Schweinetango. Heinrich Thies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Thies
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783866740822
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war froh, als der Tanz vorbei war. Doch es ging ja weiter. Die Schweinedamen nahmen ihre Masken ab und stülpten sie ihren Partnern über.

      »Und jetzt wollen wir doch mal sehen, ob unsere Eber schon ihr Pulver verschossen haben oder noch genügend Power haben, um eine zweite Sau zu beglücken«, rief Käpt’n Kuss. »Auf zur zweiten Runde. Wer sich nicht sofort ein Schweinchen geangelt hat, schmeißt eine Lokalrunde.«

      Jetzt war keine Zeit mehr, sich länger nach einer Wunschpartnerin umzusehen. Wahllos streckte Kröger einfach nur die Arme in Richtung einer Frauengruppe aus, die vor ihm stand. Doch sein Herz hüpfte vor Freude und Aufregung, als er unversehens diesen Duft erschnupperte, der ihn schon einmal gefangengenommen hatte. So ähnlich musste es wohl in einem tropischen Gewächshaus riechen, so süß und schwer.

      |13|Er hatte sich nicht getäuscht: Es war der Duft der Russin mit den weißblonden Haaren.

      »Na, dann, äh, wollen wir mal«, stammelte er, und ehe er es sich versah, hatte Jelena schon ihre Hände auf seine Schulter und Hüfte gelegt. Wie selbstverständlich übernahm sie die Führung, passte sich ihm aber geschmeidig an. Federleicht bewegte sie sich in seinen Armen. Warm und zart fühlte sie sich unter dem grünen Seidenkleid an. Kröger schwitzte unter seiner Schweinemaske.

      »Legt der Eber mit der Sau einen Tango aufs Parkett, dauert es nicht lange mehr, bis der süße Bauch wird fett …« Schon lange hatte er einen Tanz nicht mehr so genossen. Am liebsten hätte er mitgesungen: »… mit der Sau ins Kuschelbett, bis der süße Bauch wird fett«.

      Obwohl ihm wieder mächtig warm wurde, wünschte er sich, dass dieser Schweinetango nie zu Ende ginge. Aber dann kam der Schlussakkord, und ihm blieb nichts anderes übrig, als die Schweinemaske an seine Partnerin weiterzureichen.

      »Hoffentlich wird dir nicht so warm darunter wie mir. Ich schwitze echt wie Sau«, sagte er, indem er Jelena die schweißfeuchte Kunststoffhaube in die Hand drückte. Es war beim »Single-Tanz« ungeschriebenes Gesetz, dass man sich duzte.

      »Ich werde es schon überleben«, erwiderte Jelena. Und nachdem sie sich die Maske bereits übergezogen hatte, murmelte sie etwas, das Cord Kröger das Blut gefrieren ließ: »War schön.«

      Wie erstarrt beobachtete er dann jedoch, dass Jelena sich einen anderen angelte.

      Nachdem Bauer und vornehme Dame den »Schweinetango« mit ihrem üblichen Schlussgeplänkel ausklingen lassen hatten, setzte Kröger sich wieder zu seinen Berufskollegen.

      »Na, d-d-da ha-haste ja genau die Sau erwischt, in d-d-die du dich verguckt hast«, sagte Walter.

      |14|»Spinner.«

      Cord war nun noch weniger in der Laune, sich auf das derbe Sprücheklopfen einzulassen. Er griff verstimmt nach seinem Bier.

      »Was is denn los?«, setzte der dicke Olaf nach. »Is dir ’ne Laus über die Leber gelaufen? Als Schweinebaron musst du doch gerade in deinem Element gewesen sein.«

      Der Dicke und Kneifzange schüttelten sich vor Lachen.

      Doch Cord Kröger blieb ernst. Das Gefrotzel lief ins Leere, die beiden Berufskollegen wandten sich wieder paffend der Tanzfläche zu.

      Kurze Zeit später forderte Käpt’n Kuss erneut zur Damenwahl auf. Kröger sah sich im Saal um. Plötzlich entdeckte er Jelena. Einige Tische entfernt saß sie zusammen mit mehreren Frauen. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als sie ihm ermutigend zunickte. Sofort folgte er dem stummen Lockruf.

      »Jetzt müssen wir nicht mehr so schwitzen«, begrüßte sie ihn.

      »Ja, ganz schön heiß unter der blöden Maske.« Zuerst ärgerte er sich noch über seine einfallslose Antwort, aber dann gab er sich dem Tanz hin. »Spanish Eyes«, ein langsamer Walzer. Es folgten schnellere Stücke.

      Nach dem vierten Tanz kämpfte er schon mit dem Atem. »Ich glaube, ich brauch erst mal ’ne kleine Auszeit«, vertraute er seiner Partnerin an. »Wie wär’s mit ’nem Sekt?«

      Jelena zuckte lächelnd die Schultern. »Warum nicht?«

      Bereitwillig ließ sie sich zur Sektbar ziehen. Nach der körperlichen Nähe beim Tanz war es Kröger nicht schwergefallen, ihre Hand zu ergreifen. Weich und verschwitzt fühlten sich ihre Finger an.

      »Na, denn Prost.«

      »Prost.«

      |15|»Ich hab lange nicht mehr mit ’ner Frau so gut zusammen getanzt wie gerade mit dir«, sagte Kröger, um seine aufkommende Unsicherheit niederzukämpfen.

      »Ganz meinerseitig«, antwortete Jelena. »Ihr seid auch kein schlechter Tänzer.«

      »Ach, danke für die Blumen. Sehr freundlich. Aber warum siezt du mich eigentlich? Ich heiße Cord.«

      »Jelena«, sagte Jelena und nippte an ihrem Sekt. »Wir sind daheim so aufgezogen, dass wir uns den Männern nicht gleich in die Arme werfen.«

      Cord lachte auf. »Wie, äh, wie lange bist du denn schon in Deutschland?«

      »Wir sind vor vier Jahren herübergekommen, wir haben am Ural gelebt. Meine Brüder sind schon drei Jahre zuvor nach Deutschland gegangen, ich bin mit der Mutter nachgekommen.«

      »Und habt ihr schon in Russland Deutsch gesprochen?«

      »Na freilich. Man verlernt doch seine Heimatsprache nicht. Das hat schon meine Oma immer gesagt.«

      Sie zündete sich eine Zigarette an. »Aber das war gar nicht so einfach. In der Schule mussten wir natürlich Russisch sprechen, und auch sonst durfte man kein Deutsch reden, nur daheim. Trotzdem waren wir für die Russen immer die Deutschen. Und hier in Deutschland sind wir die Russen.«

      Kröger spürte, wie er rot wurde. In Gedanken war Jelena ja auch für ihn »die Russin«.

      »Und, äh, was machst du so?«, fragte er, um den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

      »Das ist auch so ein Problem. In Russland habe ich im Forschungslabor geschafft, so Pflanzen und Düngemittel für die Landwirtschaft halt. Zuvor hab ich die Universität geendigt. Aber hier in Deutschland wolltens die Ausbildung nicht anerkennen. Darum schaff ich in einem Supermarkt. Da steh ich hinter der Fleischtheke und verkaufe Wurst und Schinken.« |16|Cord musste lächeln. »Können wir uns ja zusammentun. Ich mäste nämlich Schweine, weißt du. Da können wir Direktvermarktung machen.«

      »Direkt …?«

      »Direktvermarktung.«

      »Direktvermarktung? Was ist Direktvermarktung?«

      »Na, dann würde ich meine Schweine selber schlachten und du das Fleisch verkaufen. Aber war bloß ’n Witz.«

      Niemand lachte. Jelena durchbrach das peinliche Schweigen.

      »Meine Eltern hatten auch Schweine, aber nur drei an der Zahl. Die hat mein Vater auch selbst geschlachtet. Wir hatten auch zwei Kühe, paar Hühner und a bissel Land.«

      Da Cord nur interessiert nickte, fragte sie nach: »Und du bist Bauer von Beruf? Reicht das denn zum Leben?«

      »Man gibt sich Mühe. Viel Arbeit, wenig Geld, aber ich will nicht klagen.«

      Sie nahm einen tiefen Lungenzug und hüstelte. Cord trank den Rest Sekt aus.

      »Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe? Hab ich dir heute schon gesagt, wie schön du bist?«, schnulzte es aus den Lautsprecherboxen.

      »Na, wollen wir es noch mal versuchen, was?«, fragte Cord. »Bin wieder einigermaßen bei Kräften.«

      Jelena drückte ihre Zigarette aus. »Warum nicht?«

      Schon im nächsten Moment schoben sie wieder über die Tanzfläche. Cord Kröger hatte nun keine Hemmungen mehr, ganz eng mit seiner Partnerin zu tanzen. Er spürte ihren Busen.

      Als sie nach dem Tanz auf die Sektbar zusteuerten, winkte eine grell geschminkte Frau in schwarzem Ballkleid Jelena zu sich. Es war Natascha, die sie in ihrem Auto mitgenommen