Informationen zum Buch
Der Maskentanz in der Dorfkneipe ist derb. Und doch lassen sich beim »Schweinetango« zarte Bande knüpfen. Cord Krögers neue Geliebte aber hat nicht mehr lange zu leben...
Beim Dorftanz im »Wilden Jäger« lassen die Junggesellen gerne mal die Sau raus. So auch Cord Kröger, ein lediger Schweinezüchter in den besten Jahren, der beim »Schweinetango« die hübsche Jelena kennenlernt. Doch der gemeinsame Weg zu ihm wird vom Feuerteufel, der seit Wochen sein Unwesen treibt, jäh unterbrochen. Eine Scheune brennt. Cord Kröger greift beherzt ein. Erst rettet er die Bullen aus den Flammen – dann erobert er Jelenas Herz. Die Liebe zu der Deutsch-Russin trübt sich jedoch ein, als deren Brüder auf seinem Hof mit gestohlenen Luxusautos zu handeln beginnen. Und als sei das nicht schon genug, keimt in Kröger auch noch der Verdacht auf, dass der sechzehnjährige Björn, der bei ihm arbeitet und für den er väterliche Gefühle hegt, der Feuerteufel ist. Eines Nachts brennt Krögers eigene Scheune. In den ver kohlten Trümmern findet man die Leiche der schönen Jelena. Für Cord Kröger bricht eine Welt zusammen. Da läuft ihm sein Ziehsohn Björn über den Weg …
Informationen zum Autor
Heinrich Thies, Jahrgang 1953, studierte Germanistik, Politik, Philosophie und Journalistik. Er ist Reporter bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und Autor der Bücher Geh aus, mein Herz, und suche Freud. Das Leben der Bäuerin Hanna sowie Wenn Hitler tot ist, tanzen wir. Das Leben der Hilde Heart.
Heinrich Thies
Schweinetango
Kriminalroman
Impressum
©2010 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
[email protected] · www.zuklampen.de
Herausgegeben von Susanne Mischke
Titelgestaltung: Angelika Konietzny (www.izwd.de), Hannover
Konvertierung: Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN 978-3-86674-082-2
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.
|5|1.
Düfte ganz unterschiedlicher Art waberten durch den Tanzsaal. Parfüm und Rasierwasser, Moschus und Lavendel mischten sich mit Rauch, Schweiß und Schnapsfahnen, während ein Schlager nach dem andern die zaghaften Gespräche übertönte: »Wenn es dich noch gibt, hüll’ dich nicht in Schweigen, ich lieb’ dich immer noch, willst du mir nicht verzeih’n …«
Single-Tanz im »Wilden Jäger«. Im Halbdunkel des gelblichen Kronleuchterlichts schlurften Paare über das Parkett, die eigentlich gar keine Paare waren – einsame Herzen, die in das Tanzlokal in Verden an der Aller geströmt waren, um gesellige Stunden zu erleben, vielleicht sogar ein kleines Abenteuer.
Rentner mit knallbunten Krawatten und Glitzerwesten krallten ihre Fingernägel in die nackten Oberarme aufgedonnerter Buchhalterinnen und führten in exakter Schrittfolge vor, dass alte Schule nicht gleichbedeutend mit Alteisen ist. Gute-Laune-Damen in Blümchenkleidern mit tiefen Ausschnitten ließen sich von gut situierten Herren in dunklen, engen Anzügen auf ihre Stöckelschuhe trampeln und kicherten dabei. Eine Dicke in weitem Abendkleid schob einen schmächtigen, deutlich kleineren Herrn im Klammergriff durch den Saal, und zwei verblühte Sekretärinnen mit akkurat frisierten Dauerwellen und weißen Rüschenblusen stellten tanzend unter Beweis, dass es auch ohne Männer geht.
Cord Kröger wischte sich den Schweiß von der Stirn, das Hemd klebte ihm am Rücken. Sein Herz tuckerte wie ein |6|Treckermotor. Der letzte Tanz hatte ihn mächtig erhitzt. So schenkte er es sich, seine Partnerin zu einem Glas Sekt einzuladen. Spazierte gleich zurück an seinen Platz, wo seine Kumpel hockten und Ausschau nach Damen hielten, Frischfleisch, wie sie sagten. Alles Berufskollegen – Bauern und Junggesellen wie er, zwischen 36 und 55, und seit ewigen Zeiten auf Brautschau: die »Gummistiefel-Gang«. Wegen ihrer berufsbedingten Frauenprobleme wurden sie im »Wilden Jäger« belächelt. Nicht-Landwirte spöttelten, dass sie nach Kuh- oder schlimmer noch Schweinestall rochen, und manche Frauen rümpften kokett die Nase und wandten sich geruchsärmeren Heiratskandidaten zu.
Dabei hatte Kröger schon seine vierzehn Milchkühe abgeschafft und die Viehhaltung auf computergesteuerte Schweinemast beschränkt, um mehr Zeit für »die schönen Seiten des Lebens« zu gewinnen, wie er zu sagen pflegte. Immer wieder mal hatte er sich auch eine Tanzpartnerin einen Abend lang warm gehalten, manchmal sogar zu sich nach Hause eingeladen. Aber nie war etwas Festes daraus geworden. Schon beim Frühstück war das Feuer meist erloschen. Dabei hatte er Abitur. Und für seine achtundvierzig Jahre hatte er sich gut gehalten: mittelgroß, mittelblond, kräftig gebaut, gut im Gebiss, nicht auf den Mund gefallen und von auffälligen Falten bisher verschont. Nur seine Stirnglatze zeugte vom Nahen des körperlichen Verfalls.
»Ich bin so schön, ich bin so toll, ich bin der Anton von Tirol …« Diskjockey Käpt’n Kuss schob nicht einfach nur CDs ein. Der Bärtige mit dem Bierbauch trällerte mit, feuerte an. »Wer nimmt es mit Anton auf?«, röhrte er wie ein Jahrmarktschreier in den laufenden Schlager hinein. »Na, na, man nicht so drängeln, die Herren. Sind genügend Damen da, aber ohne Fleiß kein Preis, hahaha.«
Tatsächlich saßen an den langen Tischen reihenweise Frauen, die ihre lidschattenschweren Blicke sehnsüchtig durch |7|den Saal schweifen ließen. Immer wieder mal trafen sich auch wirklich zwei Augenpaare, um sich wortlos zum Tanz zu verabreden.
Doch Kröger zog es vor, seine Augen auf das Tanzgetümmel zu richten. Zerstreut nahm er einen Schluck Bier.
»Siehst ja ganz schön ausgelu-lutscht aus, Chef«, stichelte Walter, genannt »Kneifzange«, ein drahtiger Mittvierziger mit einem Hang zum Stottern und einer entstellenden Narbe unterm linken Auge. Bei der Arbeit mit der Kreissäge war ihm ein Holzstück an den Kopf geknallt. Ebenfalls an der Kreissäge waren ihm Daumen und Zeigefinger der rechten Hand abhanden gekommen.
»Von nichts kommt nichts«, sagte Kröger. »Oder denkste, dir steigt die Frau fürs Leben aus’m Bierglas wie ’ne Seejungfrau?«
»Ach hör doch auf, F-frau fürs Le-le-leben.«
Walter ließ sein Feuerzeug aufflammen und zündete sich eine Zigarette an. Er nahm einen tiefen Zug. Man spürte, wie er sich aufblies, um den starken Max zu spielen. Denn im Grunde seines Herzens war er sehr schüchtern. Vor allem, wenn es um Frauen ging. Da es schon öfter vorgekommen war, dass sie wegen seines Sprachfehlers gegrinst hatten, traute er sich gar nicht mehr, eine anzusprechen. Heimlich hoffte er auf die Damenwahl.
»Du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass Ro-rosi deine Frau fürs Leben ist, Kollege«, fuhr er keck fort. »Da muss man sich ja wohl nich so für a-abstrampeln. Die haben doch schon ganz a-andere getestet.«
»Du musst es ja wissen, du Walzerkönig. Dein Schwengel is doch längst eingerostet.«
»Sehr w-witzig. Spiel dich man b-bloß nich so auf, du Sch-schweineb-b-baron.«
»Fangt