Entspanntes Selbstvertrauen
Wenn Sie aus der permanenten Unsicherheit heraus, ob Sie womöglich etwas falsch machen, schwer an Ihrer Elternrolle arbeiten, wird das höchstwahrscheinlich nicht dazu beitragen, dass Ihr Kind sich sicherer fühlt. Liebevolle Begleitung, die Sicherheit vermittelt, hat in Wirklichkeit damit zu tun, dass wir in Bezug auf unsere Entscheidungen (zumindest einigermaßen) entspannt sind, sowie darauf vertrauen, dass wir die Dinge gut genug machen und uns im Bereich dessen bewegen, was gut für unser Kind ist. Die Frage, die Ihnen durch dieses Buch zur Gewohnheit werden kann, ist die gleiche Frage, die auch Ihr Kind Ihnen unausgesprochen stellt: „Geht es hier um Ihr Bedürfnis, ein guter Vater oder eine gute Mutter zu sein, oder um das tatsächliche Bedürfnis Ihres Kindes in diesem Moment?“ Unsere Kinder wissen fast immer, was unter der Oberfläche los ist: „Sind Sie unsicher und tun das, was auch immer Sie gerade tun, vor allem deswegen, um bloß keinen Fehler zu machen – oder konzentrieren Sie sich darauf, was gerade wirklich gebraucht wird?“ Oder, wie ein Kind es vielleicht eher formulieren würde: „Kannst du dich (bitte) abregen und darauf vertrauen, dass du in Ordnung bist und wir einen Weg durch diesen Schlamassel finden werden?“ Was so viel heißt wie: „Wenn du darauf vertraust, dass du gut genug bist, kann ich mich beruhigen und den Trost bekommen, den ich in meiner Not am meisten brauche.“
Eine neuere Studie aus Deutschland zeigt, dass die Kinder von entspannten Eltern, die ihre Kinder weder überwachen noch sich zu sehr auf sie konzentrieren, weniger ängstlich sind. Für ein Kind fühlt es sich in der Tat überfordernd an, wenn es zu sehr im Fokus steht und die Eltern bei allem mitmischen. Babys und kleine Kinder scheinen den Unterton unseres Verhaltens genauso wahrnehmen zu können wie das Verhalten an sich. Wenn wir ängstlich sind, spüren sie das auf ihre eigene Art und Weise. Die besagte Studie verweist darauf, wie wichtig, wenn nicht gar von zentraler Bedeutung es ist, Eltern dabei zu unterstützen, ihre eigenen Gefühle regulieren zu können, damit sie selbstsicher und gelassen mit ihrem Kind umgehen können.
Unserer Erfahrung nach gelingt das am besten dadurch, dass man Eltern hilft, die Landschaft des Elternseins zu verstehen und mithilfe einer einfachen Landkarte (dem Kreis der Sicherheit, der im folgenden Kapitel dargestellt und ausführlich beschrieben wird) zu realisieren, dass es wichtige Themen gibt, die man erkennen und mit denen man umgehen muss, aber niemals aus Angst oder Unsicherheit oder dem Druck heraus, alles „genau richtig zu machen“. „Ich reagiere auf diese Weise, weil ich darauf vertraue, dass es wichtig ist, und nicht, weil es sich so anfühlt, als würde ich meinem Kind irreparablen Schaden zufügen, wenn ich das nicht tue.“
Den Kreis im Blick behalten
Wenn unsere Fähigkeit, ruhig und selbstsicher auf unsere Kinder einzugehen, von einem aufreibenden Alltag eingeschränkt wird, was ja sehr oft der Fall ist, sind wir nur allzu leicht vom gegenwärtigen Moment abgelenkt und sehen nicht, was das Kind gerade von uns braucht. Vielleicht will es eine Weile im Arm gehalten und getröstet werden? Oder seiner Fantasie und Lebenslust folgen und hinausgehen, um die Welt zu erkunden, in dem Vertrauen, dass jemand da ist und auf es wartet, falls es Angst bekommt? Während wir hastig versuchen, zehntausend Dinge auf einmal zu erledigen und dabei noch „gute“ Eltern zu sein, fragen wir uns manchmal: „Warum braucht mein Sohn gerade jetzt Trost?“ oder: „Warum rennt meine Tochter herum wie von der Tarantel gestochen, wenn es Zeit ist, ins Bett zu gehen?“ Selbstverständlich ist es sinnvoll, sich zu fragen, was hinter bestimmten Bedürfnissen steckt, damit wir das zugrunde liegende Problem lösen können. Aber zuerst müssen wir herausfinden, was das eigentliche Bedürfnis ist. Dazu können wir uns den Kreis der Sicherheit, vollständig dargestellt in Kapitel 3, einprägen, sodass wir ihn abrufen können, wann immer wir verwirrt sind und nicht wissen, was unser Kind gerade will. Wenn wir das Bedürfnis unseres Kindes anerkennen und akzeptieren, können wir unser Kind in seiner Einzigartigkeit besser verstehen.
Mit-Sein: Sich auf die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes einstimmen
Bei vielen Menschen führt der Druck, „es richtig zu machen“, dazu, dass sie permanent etwas tun, ob sie nun die neuesten Erziehungstipps lesen, nach der besten Schule suchen oder das Verhalten der Kinder managen. Das Gegenmittel dazu, sich auf diese Weise hauptsächlich auf die Zukunft zu konzentrieren („Was braucht mein Kind, um später erfolgreich zu sein?“), ist das, was wir Mit-Sein nennen („Was braucht mein Kind jetzt gerade?“). Es ist ein Zustand der feinfühligen Einstimmung, in dem wir an der emotionalen Erfahrung unseres Kindes teilhaben (ohne sie aber völlig zu übernehmen), ihm helfen, schwierige Gefühle zu verstehen und zu regulieren, und bei ihm sind, während es sie durchlebt. Mit-Sein bedeutet, die Ruhe zu bewahren – und nicht zu versuchen, etwas an der Erfahrung des Kindes zu ändern, sondern sie stattdessen anzunehmen und ihm zu zeigen, dass wir bei ihm sind, als ein Mensch, der manchmal ganz ähnliche Gefühle erlebt. Mit-Sein erfordert einige Übung von uns leistungsorientierten Menschen, aber es trägt viel dazu bei, eine sichere Bindung zu entwickeln. Kapitel 4 ist diesem Thema gewidmet.
Die Hände auf dem Kreis halten: Feinfühlig auf das Kind eingehen, aber auch die Führung übernehmen
Tatsächlich schließen sich diese beiden Dinge nicht aus. Eine der wichtigsten „Regeln“ im Kreis der Sicherheit lautet: Wann immer möglich, folgen Sie den Bedürfnissen Ihres Kindes; wann immer notwendig, übernehmen Sie die Führung. Um herauszufinden, welche Reaktion jeweils die beste ist, müssen wir mit dem Kind sein und uns zugleich auch daran erinnern, dass wir als Eltern größer, stärker, weiser und stets gütig sein sollten. Zuallererst sind wir Eltern, nicht Freunde. Wenn wir die Führung übernehmen und unseren Kindern helfen, einen Weg durch ihre momentanen Schwierigkeiten zu finden, können sie besser mit unangenehmen Gefühlen umgehen. Wenn wir den Kindern vertrauen und sie ermutigen, können Probleme gemeinsam gelöst werden. Mit der Karte des Kreises der Sicherheit fällt es uns leichter, die Bedürfnisse unseres Kindes zu erahnen, und wenn wir durch Mit-Sein gut auf sie eingestimmt sind, erkennen wir eher, an welcher Stelle des Kreises das Kind sich befindet. Das Thema „Mit-Sein“ und die Frage, was es heißt, größer, stärker, weiser und gütig zu sein, stehen in Kapitel 4 im Vordergrund.
Unser eigenes Gepäck sortieren
Eine der wichtigsten Entdeckungen, die wir in unserer Arbeit gemacht haben, ist, dass viele Eltern Schwierigkeiten damit haben, bestimmte Bedürfnisse auf dem Kreis zu erkennen und auf sie einzugehen. Oft sind sie sich ihrer eigenen Reaktionen gar nicht bewusst, weil diese Reaktionen ihre Wurzeln in der eigenen Kindheit und den eigenen Bindungserfahrungen haben. Damit wollen wir nicht etwa andeuten, dass an allem, was Sie tun, Ihre Eltern die Schuld tragen. Vielmehr haben wir an uns selbst festgestellt, dass der Versuch, den Bindungsstil unserer eigenen Eltern zu verstehen, uns ermöglicht hat, mehr Empathie und Mitgefühl für sie und die Schwierigkeiten, mit denen sie zu tun hatten, zu entwickeln. Fühlen Sie sich womöglich deswegen dazu angetrieben, das „perfekte“ Kind großzuziehen, weil Ihre Eltern so viel Wert auf Perfektionismus gelegt haben? Kommen unangenehme Gefühle in Ihnen auf, wenn Ihr Kind auf mehr Unabhängigkeit drängt, weil Ihre eigenen Eltern es gar nicht zu mögen schienen, wenn Sie zu weit von ihrer Seite wichen, als Sie noch klein waren? Wie tief Sie bei der Erforschung Ihres eigenen Bindungsstils gehen wollen, bleibt natürlich Ihnen überlassen. In Kapitel 5 finden Sie eine Einführung dazu, wie Ihr Bindungsstil hinter den Kulissen die Fäden Ihres eigenen Elternseins zieht. In Kapitel 6 erfahren Sie dann etwas darüber, wie wir diese Botschaften in Bezug auf bestimmte Bedürfnisse an unsere Kinder weitergeben und wie diese mit uns kooperieren, indem sie jene Bedürfnisse vermeiden, die uns unangenehm sind, und auf diese Weise dafür sorgen, dass wir weniger ängstlich und mehr für sie da sind. Wenn wir verstehen, wie unsere Kinder mit ihrem Verhalten versuchen, Bedürfnisse vor uns zu verstecken, die uns unangenehm sind, kann uns das dabei helfen, unsere verdeckten Botschaften zu überschreiben und die