Jesus findet Muslime. Christiane Ratz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christiane Ratz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783961400102
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gegenüber machte er dann auch keinen Hehl daraus, dass er Christ geworden war. Sie ließ sich von ihm scheiden.

      Naid besuchte heimlich Bibelkurse und studierte Theologie an der Hochschule, bis diese geschlossen wurde. Dann ging er für ein halbes Jahr auf eine Jüngerschaftsschule ins Ausland.

      Auch Maraya wollte mehr über Jesus wissen. Auch sie absolvierte eine Bibelschule in einem anderen Land.

      Dort trafen sie sich. Beide ließen sich taufen und wurden als geistliche Leiter für die Untergrundkirche in ihrer Heimat ausgebildet und als solche zurückgesandt.

      Ihre Freundschaft wuchs, und sie gründeten gemeinsam eine Fernsehproduktionsfirma. Sie arbeiteten offiziell für das staatliche Fernsehen. Irgendwann verliebten sie sich und heirateten.

      Undercover produzierten sie Filme, DVDs und Musik-CDs für Christen, die auf legalem Wege in ihrem Land keine Informationen über Jesus erhalten konnten. Nach der Produktion eines regimekritischen Dokumentarfilms fand ihre Arbeit ein jähes Ende. Der staatliche Geheimdienst verhaftete ihre Freunde und brachte sie ins Gefängnis. Naid und Maraya fanden Tag und Nacht keine Ruhe mehr. Immer fürchteten sie, die Nächsten zu sein, die vom Geheimdienst verhaftet werden. Deshalb verließen sie auf unterschiedlichen Wegen ihre Heimat.

      Auf der Flucht müssen sie sich trennen und verlieren zweimal all ihren Besitz. In zwei verschiedenen Ländern müssen sie ganz von vorne anfangen, neue Sprachen lernen und sich auf neue Kulturen einlassen.

      Viele ihrer Freunde leben in ähnlichen Ausnahmesituationen, inmitten von Menschen, die sich nicht im Entferntesten vorstellen können, was sie durchgemacht haben. Sie fühlen sich sehr oft einsam und unverstanden. In dem allem erleben sie aber auch Gottes Nähe und Fürsorge.

      3 Auf dem Wasser gehen

      Der Platz, an den Gott dich ruft,

      ist dort, wo deine tiefste Beglückung

      und der ungestillte Hunger der Welt

      aufeinandertreffen.

       Frederick Buechner

      Ich lachte. Es hat ganz tief in mir begonnen und perlte nun geradezu von meinen Lippen. Jedes Mal, wenn ich nach oben flog, brach neue Freude sich überschwänglich Bahn. Ich flog durch die Luft, mein langes Haar tanzte gemeinsam mit den flatternden Rockschößen meines weißen Kleides. Höher und höher schaukelte ich unter dem grünen Blätterdom, durch den flirrend die Sonne schien. Es war einfach herrlich.

      „Shaya!“

      Abrupt wurde mein Schaukeln unterbrochen. „Kleine Shaya, wach auf!“ Unbarmherzig landete ich auf dem Boden.

      Mühsam versuchte ich, meine Augen aufzumachen. Vom Flur drang ein schmaler Lichtstreifen ins Zimmer, meine Mutter stand groß und dunkel in der Tür. „Shaya, beeile dich, steh rasch auf und wasche dich. In fünf Minuten gehen wir.“

      Sobald meine Mutter wieder verschwunden war, fielen mir die Augen erneut zu. Wieder befand ich mich unter dem zartgrünen Blätterdach. Doch eine Wolke hatte sich halb vor die Sonne geschoben. Die Schaukel, auf der ich eben noch gesessen hatte, schwang einsam aus.

      „Shaya, wenn du nicht gewaschen bist, kannst du nicht zu Gott kommen. So schmutzig, wie du bist, darf man das Haus Gottes nicht betreten.“

      Suchend drehte ich meine Hände hin und her. Jetzt war ich hellwach. Schmutz konnte ich keinen entdecken. Rasch schlüpfte ich in meine Pantoffeln und ging in den Flur. „Der Allmächtige sieht alles, geh und wasch dich!“

      Meine Mutter schob mich ins Badezimmer und wusch meine Fingerchen. Es war vier Uhr in der Frühe, und ich war eben fünf Jahre alt geworden.

      Ich hörte die Stimme meines Vaters von seinem Bett her: „Frau, lass doch die Kinder schlafen. Was soll das, in ihrem Alter schon Fasten und Beten?! Das ist doch ungesund. Sie brauchen ihren Schlaf!“

      Meine Mutter hörte nicht auf ihn. Sie sorgte dafür, dass meine vier Geschwister und ich pünktlich beim Beten waren. Sie schien einen Schwur geleistet zu haben, mit allen Mitteln eine gute und Gott wohlgefällige Mutter zu sein. Das sah sie als ihre heilige Pflicht.

      An Mutter sah ich schon als Kleinkind, was eine Frau zu tun und zu lassen hatte. Viel zu schnell verlangte sie dieses Betragen auch von mir, und ich konnte kein unbeschwerter Wildfang mehr sein, wie mich mein Vater manchmal zärtlich nannte. An meinem neunten Geburtstag legte meine Mutter mir einen nachtblauen Schal um die Schultern und zog ihn über mein Haar. „Wie gefällt dir diese Farbe, Shaya?“

      Zaghaft nickte ich und starrte mein Spiegelbild an. Das sollte ich sein? Nun durften mich, außer meinem Vater und meinen Brüdern, keine Männer mehr ohne den Hijab sehen. Doch manchmal passierte es einfach trotzdem. Oft, wenn ich mit meinen großen Brüdern übermütig durchs Haus tollte, tauchte etwa unerwartet mein Onkel bei uns auf und brachte meine Cousins zum Spielen vorbei. Dann musste ich ab jetzt mein Haar bedecken und das sittsame Mädchen sein, was so gar nicht zu mir passen wollte.

      „La ilaha illa Allah – Es gibt keinen Gott außer Allah!“ Wir beugten uns im Rhythmus der Verse, gemeinsam intonierten wir die „shahada“. Ich lag auf den Knien, gleich neben mir meine Schwester. Fünfmal am Tag sprachen wir mit den anderen Frauen im Gebetshaus das Glaubensbekenntnis. Wir beteten nicht nur pflichtgetreu, sondern fasteten auch und spendeten Geld für die Armen. Erfuhr ich von einem religiösen Programm, war ich garantiert dabei. Ich wünschte mir von Herzen, Gott zu gefallen und rechtschaffen zu sein. Außerdem sollte jeder, der mich kannte, gut von mir denken. Ich war eine gerechte junge Frau, an der selbst Gott nichts auszusetzen haben konnte.

      Gott verlangte wirklich viel von mir, und meine Mutter hatte sich zu seinem Sprachrohr gemacht. Weinend lag ich auf meinem Bett, meine Schwester massierte mir den Rücken. „Schh, schh, Shaya, ist ja gut, ist ja gut.“

      „Fatima, was ist mit meinen Träumen? Jahrelang habe ich mir ausgemalt, Stewardess zu werden. Ich wollte Sprachen lernen, um die ganze Welt reisen! Und nun will Mutter, dass ich heirate!“

      „Wende dich an Vater, er wird ein gutes Wort für dich einlegen!“

      „In diesen Dingen hat Mutter das letzte Wort, das weißt du. Sie sagt, es gehöre sich nicht, ein Mädchen in meinem Alter allein auf der Straße …“ Ich schniefte. „Mutter sagt, es sei höchste Zeit, dass ein Mann auf mich aufpasst.“

      In mir wirbelte alles durcheinander. Ich war 17 Jahre alt, und der Mann, den Mutter ausgesucht hatte, war furchtbar alt, 31! Das hieß, ich musste vor dem Schulabschluss die Schule abbrechen und zu seiner Familie ziehen. Ich kannte diese Menschen nicht, ich hatte sie höchstens einmal von Weitem in der Moschee gesehen. Das durfte einfach nicht wahr sein! Innerlich sträubte sich alles gegen diesen Gedanken.

      Es schrie unaufhörlich. Unbeholfen trug ich mein Baby auf und ab. Sang ein wenig, gab ihm die Brust, zeigte ihm Bilder und sprach auf es ein. Ich spielte damit, wie mit einer Puppe. Es beruhigte sich einfach nicht.

      Mein Leben als Frau und neuerdings als Mutter war ein Albtraum, dem ich einfach nicht entrinnen konnte.

      Ich starrte das Baby an, dies war mein Sohn! Ich musste ihn versorgen, stillen, Windeln wechseln, in den Schlaf wiegen – wie sollte das bloß gehen? Vom Sofa aus beobachtete mich meine Schwiegermutter. Sicher hatte sie gleich wieder etwas an mir auszusetzen. Seit ich in dieses Haus gekommen war, bestimmte sie oder ihre Töchter, was ich zu tun und zu lassen hatte. Nicht einmal zum Beten in die Moschee konnte ich mehr gehen. Darauf legte hier keiner wert, mein Mann schon gar nicht.

      Es war einfach alles anders, als ich es von zu Hause gewohnt war.

      Wie ich vermutet hatte, war mein Vater zwar gegen diese frühe Heirat gewesen, aber hatte sich nicht gegen meine Mutter durchsetzen können. Sie war der Auffassung, eine fromme Frau habe früh zu heiraten, Kinder zu bekommen und ihren Mann zu ehren und zu versorgen. Da ich ein Gott wohlgefälliges Leben führen wollte, willigte ich ein, wenn auch sehr widerstrebend. Als ich mich Mutter gegenüber beklagte, machte sie mir sehr deutlich klar, dass ich an Scheidung und Rückkehr