz ganz erfahrt, dann ist das nicht eine explizite, umgrenzte Erfahrung; ihr seid so von ihr eingenommen, daß nichts da ist außer Essenz. Wenn ihr daran arbeitet, einen Tisch zu machen, dann seid ihr so darin versunken, daß ihr, das Werkzeug und der Tisch eins seid. Kein Kopf macht eine Unterscheidung oder Trennung in der Erfahrung. Ihr könnt von einer Handlung, einer Emotion, einem Gedanken, einer Sinneswahrnehmung oder einem essentiellen Aspekt eingenommen sein. Die Hindus nennen diesen Zustand ‚Samadhi‘, vollkommene Versenkung. In diesem Zustand erlaubt sich die Persönlichkeit selbst, zu sterben, sich aufzulösen, ganz eingetaucht in das und ganz verschmolzen mit dem zu sein, was immer gerade die Erfahrung ist.

      Der siebte und letzte Faktor von Befreiung ist Aufwachen – die Fähigkeit, wach in eurer Erfahrung zu sein. Wir sprachen über die Fähigkeit, von eurer Erfahrung eingenommen zu sein; es gibt auch die Fähigkeit, wirklich wach zu sein, bewußt, gewahr zu sein. Ihr seid so bewußt, daß ihr das Gefühl habt, ihr wäret gerade aufgewacht. Da ist ein Gefühl, daß ihr ganz in Licht eingehüllt seid. Die Qualität von Wachheit ist ein Gegenmittel gegen Schläfrigkeit und gegen Dumpfheit der Wahrnehmung, wenn ihr die Arbeit tut. Sie ist nötig, um die Themen, die eure Persönlichkeit betreffen, zu verstehen, und sie hilft dabei, mit Verhaftetsein umzugehen. Ihr seid wach für das, was geschieht; ihr schlaft nicht, ihr seid bewußt. Ihr seid mit Klarheit und Licht wach; die Dinge werden klar und scharf umrissen. Ihr seht die Dinge, wie sie sind, was genau da ist, nicht was euer Unbewußtes sieht. Es ist klar und hell, wie ein offener, klarer Himmel, die Abwesenheit von Nebel oder Dunst. Es ist nicht so, als wäre der Himmel klar und ihr schaut ihn an – ihr seid die Klarheit. Der Geist (mind) funktioniert mit vollkommener Offenheit und Klarheit.

      Die Kombination all dieser Faktoren führt zu Objektivität. Die sieben Faktoren – die Energie, die Entschlossenheit, die freudige Erregung, die Freundlichkeit, die Versenkung, die Ruhe und die Wachheit – kommen im richtigen Verhältnis zusammen und existieren als ein einziges Phänomen, dessen Qualität Objektivität ist. Objektivität ist genau das, was nötig ist, um mit der Persönlichkeit, ihren Grundmustern und ihren Neigungen, haben zu wollen und festzuhalten, umzugehen. Mit Objektivität seid ihr nicht von eurem Über-Ich oder eurem Unbewußten beeinflußt; was ihr seht, ist das, was da ist. Ihr seid nicht von eurer vergangenen Erfahrung, von Konzepten oder von Meinungen festgelegt. Eure Stärke ist objektiv; euer Wille ist objektiv: eure Freude ist objektiv; eure Freundlichkeit ist objektiv; eure Ruhe ist objektiv; eure Fähigkeit, euch einnehmen und auflösen zu lassen, ist objektiv. Objektivität bringt die sieben Faktoren in eine andere Dimension, auf eine andere Ebene. Die sieben Faktoren werden die lataif genannt, die sieben Elemente des subtilen Bewußtseins. Die Energie ist die rote latifa; die Entschlossenheit ist die weiße latifa; die Freude ist die gelbe latifa; die Freundlichkeit oder das Mitgefühl ist die grüne latifa; Frieden oder Ruhe ist die schwarze latifa; die Versenkung ist die blaue latifa; die Wachheit, die uns von Begierden befreien kann, ist das, was wir die durchsichtige, klare latifa nennen. Die lataif sind eine sehr subtile Art von Präsenz; manche sagen, sie seien wie Luft, eine subtile, feinstoffliche Luft, die diese Qualitäten in euch hervorbringt.

      Das Bewußtsein nun ist objektiv, weil es die sieben Faktoren in ein ausgewogenes Verhältnis bringt, und es ist genau das, was nötig ist, um von dem Anhaften und Haben-Wollen frei zu sein, die die grundlegenden Charakteristika der Persönlichkeit sind. Das objektive Bewußtsein, das wir das „diamantene Bewußtsein“ nennen, erlaubt Freiheit von diesen Aspekten der Persönlichkeit. Das diamantene Bewußtsein ist ein panoramisches Bewußtsein im Gegensatz zu den fixierten Formen der Persönlichkeit.

      Wenn ihr eure Schwierigkeiten und Konflikte objektiv betrachten könntet, würdet ihr sehen, daß sie nichts als Widerstand gegen diese Objektivität sind; Widerstand dagegen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Ihr seid mit dem verhaftet, woran ihr festhaltet, und ihr wollt die Dinge nicht so sehen, wie sie sind.

      Mehr als mit irgend etwas anderem seid ihr eurer Persönlichkeit selbst verhaftet, der Art, wie eure Persönlichkeit funktioniert, euren Vorlieben, Abneigungen und Mustern. Ihr lebt seit langer Zeit mit eurer Persönlichkeit, und sie ist euch vertraut. Auch wenn ihr Teile von ihr nicht mögt, ist sie trotzdem vertraut und zuverlässig. Warum sie also aufgeben? Ihr wollt nicht frei von ihr sein.

      „Objektiv sein“ heißt, daß ihr sehen müßt, welche Rolle eure Persönlichkeit spielt. Es ist dieses objektive Bewußtsein, das den Zustand von Befreiung wahrnehmen kann, weil es keine Haltung des Festhaltens oder Trübungen hat, die die Wahrnehmung blockieren. Diese Faktoren werden nicht nur deshalb „Faktoren der Erleuchtung“ genannt, weil sie euch zu Objektivität und Befreiung führen werden, sondern auch weil sie im Zustand der Befreiung selbst präsent sind. Ihr seid voll Freude, ihr seid freundlich, ihr habt Energie, ihr seid entschlossen, ihr seid klar, ihr seid wach, ihr geht vollkommen in eurer Erfahrung auf, ihr seid ruhig. All diese Qualitäten sind auf der objektiven Ebene, wie dem diamantenen Bewußtsein oder dem objektiven Bewußtsein gemeinsam präsent. Wenn dieses diamantene Bewußtsein schließlich den Zustand der Befreiung wahrnimmt, schmilzt es einfach, wird weicher, zart, flüssig, entspannt und fließend. Da ist keine Struktur, keine Fixierung, kein Es-so-oder-anders-haben-Wollen, keine Vorliebe für das eine oder andere. Es ist nicht so, als wäret ihr objektiv oder nicht objektiv oder als wäret ihr freundlich oder nicht freundlich – nichts davon. Alles ist auf eine schmelzende, frei fließende, lockere Art da. Alles ist so locker, so frei, daß ihr nicht einmal denkt, daß ihr freundlich oder daß ihr glücklich seid. In dem Moment, in dem ihr sagt: „Oh, ich bin jetzt glücklich!“ ist es vorbei. Ihr seid es, und das ist alles. Ihr kümmert euch nicht darum, ihr tut, was ihr zu tun habt, frühstückt, lest die Zeitung, geht zur Arbeit, streitet euch. Es spielt keine Rolle, was ihr tut. Da ist vollkommene Freiheit. Ihr habt gelernt, gelassen zu sein. Ihr seid befreit, und ihr seid wach. Die Qualität des klaren Lichtes ist wichtig, weil ihr wach seid und wißt, daß ihr wißt. Das ist der Augenblick des Erkennens. Ein Kind kann in einem befreiten Zustand sein, aber es erkennt ihn nicht, verliert ihn und weiß nicht einmal, daß es ihn verloren hat. Wenn ihr aber erwachsen seid, erkennt ihr ihn, ihr seid wach. Deshalb betonen die Buddhisten das klare Licht, das Erwachen, weil es etwas Zusätzliches ist, das nötig ist. Ihr braucht das klare Licht, um in diesem Zustand wach zu sein und ihn zu erkennen. Ihr seid von ihm eingenommen. Ihr versucht nicht fieberhaft, ihn festzuhalten.

      Die sieben Faktoren bilden schließlich den achten Faktor, der aus allen sieben zusammen besteht, und damit ein Achteck. Ich habe über diese