Zahnschmelz ist im Wesentlichen transparent, besitzt aber eine graubläulich-gelbe Eigentönung. Die Zahnfarbe wird je nach Schmelzdicke von der gelblichen Eigenfarbe des Dentins und dem Grad der Transparenz sowie der Homogenität des Schmelzes bestimmt1.
Die Schmelzbildung beginnt im Glockenstadium durch die Ameloblasten, die durch Differenzierung aus den Zellen des inneren Schmelzepithels entstehen. Sie startet an der Schmelz-Dentin-Grenze mithilfe der Präameloblasten durch eine reziproke Induktion2. Die Präameloblasten initiieren bei den Odontoblasten die Ablagerung einer ersten Dentinschicht, beginnen dann selbst mit der sekretorischen Phase und formen die Schmelzmatrix. Die Schmelzmatrix wird dabei nicht gleichzeitig an der gesamten Grenzfläche zum Dentin gebildet. Sie entsteht zunächst inzisal bzw. koronal und breitet sich später weiter auch nach zervikal aus. Parallel verläuft die Schmelzbildung in zentrifugaler Richtung, sodass die zuletzt gebildete Matrix, im Gegensatz zum Dentin, an der Außenseite des Zahns liegt. Pro Jahr legen die menschlichen Ameloblasten etwa 1 mm zurück, was einer täglichen Schmelzbildungsrate von etwa 3 bis 4 μm entspricht1. Das dentinnahe Ende jedes Ameloblasten bildet einen kurzen abgeschrägten Fortsatz, der als Tomes-Fortsatz bezeichnet wird. Dieser besitzt die Fähigkeit, die Matrix gleichzeitig zu sezernieren und zu resorbieren.
Die Amelogenese ist ein dreistufiger Prozess: Sie beginnt mit der Sekretionsphase, darauf folgt eine kurze Übergangs-/Mineralisationsphase und anschließend die Reifungsphase. Die Schmelzproduktion endet im Bereich der Schneidekanten bzw. des okklusalen Reliefs, wenn dort die maximale Schmelzdicke erreicht ist. Die Ameloblasten beenden dort ihre Sekretionstätigkeit1.
3.2.1 Sekretion
Die zu Beginn der Schmelzbildung von den Ameloblasten produzierte und sezernierte organische Schmelzmatrix besteht aus Proteinen und Enzymen (Proteasen)3 Letztere bauen die Proteine schrittweise wieder ab. Die Proteine können in die Gruppe der Amelogenine (etwa 80 bis 90 %) und die der Nicht-Amelogenine (Tuftelin, Sheatlin und Enamelin) unterteilt werden4. Die Matrixsekretion und die sofort einsetzende Mineralisation verlaufen in rhythmischen Schüben. Die sezernierten Amelogenine fügen sich in Nanosphären zusammen, die sich ihrerseits so gruppieren, dass sie ein Gitter für den Kristalliteinbau bilden. Anschließend resorbieren Proteinasen diese Nanosphären, um das weitere Kristallwachstum zu ermöglichen. In dem Maße, wie die Matrix abgebaut wird, wachsen die Kristallite an Länge und an Dicke, bis sie sich berühren und möglicherweise verbinden1. Diese Matrix bleibt aber, trotz sofort einsetzender Mineralisation, bis zur darauffolgenden Maturation nur teilweise mineralisiert.
Während der Sekretion der Schmelzmatrix wandern die Ameloblasten von der Schmelz-Dentin-Grenze nach koronal, und zwar so, dass die endgültige Gestalt des Zahns geformt wird. Nachdem sie die zukünftige Schmelzoberfläche erreicht haben, stoppen die Ameloblasten den Prozess der Matrixsekretion und fangen an, den Schmelz zu mineralisieren.
Störungen in der Sekretionsphase führen dazu, dass weniger Matrix abgesondert wird. Dies führt zu einem quantitativen Defekt – es entsteht hypoplastischer Schmelz. Ursachen können genetische Einflüsse oder ein direktes Trauma sein.
3.2.2 Maturation
Die Maturation gliedert sich in zwei Phasen – die prä- und die posteruptive Schmelzreifung. Bei der präeruptiven Schmelzreifung kommt es zur Umwandlung der initial mineralisierten Schmelzmatrix zu einem kristallinen Gefüge. Diese Abläufe umfassen mehrere Prozesse: das Wachstum der Schmelzkristallite, die Verdichtung und Erhärtung des mineralisierten Gefüges, die selektive Änderung in der Zusammensetzung der Schmelzmatrix und den Verlust von Wasser sowie die mit diesen Vorgängen verbundene Zellaktivität im Schmelzorgan1.
Bis zur Eruption des Zahns erhält der Schmelz etwa 65 bis 75 Gew.-% seines Mineralanteils. Nach dem Durchbruch können durch die Mikrospalten des Schmelzes Mineralien des Speichels eindringen, die das Kristallgefüge verstärken und die Poren sogar verschließen. Nach der posteruptiven Reifung besitzt ein bleibender Zahn bis zu 98 Gew.-% an Mineralien. Lebenslang findet ein Ionenaustausch an der Schmelzoberfläche statt5.
3.3 Verkalkung der bleibenden Zahnkeime
Die Hartsubstanzbildung beginnt im Glockenstadium, das die ersten bleibenden Molaren etwa in der 24. Schwangerschaftswoche erreichen. Sie beginnen kurz vor der Geburt (ca. 28. Woche) mit der Bildung des Schmelzes. Die bleibenden oberen mittleren Inzisiven sowie alle unteren Inzisiven beginnen mit der Hartsubstanzbildung im 3. bis 4. Lebensmonat, die oberen seitlichen Inzisiven im 10. bis 12. Monat nach der Geburt.
Die Tabellen 3-1 und 3-2 fassen die Mineralisierungsmuster und ihre zeitliche Reihenfolge für die Milchzähne und die bleibenden Zähne zusammen.
Tabelle 3-1 Ablauf der Milchzahnentwicklung nach Schour und Massler30
Tabelle 3-2 Ablauf der Entwicklung bleibender Zähne nach Schour und Massler30
Die Abbildungen 3-1 und 3-2 illustrieren zusätzlich den Stand der Kronen- und Wurzelbildung in den einzelnen Stadien im Milch- und im Wechselgebiss.
Abb. 3-1 Mineralisationszeiten der Kronen und Wurzeln im Milchgebiss (Quelle: Cornelia Jungwirth, Katrin Bekes).
Abb. 3-2 Mineralisationszeiten der Kronen und Wurzeln im bleibenden Gebiss (Quelle: Cornelia Jungwirth, Katrin Bekes).
3.4 Störungen in der Amelogenese
Die Phasen der Schmelzbildung richten sich nach den unterschiedlichen Lebenszyklen der Ameloblasten. Dieser genetisch kontrollierte Vorgang ist in seiner Entwicklung empfindlich gegenüber Störungen, wobei die Ameloblasten in ihren verschiedenen Phasen unterschiedlich anfällig und mit verschiedenen Folgen auf die jeweiligen Störungen reagieren.
Wenn sich Schädigungen während der Sekretionsphase ereignen (z. B. genetische Einflüsse, direktes Trauma), wird weniger Matrix abgesondert und das Längenwachstum der Kristalle verhindert. Es kann folglich zu einer Reduktion der Schmelzdicke und somit zu Schmelzhypoplasien kommen. Störungen in der Übergangs- und Reifungsphase können trotz eines normalen Dickenwachstums zu einem pathologisch weicheren oder auch hypomineralisierten Schmelz führen. Dabei sind die Ameloblasten in der Phase der Reifung besonders empfindlich6.
Daher wird die MIH vermutlich durch Störungen entweder in der Übergangs- oder in der Reifungsphase verursacht. Die daraus resultierenden strukturellen und weiteren Veränderungen im Schmelz werden