Schweinetango. Heinrich Thies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Thies
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783866740822
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Hose. Die Lust keimte wieder in ihm auf. Aber gleichzeitig musste er gähnen.

      |37|4.

      Er war fix und fertig. Funken tanzten vor seinen Augen. Dabei war das Feuer längst gelöscht. Es räucherte zwar noch, und unter dem Schutt und der Asche glomm die Glut bei jedem Windstoß wieder auf. Aber die Gefahr war gebannt. Alles unter Kontrolle. Und er, Björn Bergmann, hatte einen wichtigen Beitrag bei den Löscharbeiten geleistet. O ja, er hatte verdammt noch mal allen Grund, stolz zu sein. Selbstzufrieden spuckte der Junge mit dem Baseballkäppi in Richtung Brandstelle. Gestandene Feuerwehrmänner hatten ihm anerkennend auf die Schulter geklopft, ein Bier in die Hand gedrückt oder eine Zigarette angeboten. Auch Cord Kröger hatte gesehen, wie er gekämpft hatte, auch Cord. Dass der sich als Retter im Rinderstall vor seiner wasserstoffblonden Tussi beweisen musste, verstand Björn. Er gönnte es seinem Chef.

      Weniger toll fand er es, dass sein Vater angerückt war. Wie der ihn angeglotzt hatte, die ganze Zeit. Kein Wort hatte er zu ihm gesagt, aber die Blicke hatten Bände gesprochen. Grimmig, vorwurfsvoll, geradezu hasserfüllt hatte der ihn in seiner Feuerwehrkluft beäugt. Dabei war er damals seinem Vater zuliebe überhaupt erst in die Jugendfeuerwehr eingetreten und in den ersten Jahren immer auch sehr stolz gewesen, wenn er nach den Wettkämpfen mit Siegerurkunden nach Hause gekommen war. Doch damit war es vorbei, lange schon. Wahrscheinlich, dachte Björn, kann es der alte Saufkopf einfach nicht ertragen, dass ihn sein eigener Sohn übertrumpft. Möglicherweise aber spukt dem auch noch was anderes im Kopf herum.

      |38|5.

      Es klopfte. »Kaffee ist fertig, Cord«, rief eine Frauenstimme hinter der Schlafzimmertür. »Cord, Cor-hord. Warum antwortest du denn nicht? Das geht auf Mittag zu, du willst ja wohl nicht den ganzen Tag im Bett liegen.«

      Er öffnete das linke Auge, gähnte, streckte sich und hoffte inständig, dass seine Mutter endlich Ruhe geben würde. Er fühlte sich bleischwer. Draußen rumorten die Vögel. Sonnenstrahlen stahlen sich durchs Fenster und schlugen durch das abgedunkelte Schlafzimmer eine Lichtschneise, in der Staubpartikel tanzten. Er versuchte, sich an seinen Traum zu erinnern. Doch das Nachtgespinst zerstob wie ein Regenbogen. Erst jetzt entdeckte er die Frau, die neben ihm im Bett lag. Jelena starrte ihn mit großen Augen an. Er hätte sich am liebsten wieder umgedreht und weitergeschlafen, um den Peinlichkeiten zu entfliehen, die dieser fortgeschrittene Morgen wahrscheinlich noch bereithielt. Aber was half das? »Scheiße« war das erste Wort, das ihm wie ein Stoßseufzer entfuhr.

      »Guten Morgen«, flüsterte Jelena ihm zärtlich zu.

      »Morgn.«

      Schläfrig und mutlos klang dieser Morgengruß, den er eher verlegen als leidenschaftlich mit einem Kuss untermauerte.

      »Cord, das Ei wird kalt«, tönte erneut die Frauenstimme hinter der Tür, diesmal schon sehr ungeduldig, fast beleidigt. Als die Antwort immer noch ausblieb, setzte die Frau besorgt nach: »Cord, Cor-hord. Dir is ja wohl nichts zugestoßen letzte Nacht?«

      |39|»Jetzt hör doch mal endlich auf mit dem Geschrei, ist ja schrecklich«, erwiderte der Angerufene. »Ich komm schon, verdammt noch mal.«

      Damit schlug er die Federdecke zurück und stieg gähnend aus dem Bett. Jelena blickte zur Seite, während er stöhnend damit begann, die auf dem Boden liegenden Socken und die Unterhose vom Vortag anzuziehen. Hastig angelte er sich Hemd und Hose aus dem Kleiderschrank.

      »Bis gleich.«

      Damit war er auch schon aus dem Raum geschlurft.

      Als seine Mutter ihn mit ihrer Sicht des nächtlichen Brandes bestürmen wollte, unterbrach er sie und bat sie kleinlaut, noch ein Frühstücksgedeck dazuzustellen. »Ich hab da vom Tanzen ’ne Frau mitgebracht. Ich wollte sie eigentlich noch nach Hause fahren, aber bei dem Feuer und dem ganzen Terz heute Nacht sind wir drüber weggekommen.«

      Seine Mutter atmete tief durch und zog vorwurfsvoll die Augenbrauen hoch. »Da hätteste auch mal früher was von sagen können, da reicht der Kaffee ja gar nicht. Aber ich setz eben noch welchen auf.«

      Mit diesen Worten trottete sie kopfschüttelnd in die Küche.

      Nach einer Weile tauchte Jelena vollständig bekleidet aus dem Schlafzimmer auf, um gleich darauf wieder mit ihrer Handtasche für zwanzig Minuten im Badezimmer zu verschwinden. Cord erhielt von seiner Mutter den Auftrag, sie zu fragen, ob sie ihr Ei gekocht oder gebraten wünsche. Und wenn gebraten, ob als Rühr- oder Spiegelei zubereitet. »Ohne Ei is für meine Mutter kein Sonntag, weißte«, fügte er entschuldigend hinzu.

      Aber Jelena wollte überhaupt kein Ei – eine Mitteilung, die Anna Kröger wie eine böse Zurückweisung aufnahm. Eingeschnappt wandte sie ihren Kopf zur Seite.

      |40|Dennoch ließ sie sich nicht davon abhalten, kurze Zeit später dem Gast den Kaffee persönlich einzuschenken. Obwohl sie gerade achtzig geworden war und schon reichlich gebückt ging, achtete die weißhaarige Bauersfrau immer noch auf ihr Äußeres. Regelmäßig ließ sie beim Friseur ihre Dauerwelle erneuern. Und ihre Körperfülle verbarg sie geschickt unter weiten Kleidern. An diesem Morgen allerdings trug sie – wie meist im Haus – eine geblümte Kittelschürze.

      Anders als ihr Sohn hatte sie keine Probleme, mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen. So war es auch an diesem Mittag. Der nächtliche Brand feuerte ihre Redseligkeit zusätzlich an.

      »Ist das nicht furchtbar? Ist das nicht furchtbar?«, lamentierte sie, ohne mit einer Antwort zu rechnen. »Lange macht mein Herz das nicht mehr mit. Als heute Nacht die Sirenen gegangen sind, hab ich wieder solche Stiche gekriegt, dass ich Tabletten nehmen musste. Nee, nee, wo das noch hinführen soll. Man traut sich gar nicht mehr einzuschlafen. Und immer am Wochenende. Jetzt ist es schon das siebte Mal. Zwei Wochen vor Ostern ist es losgegangen. Da hat man ja noch gedacht, dass es ’n Kabelbrand war oder so was. Aber als dann eine Woche später schon wieder die Sirenen geheult haben, da war natürlich der Fall klar. Jetzt läuft im ganzen Dorf die Polizei rum. Aber die finden auch nichts. Manch einer traut sich schon gar nicht mehr aus dem Haus. Jeder hat doch Angst, dass er sich verdächtig macht. Cord, erzähl doch mal, wie sie dich neulich nachts kontrolliert haben.«

      »Kontrolliert is wohl nicht der richtige Ausdruck.« Er musste sich räuspern, bevor er fortfahren konnte. »Ja, äh, das war wirklich ’ne komische Sache. Ich konnte nicht schlafen. Deshalb bin ich noch mal ’n bisschen vor die Tür gegangen und habe ’ne Runde um den Hof gedreht. Und auf einmal kommt da so ’n Auto, kein Streifenwagen, sondern ’n ganz normales Auto kommt da langsam auf mich zu. Ich hab |41|mich natürlich total erschrocken und gedacht, dass mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Aber dann dreht auf einmal einer von den beiden im Auto das Seitenfenster runter und ruft: ›Polizei, können wir bitte mal Ihren Ausweis sehen?‹ Ich hatte natürlich keinen Ausweis dabei, hatte mir ja nur schnell meine Jacke über den Schlafanzug gezogen. Und als ich ihnen dann gesagt habe, was Sache ist, da hat einer einen Block gezückt und sich alles aufgeschrieben: Name, Alter, Wohnort, Beruf und so. Dabei hat der mich die ganze Zeit angeglotzt, als ob er mich längst durchschaut hätte.«

      »Zum Glück hast du diesmal eine Bezeugerin, dass du unschuldig bist«, warf Jelena schüchtern ein.

      »Bezeugerin ist gut. Aber wer weiß, was denen durch den Kopp geht«, erwiderte Cord. »Auf jeden Fall hab ich mir ganz schön Hemd und Hose versaut, als ich da heute Nacht durchs Stallfenster gekrabbelt bin. War wirklich Rettung in letzter Minute – für mich und für die Bullen.«

      An dieser Stelle horchte auch seine Mutter auf und fragte ausnahmsweise nach, sodass er Gelegenheit erhielt, seine nächtliche Heldentat in aller Breite zum Besten zu geben.

      »Junge, Junge, sich so in Gefahr zu begeben«, sagte die Bäuerin kopfschüttelnd. »Das wären die Rinder doch nicht wert gewesen, dass man dafür sein Leben riskiert.« Sie seufzte. »Schlimm. Als es hier vor vier Wochen nebenan gebrannt hat, hab ich’s auch mit der Angst gekriegt.«

      Eine Fliege landete auf dem Küchentisch. Anna Kröger hielt den Atem an, holte aus und fing das Insekt mit der rechten Hand. Während sie die Fliege zerdrückte und in den Abfalleimer warf, kaute