Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation
Katrin Bekes
Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Postfach 42 04 52; D–12064 Berlin
Ifenpfad 2–4, D–12107 Berlin
© 2021 Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Lektorat: Ursula Tanneberger, Berlin
Herstellung und Reproduktionen:
Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-86867-564-1
Vorwort
„Kreidezähne: Zahnärzte warnen vor neuer Volkskrankheit MIH“, „MIH: Sind Kreidezähne die neue Baustelle im Mund?“, „Das rätselhafte Bröckeln“ – so oder ähnlich titelten die Medien im Jahr 2018. Vorangegangen waren eine Pressekonferenz und -mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, in denen auf die zunehmende Problematik der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) aufmerksam gemacht wurde. Das Auftreten der Erkrankung habe, so der klinische Befund, in bestimmten Altersgruppen bereits das Vorkommen von Karies überholt.
Seitdem ist das mediale Interesse ungebrochen. Nicht nur in fachwissenschaftlichen Publikationen, sondern auch in der allgemeinen Presse wird die Thematik sowohl von der dpa als auch regional immer wieder aufgegriffen. Dabei ist das Phänomen MIH gar nicht neu. Bereits im Jahr 2001 fand der Begriff Eingang in die Fachliteratur. Es handelt sich hierbei per Definition um einen bestehenden (systemischen) qualitativen Schmelzdefekt an einem oder mehreren 6-Jahr-Molaren mit oder ohne Beteiligung der bleibenden Schneidezähne. Charakteristisch sind Opazitäten an den betroffenen Zähnen mit teilweise auftretenden posteruptiven Schmelzeinbrüchen sowie eine manchmal auftretende starke Hypersensibilität der hypomineralisierten Zähne.
Dieses Krankheitsbild hat sich zu einem hochaktuellen Thema in der Zahnmedizin entwickelt, mit dem wir uns in der zahnärztlichen Praxis nicht nur in Deutschland, sondern weltweit auseinandersetzen müssen und das uns aktuell und zukünftig vor große klinische Herausforderungen stellt.
Das vorliegende Buch ist als umfassendes Nachschlagewerk konzipiert, in dem einerseits die verschiedenen Aspekte der Molaren-InzisivenHypomineralisation auf Basis der fachwissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet, andererseits praktische Tipps zum Umgang mit dieser Krankheit gegeben und abschließend Vorgehensweisen verschiedener Behandlungsdomänen erläutert werden. Es richtet sich an interessierte zahnmedizinische Kolleginnen und Kollegen, Postgraduierte und Studierende sowie alle, die ihr Wissen zu dieser brisanten Thematik im klinischen Alltag der Zahnmedizin erweitern möchten.
In den ersten Kapiteln werden zunächst das klinische Erscheinungsbild und die strukturellen Besonderheiten des hypomineralisierten Schmelzes beschrieben. Zudem werden aktuelle Prävalenzzahlen vorgestellt und mögliche ätiologische Faktoren diskutiert. Die folgenden Kapitel konzentrieren sich auf die klinischen Gesichtspunkte der Erkrankung. Diagnostische und differenzialdiagnostische Kriterien werden erörtert sowie Klassifikationsmöglichkeiten und Behandlungsstrategien geschildert. Nachfolgend werden die verschiedenen Therapieoptionen detailliert vorgestellt – von der Schmerzkontrolle, der Desensibilisierung und der Prophylaxe über die unterschiedlichen restaurativen Ansätze bis zur Extraktion. In den letzten Kapiteln wird das Auftreten des Krankheitsbilds im Milchgebiss beleuchtet und die mögliche Assoziation von einer MIH mit dem Auftreten von Karies untersucht.
Darüber hinaus möchte Ihnen dieses Buch aber weitere klinische Perspektiven im Umgang mit der Krankheit und darauf basierend gezielte Forschungsdesiderate aufzeigen. Letztlich soll Ihr Verständnis dafür geschärft werden, warum wir bis zum heutigen Tag nicht alle uns dringend interessierende Fragen abschließend beantworten können. So ist beispielsweise die Ätiologie der Krankheit – trotz einzelner Erklärungsversuche – nach wie vor unbekannt. Ohne die unmittelbaren Ursachen des Krankheitsbilds zu kennen, ist es uns jedoch nur eingeschränkt möglich, Empfehlungen zu einer zielgerechten Prophylaxe auszusprechen. Ebenso besteht ein Desiderat, über Möglichkeiten der „Nachreifung“ des qualitativ minderwertig gebildeten Schmelzes in Form der Remineralisation zu forschen sowie klinische Behandlungskonzepte zu evaluieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir in naher Zukunft in diesen Punkten Lösungsansätze und Antworten finden.
Liebe Leserinnen und Leser, erlauben Sie mir zum Abschluss dieses Vorworts noch ein paar persönliche Zeilen zu schreiben. Viele von Ihnen wissen, dass ich mich seit vielen Jahren mit der Problematik der MIH klinisch, wissenschaftlich und akademisch beschäftige. Aus diesem Grund war es mir ein besonderes Anliegen und ein lang gehegter Wunsch, ein wissenschaftlich fundiertes, aber für die klinische Praxis aufbereitetes Buch zu dieser virulenten Thematik zu verfassen. Ich freue mich, dass dies nun umgesetzt werden konnte.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich zu bedanken. Mein Dank gilt Dr. Richard Steffen (Universität Basel, Schweiz) und Priv.-Doz. Dr. Christian Kirschneck (Universität Regensburg, Deutschland) für ihre Mitarbeit an den Kapiteln zur Schmerzbehandlung und zur Extraktionstherapie. Dr. Jorge Casián (Poza Rica de Hidalgo, Mexiko) und Dr. Clarence Tam (Auckland, Neuseeland) haben wertvolle Fallbeispiele bereitgestellt, um unterschiedliche Behandlungsansätze noch anschaulicher für Sie zu gestalten. Mag. Hassan Shokoohi, Dr. Stefan Tangl, Anton Dobsak und Cornelia Jungwirth (Medizinische Universität Wien, Österreich) haben mich bei der Aufbereitung von Proben für die Anfertigung von Mikro-CT-Aufnahmen, REM-Bildern, histologischen Aufnahmen und der Erstellung von Grafiken unterstützt. Zu guter Letzt danke ich natürlich ganz herzlich allen meinen MIH-Patientinnen und -Patienten, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und nach wie vor schenken und sich auch für die Anfertigung der Fotoaufnahmen zur Verfügung gestellt haben. Ohne sie wäre dieses Buch nicht in einer solchen Form und Detailtreue möglich gewesen.
Katrin Bekes
Wien, Mai 2021
Inhaltsverzeichnis
1.1 Erste klinische Erwähnung der MIH
2 Klinisches Erscheinungsbild und morphologische Besonderheiten